VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 10.07.2023 - A 6 K 601/22 - asyl.net: M31766
https://www.asyl.net/rsdb/m31766
Leitsatz:

Türkischer Staat gewährleistet Frauen nicht durchgehend wirksamen Schutz vor häuslicher Gewalt:

1. Ob der türkische Staat ausreichend Schutz für von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen gewährt, sodass Betroffene gemäß § 3d Abs. 1 AsylG durch den türkischen Staat wirksamen Schutz erhalten können, oder ob ihnen gemäß § 3c Nr. 3 AsylG ggf. nichtstaatliche Verfolgung droht, weil der türkische Staat nicht willens und in der Lage ist, ausreichend Schutz zu gewähren, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern ist eine Frage des Einzelfalls. Denn der türkische Staat ist zwar grundsätzlich willig, Schutz vor familiärer Verfolgung zu bieten. Insgesamt bleibt die praktische Umsetzung der gesetzlichen Regelungen aber lückenhaft, und die Zufluchtsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Frauen sind ungenügend.

2. Hinsichtlich der Klägerin, die die Schule bis zur siebten Klasse besucht hat, derzeit eine Ausbildung absolviert, in Istanbul lebte, von der Existenz von Frauenhäusern wusste und mittlerweile geschieden ist, ist anzunehmen, dass sie in der Lage wäre, wirksamen Schutz durch den türkischen Staat zu erlangen. Hierfür spricht auch, dass sie in Deutschland mithilfe staatlicher Institutionen Schutz und Sicherheit vor ihrem Ex-Mann erlangen könnte.

3. Türkischen Staatsangehörigen droht bei einer Rückkehr in die Türkei trotz der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation und der starken Inflation nur in absoluten Ausnahmefällen Verelendung, sodass gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ein Abschiebungsverbot festzustellen wäre. Das gilt in der Regel auch für alleinstehende und alleinerziehende Frauen.

4. Im Einzelfall der alleinerziehenden Mutter zweier Kinder, wovon eines noch ein Kleinkind ist, ist u.a. aufgrund des Mangels an verfügbarer Kinderbetreuung nicht davon auszugehen, dass sie in der Lage sein wird, eine Existenzgrundlage für sich und ihre Kinder durch eine Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften. Als kurdische geschiedene Frau wäre sie weiterer Diskriminierung bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche sowie bei der Beantragung von Sozialleistungen ausgesetzt, sodass auch deshalb nicht davon auszugehen ist, dass sie eine Existenzgrundlage erlangen könnte. Überdies kann nicht mit Unterstützung durch ihre Familie gerechnet werden.

(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Hamburg, Urteil vom 02.03.2023 - 1 A 3289/21 - asyl.net: M31419; VG Oldenburg, Urteil vom 10.11.2021 - 5 A 4802/17 - asyl.net: M31412)

Siehe auch:

  • Justus Linz: Rechtsprechungsübersicht - Asylrecht Türkei, Asylmagazin 05/2023, S. 141
Schlagwörter: Türkei, Frauen, Schutzbereitschaft, Schutzfähigkeit, Existenzgrundlage, häusliche Gewalt, geschlechtsspezifische Verfolgung, Frauenhaus, nichtstaatliche Verfolgung, Abschiebungsverbot, Existenzgrundlage, Kurden,
Normen: AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 3c Nr. 3, AsylG § 3d Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 60 Abs. 5, GR-Charta Art. 4, EMRK Art. 3
Auszüge:

[...]

32 Nach diesen Maßstäben haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

33 a) Das Gericht geht zunächst nicht davon aus, dass den Klägern schon wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit landesweite Verfolgung in der Türkei droht und sie deshalb bereits aus diesem Grund Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben. Die allgemeine Lage in der Türkei rechtfertigt nicht die Annahme, Kurden - wie die Kläger - im Allgemeinen oder Untergruppen hiervon seien dort gegenwärtig allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional einer staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt. [...]

34 b) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus individuellen Gründen. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der türkische Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, den Klägern im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor einer (etwaigen) Verfolgung durch den Ex-Mann der Klägerin Ziff. 1 (Vater der Kläger Ziff. 2 und 3) und dessen Familie zu bieten.

