Musterklage zur Erlangung des Flüchtlingsschutzes für Asylsuchende aus Syrien

Vor dem Hintergrund der Aussetzung des Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten stellt der Bundesverband der Diakonie das Muster einer Klage zur Verfügung, mit der Betroffene aus Syrien den Flüchtlingsstatus einklagen können. Die Diakonie weist dabei darauf hin, dass diese Klage nur nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls verwendet werden sollte.

Durch das sogenannte Asylpaket II wird der Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutzstatus bis zum 16. März 2018 ausgesetzt. Insbesondere Kriegsflüchtlinge aus Syrien sind von dieser umstrittenen Regelung betroffen, denn gleichzeitig mit ihrer Einführung ging das BAMF in vielen Fällen dazu über, syrische Asylsuchende nicht mehr als Flüchtlinge anzuerkennen, sondern ihnen nur noch subsidiären Schutz zu gewähren (vgl. Pressemitteilung von Pro Asyl vom 14.7.2016). Dies führt aktuell zu einem erheblichen Anstieg des Beratungsbedarfs. Die Familienangehörigen von hier als schutzberechtigt anerkannten Personen aus Syrien leben häufig unter prekären Bedingungen in Syrien oder seinen Nachbarländern. Aufgrund der Aussetzung des Familiennachzugs müssen die Betroffenen aber damit rechnen, dass sie noch mehrere Jahre von ihrer Kernfamilie getrennt leben müssen. Dies stellt für sie eine enorme Belastung dar, zumal davon auszugehen ist, dass nach dem März 2018 nicht mit einer zügigen Einreise der Angehörigen zu rechnen ist, sondern sich auch dann noch monate- oder jahrelange Verzögerungen ergeben können.

Die sogenannte Qualifikationsrichtlinie der EU sieht vor, dass der Status von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten angeglichen werden soll. Erst wenige Monate vor Inkrafttreten des sogenannten Asylpakets II war dies auch in Deutschland teilweise umgesetzt worden. Im Einklang mit den europäischen Vorgaben konnten auch subsidiär Schutzberechtigte die Familienzusammenführung unter erleichterten Bedingungen durchführen. Nun gilt dies bis 2018 nicht mehr. Auch in weiteren Aspekten bleibt die Rechtsstellung von subsidiär Schutzberechtigten entgegen europäischer Vorgaben hinter der von Flüchtlingen zurück. Beispielsweise erhalten sie zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für ein anstatt drei Jahre und können eine Niederlassungserlaubnis nicht schon nach drei Jahren und nur unter Erfüllung weiterer Voraussetzungen erhalten.

Wegen der sich akut häufenden Anfragen bei Beratungsstellen stellt der Bundesverband der Diakonie Betroffenen eine Klageschrift als Muster zur Verfügung, die von Rechtsanwältin Oda Jentsch erstellt wurde. Es handelt sich um eine Teilklage, denn die Zuerkennung des subsidiären Schutzes wird nicht angefochten, sondern nur die Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung. Die Klage zielt darauf ab, dass das angerufene Gericht das BAMF verpflichtet, über den schon erteilten subsidiären Schutz hinaus die Flüchtlingseigenschaft in Deutschland nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuzuerkennen, da eine individuelle Verfolgungsgefahr vorliegt.

Die Klage kann nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des BAMF Bescheides erhoben werden und ist innerhalb von einem Monat nach Zustellung zu begründen. Nach Möglichkeit sollte ein auf das Asylrecht spezialisierter Rechtsbeistand hinzugezogen werden. Da es in so kurzer Zeit aber nicht immer möglich ist, anwaltlichen Rat einzuholen, soll die Musterklage dazu dienen, die Klageeinreichung auch ohne anwaltliche Vertretung zu ermöglichen. Betroffene können die Klage selbst erheben, z.B. auch bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Verwaltungsgerichts. Beratende dürfen ihnen bei der Formulierung behilflich sein, sie aber nicht vor Gericht vertreten.

