Ländererlasse im Vorgriff auf im Koalitionsvertrag 2021 vorgesehene Neuregelungen zum Chancen-Aufenthaltsrecht und zu Bleiberechten

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierungsparteien sind Erleichterungen bei den Bleiberechten für gut integrierte Personen und die Neuregelung eines Chancen-Aufenthaltsrechts vorgesehen. Im Vorgriff auf die zu erwartenden Gesetzesänderungen haben mehrere Bundesländer Weisungen erlassen, die Abschiebungen von potenziell begünstigten Personen verhindern sollen.

Laut dem Koalitionsvertrag der Parteien der sogenannten Ampelkoalition, die die neue Bundesregierung stellen, soll es einen „Neuanfang in der Migrations-und Integrationspolitik“ geben, der „einem modernen Einwanderungsland“ gerecht werde. Mit diesem geplanten „Paradigmenwechsel“ solle Migration zukünftig „vorausschauend und realistisch“ geplant werden.

Insbesondere sind Änderungen im Aufenthalts-und Bleiberecht geplant. Gut integrierte Jugendliche sollen nach drei – statt wie bisher vier - Jahren Aufenthalt in Deutschland und bis zum 27. - statt wie bisher 21. - Lebensjahr die Möglicheit für ein Bleiberecht bekommen (§ 25a AufenthG). Auch die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG erforderlichen Voraufenthaltszeiten sollen auf sechs bzw. vier Jahre verkürzt werden.

Zudem ist beabsichtigt, die bisherige Praxis von sogenannten Kettenduldungen zu vermeiden und Personen die Möglichkeit zu eröffnen, eine Aufenthaltserlaubnis (Chancen-Aufenthaltsrecht) zu erhalten. Laut Koalitionsvertrag sollen Menschen, die am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland leben, nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen, eine einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können, um in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen (insbesondere Lebensunterhaltssicherung und Identitätsnachweis gemäß §§ 25 a und b AufenthG).

Es ist bisher noch nicht absehbar, wann die geplanten Änderungen des AufenthG erfolgen werden. In Erwartung der zukünftigen Regelungen haben nun bereits mehrere Bundesländer Weisungen erlassen, um die Abschiebung von Personen, die von den Aufenthaltsrechten profitieren könnten, zu verhindern.

Die Weisungen unterscheiden sich diesbezüglich nur im Wortlaut leicht voneinander. In der Weisung des thüringischen Migrationsministeriums werden die Ausländerbehörden gebeten, Personen, die von den zukünftigen Regelungen profitieren könnten, nicht abzuschieben (M30644). Ähnlich ist auch die Weisung des niedersächsischen Innenministeriums gefasst, die explizit um die Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG bittet (M30610). Dabei sollen sich Voraussetzungen für die Ermessensduldung an den Voraussetzungen der bisher geltenden gesetzlichen Bleiberechtsregelungen mit verkürzten Aufenthaltszeiten (3, 4 und 6 Jahre) und der avisierten neuen Altersgrenze des § 25a AufenthG (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) sowie den im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierungsparteien vereinbarten Voraussetzungen für ein "Chancen-Aufenthaltsrecht" orientieren.

Demgegenüber weisen sowohl das schleswig-holsteinische Innenministerium (M30359) als auch das rheinland-pfälzische Integrationsministerium (M30370) darauf hin, dass keine fachaufsichtlichen Einwände geltend gemacht würden, wenn Aufenthaltsbeendigungen bei Personen, die zukünftig eine Aufenthaltserlaubnis nach dem neuen Koalitionsvertrag erhalten könnten, zunächst nicht priorisiert werden.

Die vier oben genannten Weisungen beziehen sich explizit sowohl auf das Chancen-Aufenthaltsrecht als auch die Änderungen in den § 25a und § 25b AufenthG. Lediglich die Weisung des Innensenats Bremen bezieht sich in ihrem Wortlaut nur auf das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht und regt die Zurückstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen an. Betroffenen sei eine Ermessensduldung zu erteilen (M30645). Personen mit Schutzstatus in einem "sicheren Drittstaat" werden überwiegend von den Vorgriffsregelungen ausgenommen.

Es wird davon ausgegangen, dass weitere Bundesländer ähnliche Regelungen erlassen werden.


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