Weitere Gerichtsentscheidungen zum Schutzstatus Asylsuchender aus Syrien

Die seit Anfang 2016 geänderte Praxis des BAMF Asylsuchenden aus Syrien lediglich subsidiären Schutz anstatt Flüchtlingsschutz zuzusprechen, führt weiterhin zu zahlreichen Klagen von Betroffenen. Sämtliche der bisher vorliegenden Verwaltungsgerichtsentscheidungen fallen für Betroffene positiv aus. Das BAMF hat dagegen inzwischen zwei obergerichtliche Entscheidungen erwirken können.

Seit Änderung der Entscheidungspraxis des BAMF zu Asylsuchenden aus Syrien (siehe Asylmagazin 4-5 und 6/2016) steigt die Zahl der Personen, denen im Asylverfahren lediglich subsidiärer Schutz und nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird weiter stark an. Während laut Pro Asyl im Jahr 2015 noch fast alle Asylsuchenden aus Syrien als Flüchtlinge anerkannt wurden, erhielten im April 2016 schon rund 16% von ihnen nur noch den subsidiären Schutz. Im Juni 2016 berechnete Pro Asyl einen Anstieg auf 46% und im August bereits auf rund 70%. Auch bei Asylsuchenden aus Eritrea und dem Irak beobachtet Pro Asyl einen Anstieg der subsidiären Schutzentscheidungen obwohl sich auch in diesen Ländern die Situation nicht geändert habe. (Pro Asyl NEWS 14.09.2016)

Insbesondere da der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten derzeit ausgesetzt ist, gehen zahlreiche Betroffene gegen diese Entscheidungen des BAMF vor. Thomas Hohlfeld, migrationspolitischer Referent der Fraktion Die Linke, weist in einer Rundmail darauf hin, dass 27% der entsprechenden BAMF Entscheidungen bis Ende Mai 2016 angefochten wurden. Dies ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 18/9423, S. 12) auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke): in den ersten fünf Monaten des Jahres 2016 wurden 2.390 solche Klagen von Asylsuchenden aus Syrien registriert. In selbiger Auskunft hat die Bundesregierung auch klargestellt, dass die Betroffenen während des Klageverfahrens einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes haben. Diese war in einigen Fällen von Behörden verweigert worden. Auch ist inzwischen klar, dass Betroffene ab Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach dem SGB leistungsberechtigt sind und nicht während des Klageverfahrens noch unter das AsylbLG fallen. Dies ergibt sich aus einer den Flüchtlingsräten vorliegenden Email des rheinland-pfälzischen Sozialministeriums, welche auf eine Abstimmung auf Bundesebene bezug nimmt. (Vgl. ausführlich zu den Fragen des Rechtsstatus unsere Meldung zur Musterklage.)

Die Klagen auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes anstatt des subsidiären Schutzes von Asylsuchenden aus Syrien haben bisher gute Erfolgsaussichten. Wie schon Oberverwaltungsgerichte in den Jahren 2012 bis 2014, gehen Verwaltungsgerichte vielfach weiterhin davon aus, dass nach Syrien Zurückkehrende unabhängig vom Vortrag individueller Fluchtgründe von Verfolgung durch das Regime bedroht sind (vgl. unsere Meldung vom 25.8.2016).

Weitere aktuelle Entscheidungen stützen die Annahme einer Verfolgungsgefahr neben dieser Begründung zusätzlich auf gefahrerhöhende Umstände aufgrund bestimmter Risikoprofile (vgl. UNHCR Erwägungen). So geht das VG Köln in seinem Urteil vom 25.8.2016 (20 K 6664/15, asyl.net: M24213) von einer erhöhten Gefährdung eines Ehepaars aufgrund seiner Herkunft aus einem bestimmten Ort und infolgedessen zugeschriebenen Regimegegnerschaft aus. Zudem würde der syrische Staat in diesem Fall von einem Loyalitätsbruch ausgehen, da der Ehemann als ehemaliger Berufssoldat und die Ehefrau als Oberschullehrerin Teil der militärischen bzw. administrativen Klasse in Syrien waren und deren Söhne sich dem Militärdienst entzogen haben. Eine vom syrischen Regime unterstellte Wehrdienstverweigerung wird im Hinblick auf einen jungen wehrfähigen Mann auch vom VG Würzburg in einem Urteil vom 7.9.2016 (W 2 K 16.30603, asyl.net: M24239) als zusätzlicher Grund für die Annahme einer Verfolgungsgefahr herangezogen. Das VG Magdeburg stellt auch auf die Verfolgungsgefahr wegen Ausreise und Asylantragstellung im westlichen Ausland ab, die aber im Norden Syriens durch Milizen des IS (Islamischer Staat) anstatt durch das Regime drohe (PKH-Beschluss vom 29.8.2016, 9 A 144/16 MD, asyl.net: M24259). 

Da das BAMF mittlerweile vielfach gegen entsprechende VG Entscheidungen Berufungszulassungsanträge gestellt hat, sind nun auch Oberverwaltungsgerichte mit der Frage befasst, ob nach Syrien zurückkehrenden Asylsuchenden eine regimefeindliche Gesinnung unterstellt wird. Das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 5.9.2016, 14 A 1802/16.A, asyl.net: M 24222) hatte diese Frage (zuletzt 2014) bereits verneint und sieht sie daher als geklärt an. Die abweichende Wertung anderer Oberverwaltungsgerichte in den Jahren 2012 bis 2014 und aktuell der Verwaltungsgerichte führt laut OVG NRW nicht zur grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die seine Entscheidung erfordern würde. Demgegenüber hat das OVG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 16.9.2016 (1 A 10786/16.OVG, asyl.net: M24256) die Berufung zur Klärung der Frage zugelassen, ob Asylsuchenden aus Syrien allgemein bei Rückkehr politische Verfolgung droht. Das Gericht geht allerdings davon aus, dass aufgrund der massenhaften Ausreise seit Beginn des Bürgerkrieges einiges dafür spreche, dass individuelle Verfolgungsgründe hinzutreten müssen.


Hinweis

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