Bei Nutzung der Musterklage ist das persönliche Verfolgungsschicksal der Betroffenen umfassend in die Vorlage einzufügen. Die Klageschrift weist auch auf die in der Rechtsprechung vielfach vertretene Position hin, dass nach Syrien Zurückkehrende von politischer Verfolgung bedroht sind, da ihnen wegen ihrer Asylantragstellung im Ausland eine regimefeindliche Gesinnung unterstellt wird (vgl. zuletzt mit vielen weiteren Nachweisen VG Regensburg Urteil vom 06.07.2016, 11 K 16.30889, asyl.net: M24004). Aufgrund dieser Rechtsprechung war es bis zum Frühjahr 2016 auch gängige Praxis des BAMF, Asylsuchenden aus Syrien den Flüchtlingsstatus zuzusprechen. Dies änderte sich erst mit dem Inkrafttreten des Asylpakets II.

Aber auch über die vom Assad-Regime beherrschten Gebiete hinaus wird aufgrund der Risikoprofile des UNHCR (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, Stand November 2015) in der Klageschrift davon ausgegangen, dass sehr viele Schutzsuchende aus Syrien die Flüchtlingseigenschaft erfüllen.

Die Diakonie weist darauf hin, dass die Musterklage nur nach sorgfältiger Prüfung, möglichst mit Unterstützung von erfahrenen Beratenden verwendet werden sollte. Auch muss gewährleistet sein, dass die Klägerin oder der Kläger für das Gericht im Laufe des Prozesses gut erreichbar ist und zuverlässig Post empfängt.

AKTUALISIERUNG: Hinweise zum rechtlichen Status während des Klageverfahrens

Die Bundesregierung hat klargestellt, dass die Betroffenen während des Klageverfahrens einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen der Zuerkennung des subsidiären Schutzes haben. Dies ergibt sich aus ihrer Antwort (BT-Drs. 18/9423, S. 12) auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke). Laut Bundesregierung wird die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus mit der Bekanntgabe der Entscheidung bestandskräftig. Der sich daraus ergebende gesetzliche Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 AufenthG bewirke, dass die Ausnahme von der Titelerteilungssperre in § 10 Abs. 1 AufenthG greife. Aufgrund dieser Sperre darf Asylsuchenden grundsätzlich während des Asylverfahrens kein Aufenthaltstitel erteilt werden, außer sie haben einen gesetzlichen Anspruch darauf.

Bisher versagten Ausländerbehörden in einigen solcher Fälle die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung, wegen der Klage sei das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen und daher weiterhin nur eine Aufenthaltsgestattung zu erteilen. Dies hat vor allem zur Folge, dass Betroffene trotz anerkanntem Schutzstatus weiterhin eingeschränkte Sozialleistungen nach dem AsylbLG erhalten und eingeschränkten Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsförderung haben.

In einem häufig zur Begründung dieser Auffassung angeführten Urteil entschied das Bundesverwaltungsgericht am 17.12.2015 (1 C 31.14, asyl.net: M23517 (Asylmagazin 6/2016)), dass ein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, wenn gegen einen Teil des BAMF-Bescheides auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geklagt wird, und daher die sogenannte Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG greift. Demnach darf während der Dauer des Asylverfahrens nur bei gesetzlichem Anspruch ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Allerdings war in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Verfahren lediglich ein Abschiebungsverbot festgestellt worden und es ging darum, ob der Klägerin gem. § 25 Abs. 3 AufenthG ein Aufenthaltstitel erteilt werden „soll“. Im Gegensatz zu dieser Fallkonstellation haben subsidiär Schutzberechtigte aber (anders als bei dieser Soll-Regelung bei Abschiebungsverboten) einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 25 Absatz 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG („ist … zu erteilen“). Das Urteil ist also auf diese Fälle nicht übertragbar (so auch Pfersich (Vors.Ri VG Halle), ZAR 4/2016, S. 150 und Berlit (Vors.RiBVerwG), jurisPR-BVerwG 8/2016 Anm. 1).

AKTUALISIERUNG: Anspruch auf Sozialleistungen nach dem SGB

Inzwischen ist auch klar, dass Betroffene ab Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach dem SGB leistungsberechtigt sind und nicht während des Klageverfahrens noch unter das AsylbLG fallen. Dies ergibt sich aus einer den Flüchtlingsräten vorliegenden Email des rheinland-pfälzischen Sozialministeriums, welche auf eine Abstimmung zwischen dem Bundessozialministerium und de Bundesinnenministerium Bezug nimmt. Die Leistungsberechtigung nach dem SGB tritt ab dem Ablauf des Monats ein in dem der BAMF-Bescheid der betroffenen Person zugegangen ist. Die Leistungsberechtigung im AsylbLG entfällt. Eine gegenteilige Behördenpraxis ist mithin rechtswidrig.


Hinweis

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