Die EU-Aufnahmerichtlinie zählt Betroffene von Menschenhandel zu den Personen, die besonders schutzbedürftig sind. Damit hat der Staat, in dem diese Personen sich im Asylverfahren aufhalten, die Pflicht, sie als besonders schutzbedürftig zu identifizieren, und diesem Schutzbedürfnis angemessen zu entsprechen.
Die folgenden Ausführungen zur Definition von Menschenhandel und zur rechtlichen Situation der Betroffenen basieren auf dem Factsheet des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Menschenhandel.
Menschenhandel liegt vor, wenn eine Person unter Ausnutzung einer persönlichen Zwangslage angeworben, weitergegeben, befördert oder aufgenommen und in eine Ausbeutungssituation gebracht wird. Die Anwerbung kann sowohl in Deutschland als auch im Ausland stattfinden. Menschenhandel liegt also nicht erst dann vor, wenn Menschen zum Zweck der Ausbeutung nach Deutschland gebracht werden.
Der Zwang, der als Mittel zur Ermöglichung der Ausbeutung eingesetzt wird, kann verschiedene Formen annehmen, z.B. psychische oder physische Gewalt, Erpressung, Isolation, Ausnutzen einer hilflosen Lage oder Einbehalten von Papieren und verdientem Geld. Wichtige Elemente sind dabei Nötigung, Zwang und Täuschung. Bei Personen unter 21 Jahren liegt allerdings auch ohne diese Elemente Menschenhandel vor.
Menschenhandel ist nach § 232 StGB als Straftat gegen die persönliche Freiheit strafbar. Die Ausbeutung kann in verschiedenen Bereichen stattfinden, beispielsweise zur Arbeitsausbeutung oder zur sexuellen Ausbeutung (§232 ff. StGB).
Wenn die Ausweisdokumente einer Person von Dritten einbehalten werden, die Person in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist (z.B. durch ständige Überwachung), wenn sie über ihr verdientes Geld nicht selbst verfügt, sonder es an Dritte abgeführt wird, oder wenn die Person darüber getäuscht wurde, wo und zu welchen Bedingungen sie arbeiten sollte, können dies Anzeichen für Menschenhandel sein.
Sind Betroffene von Menschenhandel ausreisepflichtig, so ist ihnen nach § 59 Abs. 7 AufenthG grundsätzlich eine Ausreisefrist von mindestens drei Monaten zu gewähren. Diese Zeit wird ihnen gewährt, um zu entscheiden, ob sie bereit sind, im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die für den Menschenhandel verantwortlichen Personen auszusagen. Entscheiden sich die Betroffenen für eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden und erachten die Strafverfolgungsbehörden die Aussage der Person als notwendig für die Strafverfolgung, erhält die betroffene Person zunächst für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a oder b AufenthG. Diese kann nach Abschluss des Strafverfahrens verlängert werden.
Betroffene von Straftaten sind nach der Strafprozessordnung über ihre Rechte im, aber auch außerhalb des Strafverfahrens zu informieren (§ 406j StPO), dazu gehört auch: Der Hinweis auf Opferhilfeeinrichtungen und die Art der Unterstützung, die sie etwa in Form von Beratung oder einer psychosozialen Begleitung dort erhalten können. Der Hinweis muss frühzeitig, schriftlich und in einer für die Verletzten verständlichen Sprache erfolgen.
Für Fälle, in denen Betroffene von Menschenhandel einen Asylantrag stellen, gibt es für die Anhörung speziell ausgebildete Anhörer*innen (Sonderbeauftragte), die für die Anhörung von Betroffenen von Menschenhandel geschult sind. Betroffene haben das Recht, zu verlangen, dass sie von einer oder einem Sonderbeauftragten angehört werden.
Die EU-Aufnahmerichtlinie sieht in den Artikeln 17 und 19 die Gewährung der notwendigen medizinischen und materiellen Hilfe für besonders schutzbedürftige Personen als Rechtsanspruch vor. Artikel 18 sieht vor, dass die Situation von schutzbedürftigen Personen bei der Unterbringung zu berücksichtigen ist.
Stand: März 2023