Menschen mit Behinderungen

Die EU-Aufnahmerichtlinie zählt Menschen mit Behinderungen zu den Personen, die besonders schutzbedürftig sind. Damit hat der Staat, in dem diese Personen sich im Asylverfahren aufhalten, die Pflicht, sie als besonders schutzbedürftig zu identifizieren, angemessen zu versorgen und zu schützen. Menschen mit Behinderungen können Rechte aus der EU-Aufnahmerichtlinie ableiten. Die UN-Behindertenrechtskonvention beschreibt „Menschen mit Behinderung“ als "Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können."

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX ist dann von einer langfristigen Beeinträchtigung auszugehen, wenn diese mindestens sechs Monate andauern wird.

Die EU-Aufnahmerichtlinie sieht in Artikel 18 beispielsweise vor, dass die Situation von schutzbedürftigen Personen bei der Unterbringung zu berücksichtigen ist. Geflüchtete Menschen mit Behinderungen können sich hierauf berufen, wenn ein Umzug in eine barrierefreie Wohnung oder Unterkunft nötig ist. In solchen Fällen kann auch mit der UN-Behindertenrechtskonvention argumentiert werden und, wenn es um die Entlassung aus einer Erstaufnahmeeinrichtung geht, mit § 49 Abs. 2 AsylG. Teilweise – beispielsweise in Baden-Württemberg (§ 8 Abs. 1 FlüAG) – gibt es auch landesspezifische gesetzliche Regelungen.

Bei gehörlosen Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, sollte das BAMF auf die Gehörlosigkeit aufmerksam gemacht werden. Gleichzeitig sollte eine Information zur Sprache der Person erfolgen, damit bei der Anhörung ein*e entsprechende*r Dolmetscher*in eingesetzt werden kann. Wenn es ums Dolmetschen für Menschen mit Hörbehinderungen geht, sollte bedacht werden, dass es viele verschiedene Gebärdensprachen gibt.

Bei der Entscheidung über den Asylantrag können Behinderungen eine Rolle spielen, wenn eine Person aufgrund ihrer Behinderungen verfolgt wird, wenn aufgrund einer fehlenden medizinischen Versorgung im Herkunftsland im Falle einer Rückkehr eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, oder wenn die Person aufgrund ihrer Behinderungen den eigenen Lebensunterhalt nicht sichern könnte oder keine andere Unterstützungsmöglichkeiten (staatliche oder familiäre Hilfe) zur Verfügung stehen, so dass eine Verelendung droht.

Das Aufenthaltsgesetz sieht in bestimmten Fällen Sonderregelungen vor, um den spezifischen Bedarfen von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden. So besteht die Möglichkeit, dass bei der Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel (u.a. Niederlassungserlaubnis) Voraussetzungen wie Lebensunterhaltssicherung, Sprachniveau und Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und des Lebens in Deutschland nicht verlangt werden, wenn ihre Erfüllung aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht möglich ist.

Der Anspruch auf und Teilhabeleistungen nach dem SGB IX und Sozialleistungen hängt vom aufenthaltsrechtlichen Status ab, wobei es teilweise Ermessensspielräume der Behörden gibt, um bestimmte zusätzliche Leistungen zu gewähren.

Es gibt – allerdings nicht flächendeckend – Integrationskurse für Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigung . Das BAMF übernimmt auf Antrag die Reise- und Unterbringungskosten zu den Orten, an denen die Kurse stattfinden. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen gibt es keine speziellen Integrationskurse, sondern lediglich regional vereinzelt Sprachlernangebote.

Stand: März 2023

Links

  • Link zur Seite „Geflüchtete Menschen mit einer Behinderung“ auf basiswissen.asyl.net
  • Link zum Themenportal „Crossroads Roadbox“ von Handicap International
  • Link zur Themenseite "Migration und Behinderung" der Lebenshilfe
  • Link zur Website der Bundeskontaktstelle Hilfe für Geflüchtete mit Behinderung oder Pflegebedarf
  • Link zur Website der Initiative „DeafRefugees“ mit Informationen und Kontaktdaten für hörgeschädigte Geflüchtete
  • Link zur Website des Bundesverbandes der Gebärdendolmetscher*innen