BlueSky

VGH Baden-Württemberg

Merkliste
Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.11.2024 - 11 S 1747/24 - asyl.net: M32860
https://www.asyl.net/rsdb/m32860
Leitsatz:

Ausschluss der Beschwerde auch bei sogenannter Verfahrensduldung:

Wendet sich ein Ausländer nach erfolglosem Asylverfahren mit seinem Eilrechtsschutzbegehren gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen zum Vollzug einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG und bleibt er mit diesem Begehren beim Verwaltungsgericht ohne Erfolg, ist ihm die Einlegung einer ansonsten nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO statthaften Beschwerde gemäß § 80 AsylG verwehrt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Ausländer der Sache nach eine sogenannte Verfahrensduldung begehrt, die der Sicherung seines Verbleibs im Bundesgebiet für die Dauer eines laufenden Titelerteilungsverfahrens dient (anderer Ansicht VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 05.07.2024 - 12 S 821/24 - juris Rn. 16).

(Amtliche Leitsätze; siehe genauso: VGH Bayern, Beschluss vom 15.10.2024 – 10 CE 24.1526, 10 C 24.1527 – asyl.net: M32830 und OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29.10.2024 – 13 ME 201/24 – asyl.net: M32831)

Schlagwörter: Verfahrensduldung, Duldung, Beschwerdeausschluss, Streitigkeit nach dem Asylverfahrensrecht, Rückführungsverbesserungsgesetz
Normen: AsylG § 80, VwGO § 146 Abs. 1 und 4
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Der Antragsteller, ein irakischer Staatsangehöriger, wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe. Mit diesem Beschluss hat das Verwaltungsgericht einen Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Dieser Eilrechtsschutzantrag zielt - sachdienlich ausgelegt (entsprechend § 88 VwGO) - auf die Aussetzung einer dem Antragsteller drohenden Abschiebung für die Dauer eines laufenden Titelerteilungsverfahrens. Grundlage der vorgesehenen Abschiebung ist eine vollziehbare Rückkehrentscheidung, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom 31.01.2019 in Gestalt einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG gegen den Antragsteller getroffen hat.

Gegen den angegriffenen Beschluss ist die Beschwerde nicht eröffnet. Sie ist vielmehr gemäß § 80 AsylG in seiner seit dem 27.02.2024 geltenden Fassung gesetzlich ausgeschlossen [...]. Begehrt ein Ausländer, der auf der Grundlage einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG vollziehbar ausreisepflichtig ist, die Aussetzung seiner Abschiebung (Duldung) nach Maßgabe von Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes, handelt es sich weder um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz noch wird eine solche Streitigkeit in einem bloßen Nebenverfahren zu Verfahren nach dem Asylgesetz geführt [...]. Hieran hat auch § 80 AsylG in der Fassung des Art. 2 Nr. 14 des Rückführungsverbesserungsgesetzes nichts geändert. Mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber nur die Entscheidung getroffen, den bislang allein auf Streitigkeiten nach dem Asylgesetz bezogenen Beschwerdeausschluss in § 80 AsylG nun auch auf bestimmte aufenthaltsrechtliche Streitigkeiten zu erstrecken, auf die das Asylgesetz ansonsten keine Anwendung findet. Dies gilt für aufenthaltsrechtliche Streitigkeiten über Maßnahmen zum Vollzug einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG sowie über Maßnahmen zum Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG. [...]

Die Einlegung einer ansonsten nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO statthaften Beschwerde ist ihm daher gemäß § 80 AsylG verwehrt. Dies gilt - ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung - auch für den Fall, dass der Antragsteller der Sache nach eine sogenannte Verfahrensduldung begehrt, die der Sicherung seines Verbleibs im Bundesgebiet für die Dauer eines laufenden Titelerteilungsverfahrens dient [...]. Der Senat schließt sich aus Gründen der Rechtsanwendungseinheit und der Rechtsmittelklarheit dieser in der obergerichtlichen Rechtsprechung inzwischen weit überwiegend vertretenen Auslegung des § 80 AsylG an [...].

Diese Auslegung von § 80 AsylG steht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Einklang. Denn die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes vermittelt keinen Anspruch auf Schaffung oder Erhalt eines Instanzenzugs [...]. Es bestehen auch keine unionsrechtlichen Bedenken. Die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte wird mit dem Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit in den oben angesprochenen Fällen nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. [...]