SG Landshut

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Zitieren als:
SG Landshut, Beschluss vom 23.01.2020 - S 11 AY 79/19 ER - Asylmagazin 3/2020, S. 93 ff. - asyl.net: M28033
https://www.asyl.net/rsdb/M28033
Leitsatz:

Keine Leistungskürzungen wegen der bloßen Nicht-Ausreise im Dublin-Verfahren und  keine niedrigere Bedarfsstufe für Alleinstehende, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind:

1. Eine Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG (Dublin-Fall) ist unzulässig, wenn kein konkretes "Fehlverhalten" vorliegt. Die bloße Anwesenheit im Bundesgebiet, die schlichte Nicht-Ausreise sowie die Stellung eines Asylantrags dürfen nicht sanktioniert werden, da es sich nicht um ein individuelles "Fehlverhalten" handelt. Da in die Schweiz keine "freiwillige Dublin-Überstellung" vorgesehen ist, kann die Ausreise dorthin auch nicht verlangt werden.

2. Keine niedrigere Bedarfsstufe für Alleinstehende, die in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sind (vgl. auch SG Landshut, Beschluss vom 24.10.2019 - S 11 AY 64/19 ER - Asylmagazin 12/2019, S. 432 f. - asyl.net: M27766; SG Freiburg, Beschluss vom 03.12.2019 - S 9 AY 4605/19 ER - asyl.net: M27903 und vom 20.01.2020 - S 7 AY 5235/19 ER - asyl.net: M28016; SG Hannover, Beschluss vom 20.12.2019 - S 53 AY 107/19 ER - asyl.net: M27968).

(Leitsätze der Redaktion)

Anmerkung:

Schlagwörter: Asylbewerberleistungsgesetz, Bedarfsstufe, Bedarfsgemeinschaft, Sozialrecht, alleinstehend, Gemeinschaftsunterkunft, Sozialstaatsprinzip, Existenzminimum, Gleichheitsgrundsatz, allgemeiner Gleichheitssatz, Bedarf, Regelleistung, Grundleistungen, Aufnahmeeinrichtung, Regelbedarf, Gemeinschaftsunterbringung, gemeinsames Wirtschaften, soziokulturelles Existenzminimum, Bargeldbedarf, vorläufiger Rechtsschutz, Schicksalsgemeinschaft, Sammelunterkunft, Verfassungsmäßigkeit, Einspareffekt, Paarhaushalt, verfassungskonforme Auslegung, Auslegung, Leistungskürzung, alleinstehend,
Normen: AsylbLG § 1a Abs. 7 S. 1, AsylbLG § 3a Abs. 1 Nr. 2 Bst. b, AsylbLG § 3a Abs. 2 Nr. 2 Bst. b, GG Art. 1 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 1, GG Art. 3 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

1. Der Leistungsanspruch kann derzeit nicht nach § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG eingeschränkt werden, der Bescheid vom 16.12.2019 ist rechtswidrig. Umstritten ist vorliegend eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG. Nach dieser mit dem Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15.08.2019 eingefügten und zum 21.08.2019 in Kraft getretenen Regelung gilt für Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 oder 5, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 31 Absatz 6 des Asylgesetzes als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34a Absatz 1 Satz 1 zweite Alternative des Asylgesetzes angeordnet wurde, dass die Menschen nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG erhalten, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Der Zweck der Regelung besteht zum einen in der Durchsetzung der Ausreisepflicht (BT-Drucksache 19/ 10047) sowie in der Begrenzung der Sekundärmigration insbesondere aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach Deutschland. Letzteres folgt aus dem Gesetzentwurf zur Vorgängerregelung vom 31. Mai 2016, die der Vervollständigung der Regelung nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG (BT-Drucksache 18/8615, Seite 35) diente, wo bereits eine Anspruchseinschränkung für bestimmte Fälle vorgesehen ist, in denen ein anderer Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Als weitergehender Zweck ist darüber hinaus die Beendigung des Sozialleistungsbezugs zu erkennen. Mit dem Verlassen der Bundesrepublik würde der Leistungsbezug in Deutschland enden. Die Durchführung eines zulässigen Asylverfahrens im zuständigen Staat würde überdies grundsätzlich schneller zu einer Arbeitserlaubnis oder Rückkehr in das Herkunftsland und dadurch zum generellen Wegfall der Hilfebedürftigkeit führen. Dieser (letzte) Zweck wird zunächst von der hiesigen Kammer grundsätzlich als legitim angesehen. Mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz kann eine Leistungsminderung vereinbar sein. Sie kann die Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG wahren, wenn sie nicht darauf ausgerichtet ist, repressiv Fehlverhalten zu ahnden, sondern darauf, dass Mitwirkungspflichten erfüllt werden, die gerade dazu dienen, die existenzielle Bedürftigkeit zu vermeiden oder zu überwinden. Dann dient die Leistungsminderung wie auch die Pflicht, die mit ihr durchgesetzt werden soll, dazu, den existenznotwendigen Bedarf auf längere Sicht nicht mehr durch staatliche Leistung, sondern durch die Eigenleistung der Betroffenen zu decken. Der Gesetzgeber kann insofern staatliche Leistungen zur Sicherung der Existenz auch mit der Forderung von und Befähigung zu eigener Existenzsicherung verbinden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 05. November 2019 - 1 BvL 7/16 -, Rn. 131). Durch die Rückkehr in die Schweiz und die Inanspruchnahme des dort zulässigen Rechtsmittels könnte der Antragsteller schneller in eine Situation kommen, durch eigene Befähigung seinen Lebensunterhalt zu sichern. Darüber hinaus ist ein legitimer Zweck darin zu erkennen, dass der Gesetzgeber darauf hinwirkt, dass die existenzielle Bedürftigkeit der Leistungsbezieher in Deutschland durch die Veranlassung zur Auswanderung in einen anderen Staat überwunden wird. Dies gilt, solange im Empfängerland ebenfalls ein angemessenes Niveau von existenzsichernden Leistungen besteht. Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Eine daran anknüpfende Schonung der begrenzten finanziellen Ressourcen des Staates sichert diesem künftige Gestaltungsmacht gerade auch zur Verwirklichung des sozialen Staatsziels (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 - 1 BvL 7/16 -, Rn. 124, m.w.N.). Der Gesetzgeber kann den Nachranggrundsatz nicht nur durch eine Pflicht zum vorrangigen Einsatz aktuell verfügbarer Mittel aus Einkommen, Vermögen oder Zuwendungen Dritter zur Geltung bringen. Das Grundgesetz steht auch einer Entscheidung des Gesetzgebers nicht entgegen, von denjenigen, die staatliche Leistungen der sozialen Sicherung in Anspruch nehmen, zu verlangen, an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 - 1 BvL 7/16 -, Rn. 126). Unter Berücksichtigung des dargestellten Normzwecks und des Regelungszusammenhangs hält die Kammer eine teleologische Reduktion von § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG für geboten. Eine teleologische Reduktion ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle nicht zur Anwendung kommt, weil der Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 04. Dezember 2014 - B 2 U 18/13 R -, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RE 2/16 R -). Nur diese Auslegung der Norm ermöglicht eine verfassungskonforme Auslegung. Mit Blick hierauf ist auch für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG - im Wege der normerhaltenden, teleologischen Reduktion - zu fordern, dass dem Leistungsberechtigten aktuell ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist. Dafür, dass der Gesetzgeber auch bei § 1a Abs. 7 AsylbLG nur ein pflichtwidriges Verhalten sanktionieren wollte, spricht die  systematische Verortung dieser Anspruchseinschränkung in § 1a AsylbLG. Hintergrund aller Leistungseinschränkungen in dieser Norm ist - wie sich aus der Gesamtzusammenschau der verschiedenen Tatbestände des § 1a AsylbLG ergibt - ein konkretes, selbst zu vertretendes (ausländerrechtliches) Fehlverhalten, als Folge dessen die Leistungseinschränkung greift. Dass der Gesetzgeber dies bei allen Tatbestandsvarianten im Sinn hatte, zeigt auch der Wortlaut des § 14 Abs. 2 AsylbLG, der eine Verlängerung der Anspruchseinschränkung bei "fortbestehender Pflichtverletzung" vorsieht. Auch für die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG ist daher zu fordern, dass ein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten vorliegen muss (vgl. zu § 1a Abs. 4 AsylbLG alte Fassung: Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17. September 2018 - L 8 AY 13/18 B ER-, m. w. N.). Es ist jedoch auch ein aktuelles, noch andauerndes Fehlverhalten zu fordern. Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus eigener Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für dieses menschenwürdige Dasein zur Verfügung stehen. Die den entsprechenden Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu, ist dem Grunde nach unverfügbar und geht selbst durch vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren; sie kann selbst denjenigen nicht abgesprochen werden, denen schwerste Verfehlungen vorzuwerfen sind (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 - 1 BvL 7/16 -, Rn. 120, m.w.N.). Leistungsminderungen sind nur verhältnismäßig, wenn die Belastungen der Betroffenen auch im rechten Verhältnis zur tatsächlichen Erreichung des legitimen Zieles stehen, die Bedürftigkeit zu überwinden. Die Zumutbarkeit der Belastung richtet sich vor allem danach, ob die Leistungsminderung unter Berücksichtigung ihrer Eignung zur Erreichung dieses Zwecks und als mildestes, gleich geeignetes Mittel in einem angemessenen Verhältnis zur Belastung der Betroffenen steht. Das setzt insbesondere voraus, dass es den Betroffenen tatsächlich möglich ist, die Minderung staatlicher Leistungen durch eigenes zumutbares Verhalten abzuwenden und die existenzsichernde Leistung wiederzuerlangen. Die Anforderungen aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG sind daher nur gewahrt, wenn die zur Deckung des gesamten existenznotwendigen Bedarfs erforderlichen Leistungen für Bedürftige jedenfalls bereitstehen und es in ihrer eigenen Verantwortung liegt, in zumutbarer Weise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung auch nach einer Minderung wieder zu erhalten (BVerfG, Urteil vom 05. November 2019 - 1 BvL 7/16 -, Rn. 133). Liegt aktuell kein Fehlverhalten mehr vor, kann eine Leistungsminderung daher nicht verhältnismäßig sein. Ob vorliegend ein aktuelles pflichtwidriges Fehlverhalten des Antragstellers vorliegt, kann hier bereits dahinstehen. Weder der Anhörung vom 26.11.2019, noch dem Bescheid vom 16.12.2019 ist zu entnehmen, welches konkrete Verhalten des Antragstellers erreicht werden soll. Offenbar wurde sanktioniert, dass der Antragsteller einen unzulässigen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. Der Antrag stellt für sich indes kein Fehlverhalten dar. Schon aufgrund von § 14 AsylbLG ist eine hinreichende Bestimmtheit der Pflichtverletzung zu fordern. Es muss aus dem feststellenden Verwaltungsakt eindeutig hervorgehen, welche konkrete aktuelle Pflichtverletzung Grundlage der Leistungskürzung nach § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG ist. Aus § 14 Abs. 2 AsylbLG folgt, dass die Behörde spätestens nach Ablauf von sechs Monaten in eine neue Prüfung eintreten muss. Inhalt dieser Prüfung ist es, ob die Pflichtverletzung nach § 1a AsylbLG weiterhin besteht oder nicht. Die Gesetzesmaterialien beziehen sich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der es gebiete, dass ein nicht mehr änderbares, zurückliegendes Fehlverhalten oder sogar ein bereits korrigiertes Fehlverhalten in einer Sanktion nicht unbegrenzt fortwirkt (Oppermann in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 14 AsylbLG 1. Überarbeitung, Rn. 10). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Kammer aktuell die unterlassene Rückkehr in das für das Asylverfahren eigentlich zuständige Land nicht als Pflichtverletzung des Antragstellers anzusehen vermag. Nach Mitteilung des Antragsgegners und der Ausländerbehörde werden keine freiwilligen Überstellungen zur autonomen Rückkehr in die Schweiz durchgeführt. Es wird nicht die freiwillige, selbstständige Ausreise gefordert, sondern das sich Bereitstellen zur Abschiebung. Nachdem die Rückkehr derzeit nicht rechtmäßig durchführbar wäre, kann diese nach aktueller Ansicht der Kammer nicht reklamiert werden. Das Unterlassen der freiwilligen Rückreise ist dann auch keine Pflichtverletzung (vgl. zu § 2 AsylbLG: SG Landshut, Beschluss vom 02. Juli 2019 - S 11 AY 39/19 ER -). Eine Bestrafung des Antragstellers für vergangenes Fehlverhalten wäre kein legitimes Ziel, dass durch Leistungskürzungen erreicht werden sollte. Diese bleibt dem Strafrecht vorbehalten. Auch die Sanktionierung zum Zwecke der Rückreise in das Herkunftsland Eritrea wäre derzeit kein legitimes Ziel. Es kann dabei vorliegend dahinstehen, ob der Antragsteller aktuell über die erforderlichen Reisedokumente verfügt und tatsächlich zur Rückreise ins Herkunftsland fähig ist. Dieses Ziel würde den Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens