Eilrechtsschutz gegen Abschiebungsandrohung wegen Risikoschwangerschaft:
1. Wird ein Asylantrag wegen der Zuerkennung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier: Bulgarien) gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt, muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor Erlass einer Abschiebungsandrohung in diesen Mitgliedstaat das Kindeswohl, familiäre Bindungen und den Gesundheitszustand der betroffenen Person berücksichtigen. Denn bei der Abschiebungsandrohung handelt es sich um eine Rückkehrentscheidung gemäß Art. 6 Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG).
2. Liegt eine Risikoschwangerschaft und infolgedessen Reiseunfähigkeit vor, steht das dem Erlass einer Abschiebungsandrohung jedenfalls vorübergehend entgegen, sodass die aufschiebende Wirkung der Klage, hier aufgrund eines Antrags auf Abänderung der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 VwGO, anzuordnen ist. Das gilt auch für die Familienangehörigen der betroffenen Person, da andernfalls eine Art. 6 Abs. 1 GG widersprechende Familientrennung drohen würde.
(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: EuGH, Beschluss vom 15.02.2023 - C-484/22 BR Deutschland gg. GS - asyl.net: M31329)
[...]
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. [...]
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Antrag zulässig. Aus dem von den Antragstellern vorgelegten Attest der Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe … vom … 2024 ergibt sich, dass die Antragstellerin zu 2) aufgrund ihres Alters und der häufigen Schwangerschaften zur Risikogruppe zählt. [...]
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Es bestehen nunmehr fallbezogen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des im Bescheid vom 07.12.2023 unter Ziffer 3 enthaltenen Verwaltungsakts, mit welchem den Antragstellern für den Fall, dass sie die einwöchige Ausreisefrist nicht einhalten, die Abschiebung nach Bulgarien angedroht wird.
Die von dem Bundesamt auf der Grundlage des§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG bzw. § 59 AufenthG zu erlassende Abschiebungsandrohung stellt eine Rückkehrentscheidung i.S.d. Art. 3 Nr. 4, Art. 6 und Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 RL 2008/115/EG dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.2022 -1 C 6.21 - juris, Rn. 41, 45 und 56) [...] und das Bundesamt hat nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG vor deren Erlass das Kindeswohl, familiäre Bindungen und den Gesundheitszustand des betreffenden Drittstaatsangehörigen, die dieser geltend macht, um den Erlass einer solchen Entscheidung zu verhindern, zu berücksichtigen. Angesichts dessen begründet die schwangerschaftsbedingte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) jedenfalls ein vorübergehendes Abschiebungshindernis, das derzeit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung entgegensteht.
Die vorübergehende Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) steht derzeit auch einer Rückführung der Antragsteller zu 1), 3) bis 8) entgegen, da eine Trennung der Familieneinheit gemäß dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz der Ehe und Familie, der nunmehr auch in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG Niederschlag gefunden hat, unzulässig wäre. [...]