Ausreisegewahrsam

Der Ausreisegewahrsam kann auch ohne Vorliegen von den Haftgründen für eine Sicherungshaft für einen Zeitraum von längstens zehn Tagen richterlich angeordnet werden (siehe § 62b AufenthG). Inbesondere das Vorliegen einer Fluchtgefahr ist keine Voraussetzung für Ausreisegewahrsam, im Gegensatz zur Sicherungshaft. Die einzigen Voraussetzungen sind, dass die Ausreisefrist abgelaufen ist und die betroffene Person fortgesetzt ihre Mitwirkungspflichten verletzt hat oder über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat.

Die Anordnung eines Ausreisegewahrsams ist jedoch dann unzulässig, wenn die betroffene Person unverschuldet an der Ausreise gehindert war oder glaubhaft machen kann, dass sie sich nicht der Abschiebung entziehen will. Das gleiche gilt für den Fall, dass die Ausreisefrist nur geringfügig überschritten wurde oder feststeht, dass die Abschiebung nicht innerhalb von zehn Tagen durchgeführt werden kann.

Dem Gesetzeswortlaut nach kann der Ausreisegewahrsam „im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft vollzogen werden, von der aus die Ausreise der betroffenen Person möglich ist.“ In der Praxis wird Ausreisegewahrsam allerdings so gut wie immer in den gleichen Haftanstalten vollzogen wie andere Formen der Abschiebungshaft, also z.B. auch die Sicherungshaft. Die Gesetzesbegründung beinhaltet zudem eine sehr weitgefasste Definition einer „Unterkunft, von der aus die Ausreise der betroffenen Person möglich ist“. Vorausgesetzt wird lediglich die Nähe zu einer Grenzübergangsstelle oder einem Flughafen – diese müssen innerhalb von einer Stunde Fahrzeit erreichbar sein, wobei unerheblich ist, ob die konkrete Abschiebung von diesem Flughafen erfolgen wird. Da es praktisch keinen Ort in Deutschland gibt, der länger als eine Stunde Fahrzeit von einem Flughafen oder einer anderen Grenzübergangsstelle liegt, ist die im Gesetz normierte Einschränkung bezüglich der Lage der „Unterkunft“ de facto wirkungslos.

In der Regel gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen dem Ausreisegewahrsam und der Sicherungshaft, etwa hinsichtlich der Vollzugsbedingungen. So unterscheidet sich der Ausreisegewahrsam in der Praxis kaum von der „normalen“ Sicherungshaft, abgesehen von den abgesenkten rechtlichen Hürden, die es den Behörden einfacher machen, Menschen zu inhaftieren, auch wenn sie die Voraussetzungen für die Sicherungshaft nicht erfüllen, und der beschränkten Höchstdauer.

Stand: August 2023

Materialien

  • Übersicht der BGH-Rechtsprechung zur Abschiebungshaft von Richterin am BGH Prof. Dr. Johanna Schmidt-Räntsch (Stand: September 2017).
  • Übersicht "Aktuelle Fragen des Abschiebungshaftrechts" von Richterin am BGH Prof. Dr. Johanna Schmidt-Räntsch (Stand: Juni 2021).
  • Beitrag von Johanna Schmidt-Räntsch zum Thema „Vorgaben des Art. 5 EMRK für die Abschiebungshaft“ im AM 9/2020.
  • Broschüre des Deutschen Caritasverbands, Migration im Fokus: Abschiebung und Abschiebungshaft (Stand: Dezember 2019).
  • Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht mit Gesetzesbegründung und Ausführungen zu geeigneten "Unterkünften" für den Vollzug von Ausreisegewahrsam (Stand: April 2019).
  • weitere Materialien

Links

  • Link zur Übersicht von socialnet zur Abschiebungshaft (Stand: Januar 2019).
  • Link zum „Leitfaden für Flüchtlinge“ des Flüchtlingsrats Niedersachsen mit einer Überblick zur Abschiebungshaft, der Durchführung einer Abschiebung und deren Folgen.
  • Link zu den Materialien der Refugee Law Clinic Berlin zur „Aufenthaltsbeendigung“ (Stand: Februar 2018).
  • Link​​​​​​​ zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Praxis der Abschiebungshaft mit zahlreichen Statistiken (Stand: August 2021).

Bitte beachten:

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