ad absurdum führen. Die Ablehnung des Asylantrages in Deutschland als unzulässig und der Verweis auf die Schweiz setzt gerade voraus, dass dort ein zulässiges Asylverfahren durchführbar ist. Die entsprechend anwendbare Dublin-III-VO dient der Koordinierung der Asylverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (Maunz/Dürig/Gärditz, 88. EL August 2019, GG Art. 16a Rn. 145). Schon dem Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist zu entnehmen, dass davon auszugehen sei, dass der schweizerische Staat seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Prüfung des Asylbegehrens nachkommt. Dies ist Voraussetzung der Abschiebung. Daher kann aktuell unter Berücksichtigung von Art. 16a GG die Rückreise nach Eritrea, ohne vorherige Durchführung eines Asylverfahrens in der Schweiz, nicht verlangt werden, noch legitimes Ziel sein. Auch ein Anordnungsgrund liegt vor. An diesen sind bereits wegen des oben geschilderten funktionalen Zusammenhangs von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund keine hohen Anforderungen zu stellen, da eine große Erfolgsaussicht in der Hauptsache besteht. Im Übrigen ergibt sich die Eilbedürftigkeit auch aus der Tatsache, dass der Antragsteller sonst längere Zeit unterhalb des (soziokulturellen) Existenzminimums leben müsste. Der Antragsgegner war daher vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit ab 01.01.2020 ungekürzte Leistungen zu gewähren. Dauer und Höhe der zuzusprechenden Leistungen liegen gemäß § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Bezüglich der Leistungshöhe erscheint eine Verpflichtung "dem Grunde nach" sachgerecht und sinnvoll, da auch bei einer solchen Grundverpflichtung für den Antragsgegner die Berechnung der jeweils konkreten Leistungshöhe möglich ist. Wenn, wie hier, nur eine Leistungsabsenkung, nicht aber die Höhe des Anspruchs strittig ist, ist eine bloße Verpflichtung "dem Grunde nach" möglich (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01. Juli 2016 - L 7 AS 350/16 B ER -). Eine Verpflichtung dem Grunde nach im Sinne des § 130 Abs. 1 SGG ist zulässig, wenn mit Wahrscheinlichkeit von einem (zumindest geringfügig höheren) Leistungsanspruch ausgegangen werden kann (vgl. SG Hannover, Beschluss vom 14. Juli 2017 - S 48 AS 1951/17 ER -, m. w. N.). Dies ist hier der Fall. Es steht überdies im Ermessen des Antragsgegners, ob auch das soziokulturelle Existenzminimum zumindest teilweise durch Sachleistung gewährt wird.

2. Die Kammer geht davon aus, dass der Antragsteller Anspruch auf Leistungen in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 gem. §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG hat. Unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Begründung des Antragstellers und aufgrund der ungeklärten und schwierigen  verfassungsrechtlichen Fragen, nachdem die konkrete Situation des Antragstellers ungeklärt ist und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ist vorliegend auch im Ergebnis der dann vorzunehmenden Folgenabwägung die Höhe der Leistungen nach §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG zu bestimmen. Auf den Vortrag des Antragstellers wird Bezug genommen. Eine Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), insbesondere mit den prozeduralen Vorgaben des BVerfG, kann allenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 3a Abs. 1 Nr. 2 b AsylbLG bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 2 b AsylbLG angenommen werden, nach der die Anwendung der Bedarfsstufe 2 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Sammelunterkunft Untergebrachten voraussetzt. Insoweit bedürfte es der Prüfung im Einzelfall, ob eine "tatsächliche und nachweisbare finanzielle Beteiligung an der (gemeinsamen) Haushaltsführung" vorliegt (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 84 Zu § 8 (Regelbedarfsstufen)), also ob der Leistungsberechtigte mit anderen zusammenlebt und wirtschaftet (z.B. gemeinsame Einkäufe und Essenszubereitung) und hierdurch geringere Bedarfe etwa an Lebensmitteln, aber auch an Freizeit, Unterhaltung und Kultur bestehen. Zweifel gingen zulasten des Leistungsträgers nach dem AsylbLG (Träger der objektiven Beweislast) (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 