Ausschluss der Beschwerde auch bei sogenannter Verfahrensduldung:
"Die Beschwerde nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO ist gemäß § 80 AsylG n.F. ausgeschlossen, wenn sich der Antragsteller mit seinem Eilrechtsschutzbegehren unter Berufung auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen zum Vollzug einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG wendet (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung, vgl. B.v. 19.3.2024 – 10 CE 24.374 – NVwZ 2024, S. 1102). Dies gilt auch für eine beanspruchte Verfahrensduldung zur Sicherung des Verbleibs im Bundesgebiet für die Dauer eines laufenden Titelerteilungsverfahrens."
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Mit den Beschwerden verfolgt der Antragsteller, ein kosovarischer Staatsangehöriger, seinen vor dem Verwaltungsgericht erfolglosen Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm eine Duldung zu erteilen (10 CE 24.1526), sowie seinen Prozesskostenhilfeantrag (10 C 24.1527) weiter.
Am 1. Juli 2024 stellte der Antragsteller einen Antrag gemäß § 123 VwGO. Er beantragte, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn vorläufig und bis zur Bestandskraft der Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht abzuschieben und ihm eine Duldung bzw. eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen. [...]
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2024 wies der Senat die Beteiligten darauf hin, er erwäge, an der in seinem Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 geäußerten Rechtsauffassung betreffend den Beschwerdeausschluss gemäß § 80 AsylG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 54) nicht mehr festzuhalten.
Der Antragsteller trägt hierzu im Wesentlichen vor, im Beschwerdeverfahren begehre er nicht mehr Schutz vor Abschiebung, sondern lediglich die Erteilung einer Duldung, die als solche vom Beschwerdeausschluss gemäß § 80 AsylG nicht erfasst werde. Eine drohende Abschiebung stehe vorliegend derzeit nicht im Raum. [...]
1. Die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nach § 123 VwGO (Verfahren 10 CE 24.1526) ist bereits unzulässig.
Die Beschwerde ist nach § 80 AsylG in der Fassung des am 27. Februar 2024 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung [...] – im Folgenden: § 80 AsylG n.F. – nicht statthaft. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach § 80 AsylG n.F. in der vorliegenden Konstellation nicht greift, nicht mehr fest.
a) In seinem Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 – NVwZ 2024, S. 1102 – Leitsatz und Rn. 2 ff. – hat der Senat festgestellt, eine Beschwerde nach § 146 Abs. 1 VwGO in Eilverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO, die darauf gerichtet seien, eine Abschiebung in Vollzug einer auf Grundlage von § 34 und § 34a AsylG erlassenen Abschiebungsandrohung bzw. Abschiebungsanordnung vorläufig auszusetzen bzw. zu unterlassen, sei trotz § 80 AsylG n.F. weiterhin statthaft; ein solcher Rechtsmittelausschluss ergebe sich unter Anwendung der anerkannten Auslegungsregeln (Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und objektivem Zweck) nicht mit der verfassungsrechtlich erforderlichen Klarheit aus dem Gesetz. Insbesondere hat es der Senat als nicht eindeutig angesehen, welche "Maßnahmen" zur Durchsetzung der Abschiebungsandrohung und hierauf bezogene Rechtsbehelfe unter den Beschwerdeausschluss fallen sollen; dies betrifft insbesondere auch die Frage, ob sich der Ausschluss auch auf Anträge gemäß § 123 VwGO erstreckt, die letztlich auf ein behördliches Unterlassen abzielen, wie im Falle geltend gemachter Ansprüche auf Aussetzung einer Abschiebung [...].
b) Durch die mittlerweile weitgehend einheitliche Auslegung des § 80 AsylG n.F. in der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung wurde der Anwendungsbereich der Vorschrift konkretisiert. [...]
Der Anwendungsbereich des § 80 AsylG n.F. ist durch die zwischenzeitlich ergangene obergerichtliche Rechtsprechung im vorgenannten Sinn hinreichend konkretisiert worden. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen, wenn sich der betreffende Antragsteller mit seinem Eilrechtsschutzbegehren unter Berufung auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen zum Vollzug einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG wendet. Nach ganz überwiegender Ansicht soll dies auch dann gelten, wenn der Antragsteller der Sache nach eine sogenannte Verfahrensduldung begehrt, die der Sicherung seines Verbleibs im Bundesgebiet für die Dauer eines laufenden Titelerteilungsverfahrens dient [...]. Im Hinblick auf die damit erreichte Konkretisierung des Anwendungsbereichs von § 80 AsylG n.F. und im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung schließt sich der Senat dieser Rechtsprechung an
Dem Einwand des Antragstellers, ein geltend gemachter Duldungsanspruch sei nicht vom Beschwerdeausschluss erfasst, wenn eine Abschiebung nicht konkret drohe, ist nicht zu folgen. Dem Wortlaut des § 80 AsylG n.F. ist keine derartige Einschränkung zu entnehmen. Eine Duldung bedeutet definitionsgemäß die Aussetzung einer Abschiebung (vgl. § 60a Abs. 2 AufenthG); ein mit dem Antrag gemäß § 123 VwGO verfolgtes Rechtsschutzziel der vorläufigen Erteilung einer Duldung richtet sich damit im Sinne von § 80 AsylG n.F. stets gegen eine Maßnahme zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG) oder der Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG). Die Beschwerde ist gleichermaßen hinsichtlich einer begehrten Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 4 AufenthG ausgeschlossen, die einen bloßen Annex zur Duldungserteilung darstellt. Inwieweit zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über einen Antrag gemäß § 123 VwGO eine Abschiebung bereits konkret absehbar ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. [...]