AsylbLG 1. Überarbeitung, Rn. 130 16 m. w. N.). Die Kammer geht folglich davon aus, dass die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 ein tatsächliches gemeinsames Wirtschaften der mit dem Antragsteller untergebrachten Personen verlangt. Das gemeinsame Wirtschaften erscheint zumindest wahrscheinlicher in familiären Verbindungen; weniger indes bei der gemeinsamen Unterbringung mit fremden Personen. Ergänzend ist auszuführen: Nach dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 (- 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) sind für die Höhe der Leistungen alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf zu bemessen. Leistungsunterschiede zwischen den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG und Leistungsberechtigten nach dem SGB II und XII sind nur gerechtfertigt, wenn und soweit unterschiedliche Bedarfssituationen der beiden Gruppen festgestellt und begründet worden sind. Die Bedarfssituation der Leistungsberechtigten ist sowohl für die Bedarfsbemessung als auch für die Bedarfsgewährung maßgeblich. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch gemeinsames Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt. Da aufgrund des Zusammenlebens anzunehmen ist, dass beide Partner "aus einem Topf" wirtschaften, ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für Partner einen gleich hohen Bedarf in Ansatz bringt. Eine gleichmäßige Aufteilung des geminderten gemeinschaftlichen Bedarfs trägt jedenfalls, anders als das früher im Sozialhilferecht praktizierte Haushaltsvorstandsprinzip, Art. 3 Abs. 2 GG Rechnung (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, BVerfGE 125, 175-260, Rn. 154, bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 -, BVerfGE 137, 34-103, Rn. 100). Die Regelbedarfsstufe 2 übernimmt laut der Gesetzesbegründung zur bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung des § 8 RBEG die bisherige Regelung für Paare, nach der beide Erwachsene jeweils 90 % des Eckregelsatzes erhalten; Paare sind neben Ehepaaren und Partnern auch eheähnliche und lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften (Gutzler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 8 RBEG 1. Überarbeitung, Rn. 15). Dieses Einsparpotenzial entstehe dadurch, dass Partner in Paarhaushalten Wohnraum gemeinsam nutzten und daher die Kosten des Wohnens pro Partner deutlich günstiger seien, als in Einpersonenhaushalten. Bedeutsam für die Höhe der Regelbedarfsstufe sei es, dass verschiedene im Haushalt vorhandene Gebrauchsgüter gemeinsam angeschafft und genutzt sowie Verbrauchsgüter gemeinsam gekauft würden. Vor diesem Hintergrund sei es angemessen, für in einer gemeinsamen Wohnung lebende Partner weiterhin die Regelbedarfsstufe 2 mit einem Betrag anzusetzen, der einem Anteil von 90 Prozent der Regelbedarfsstufe entspreche. Dies werde umgesetzt durch die in Absatz 1 Nummer 2 für die Regelbedarfsstufe 2 vorgesehene Regelung für Ehegatten, Lebenspartner sowie in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebende Partner. Aufgrund des partnerschaftlichen Zusammenlebens sei in der allgemeinen Betrachtung zu unterstellen, dass diese Paarhaushalte die haushaltsbezogenen Verbrauchsausgaben gemeinsam tragen (BT-Drucksache 18/9984, 85f). Der Gesetzgeber hat keine eigene Erhebung der Verbrauchsausgaben von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG durchgeführt. Ein besonderes Verbrauchsverhalten von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, das von dem in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zu Grunde gelegten abweicht, sei "nicht qualifiziert ermittel- und abschätzbar" bzw. "nicht plausibel zu belegen" (Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S.21ff). Es gab demnach eine gesetzgeberische Entscheidung dahingehend, den Bedarf von Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG analog den Bedarfen von Leistungsberichtigen nach dem SGB XII bzw. SGB II zu berechnen. Diese Entscheidung ist in der Ausführung der gesetzlichen Vorgaben anzuerkennen. Deutlich wird, dass die Absenkung der Regelbedarfe auf 90 % im Vergleich zu Alleinstehenden nach den Ermittlungen des Gesetzgebers das Zusammenleben, Partnerschaft und Wirtschaften aus einem Topf voraussetzt. Es erscheint ausgeschlossen, dass nicht verwandte Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft regelmäßig und ohne Berücksichtigung des Einzelfalles die genannten drei Kriterien erfüllen. Die Zusammensetzung und die Höhe des notwendigen persönlichen Bedarfs und somit des Bargeldbedarfs bestimmt sich im AsylbLG wie im SGB II und SGB XII auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2013 (EVS 2013). Dort hat der Gesetzgeber zunächst definiert, was zum soziokulturellen Existenzminimum gehören soll und hat sodann durch ein Statistikmodell ermittelt, welche Ausgaben Haushalte für diese relevanten Verbrauchsausgaben hatten. Nach dem Statistikmodell wurden die Regelbedarfe auf der Grundlage von empirisch ermittelten Verbrauchsausgaben und den Entscheidungen des Gesetzgebers über deren Relevanz für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die einzelnen zu betrachtenden Haushaltskonstellationen ermittelt. Dabei wurde vom Gesetzgeber normativ festgelegt, dass sich die Regelbedarfe am Konsumniveau anderer Haushalte mit niedrigem Konsumniveau orientieren sollen. Die ermittelten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte für einzelne Güter und Dienste, die vom Gesetzgeber als regelbedarfsrelevant definiert wurden, ergeben jeweils als Gesamtsumme die für die Gewährleistung des Existenzminimums erforderlichen Verbrauchsausgaben. Diese Summe stellt den monatlichen Zahlbetrag dar. Über die konkrete Verwendung dieses monatlichen Betrages entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, welche Verbrauchsausgaben für die Regelbedarfsermittlung berücksichtigt werden, soll die individuelle Entscheidung über die Verwendung des monatlichen Budgets nicht vorweggenommen werden. Mit der Ermittlung von Regelbedarfen wurde folglich nicht entschieden, wofür und in welchem Umfang Leistungsberechtigte den Auszahlungsbetrag verwenden. Allein die Höhe des Budgets wird bei der Ermittlung von Regelbedarfen nach dem Statistikmodell ermittelt. Die Logik des Statistikmodells liege gerade darin, dass in der Realität nicht exakt die für die einzelnen regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben berücksichtigten Beträge anfallen, sondern die tatsächlichen Verbrauchsausgaben im Einzelfall davon abweichen können. Entscheidend sei allein, dass der Gesamtbetrag des Budgets für die Bestreitung von Verbrauchsausgaben ausreicht, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Dabei müssen sich zwangsläufig Mehrausgaben im Vergleich zu den eingerechneten Durchschnittsausgaben durch Minderausgaben an anderer Stelle ausgleichen. Die individuelle Zusammensetzung der Verbrauchsausgaben ist aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen und wegen der unausweichlichen Notwendigkeit von Prioritätensetzungen von Monat zu Monat unterschiedlich (zu alledem Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S.21ff; Gesetzentwurf, Drucksache 17/3404 vom 26.10.2010 S. 51). Der Gesetzgeber geht folglich davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob die einzelnen zugrunde gelegten Positionen konkret ausreichend sind, um den jeweiligen Bedarf zu decken, sondern ob der Gesamtbetrag insgesamt zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums ausreicht. Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass nicht jede Person in jedem Monat alle einzelnen berücksichtigten Verbrauchsausgaben hat. Es ist daher auch zu beachten, dass Mitbewohner der Gemeinschaftsunterkunft des Antragstellers individuelle Bedarfe haben könnten, die diese eigenverantwortlich mit den erhaltenen Geldmitteln decken wollen und dürfen. Dies gilt insbesondere für die soziokulturellen Bedarfe. Hinzu kommt, dass unklar ist, welche Leistungen die anderen Mitbewohner der  Gemeinschaftsunterkunft des Antragstellers tatsächlich beziehen. Es liegt nahe, dass einige noch abgesenkten Grundleistungen Anspruchseinschränkungen nach § 1a AsylbLG hinnehmen müssen. Zusätzlich ist offen, ob Mitbewohner lediglich Anspruch auf Leistungen nach den Regelbedarfsstufen 3 - 6 haben oder zusätzlich Sachleistungen oder Einkommen beziehen. Ohne die Anordnung stünden dem Antragsteller gegebenenfalls weniger als die ihm nach Art. 1 und 2 GG zustehenden existenzsichernden Leistungen zur Verfügung. [...]