35 [...] Der Einzelrichter ist daher überzeugt, dass die Kläger bereits in der Türkei wie auch später in der Ukraine und in Deutschland massiven physischen und psychischen Übergriffen durch den Ex-Mann der Klägerin Ziff. 1 ausgesetzt waren. Ebenso werden die geschilderten Drohungen und Übergriffe durch die Familie des Ex-Mannes in der Türkei als glaubhaft angesehen. Die Klägerin Ziff. 1 hat sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung überdurchschnittlich ausführliche Angaben gemacht, ohne sich dabei in erhebliche Widersprüche oder Unstimmigkeiten zu verstricken. Die Klägerin Ziff. 1 hat alle Nachfragen des Gerichts, auch solche, die bewusst sprunghaft gestellt wurden, detailliert, inhaltlich überzeugend und in sich konsistent beantwortet. Die Aussage der Klägerin Ziff. 1 enthält dabei eine hinreichende Anzahl an Glaubhaftigkeitsmerkmalen. So hat sie nicht nur ungewöhnliche Details, sondern auch eigenpsychische Vorgänge geschildert. Sie hat konkrete Gesprächssequenzen mit ihrem Ex-Mann erstaunlich detailliert und wortgetreu wiedergegeben und unaufgefordert geschildert, wie sie sich dabei und anschließend gefühlt habe und was sie als nächstes getan habe. Dabei hat sie auch immer wieder Einzelheiten wie z.B., dass sie zunächst ihre Kinder ins Bett gebracht habe, geschildert, die für das Kerngeschehen eher unwichtig sind. Zudem hat die Klägerin Ziff. 1 selbst zugegeben, sehr schlecht mit Daten umgehen zu können und einige Erinnerungslücken zu haben. Den Handlungsverlauf hat sie mit natürlicher Sprunghaftigkeit dargestellt und dabei entstehende Lücken nach entsprechenden Nachfragen des Gerichts stets widerspruchsfrei ergänzt. [...] Nicht zuletzt hat die Klägerin Ziff. 1 sehr lebhaft und nachvollziehbar beschrieben, wie sie die körperlichen und psychischen Misshandlungen lange zum Schutz ihrer Kinder stoisch ertragen habe, dann aber erstmalig ausgerastet sei als ihr Ex-Mann sie aufgefordert habe, Geld von ihrer Familie einzutreiben [...].

36 Vorliegend kann offenbleiben, ob die geschilderten und als Verfolgung einzustufenden Handlungen (§ 3a Abs. 1 und 2 AsylG) überhaupt an ein in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgrund anknüpfen (§ 3a Abs. 3 AsylG). [...] Ebenso kann hier offengelassen werden, ob der Ex-Mann der Klägerin Ziff. 1, der nach ihren Aussagen mittlerweile in die Türkei abgeschoben worden sei, sowie dessen in Istanbul lebende Familie die Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei (Istanbul) immer noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgen würden. Denn ein Anspruch der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet bereits aufgrund des Fehlens eines in § 3c AsylG genannten Akteurs aus.

37 [...] Zwar kann eine flüchtlingsrelevante Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen und somit auch von dem Ex-Mann der Klägerin Ziff. 1 bzw. dessen Familie. Dies gilt nach § 3c Nr. 3 AsylG aber nur, sofern insbesondere der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Davon kann unter Berücksichtigung der aktuellen Herkunftslandinformationen im hier zu entscheidenden Einzelfall der Kläger allerdings nicht ausgegangen werden. 38 Nach § 3d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG kann Schutz vor Verfolgung unter anderem vom Staat geboten werden, sofern er willens und in der Lage ist, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten. [...]

58 Aus diesen Berichten und den weiteren Herkunftslandinformationen [...] ergibt sich für den Einzelrichter das Bild, dass der türkische Staat zwar grundsätzlich willig ist, Schutz vor familiärer Verfolgung zu bieten. Er hat hierzu eine Reihe von Maßnahmen ergriffen und in den letzten Jahren weiter ausgebaut. Frauen und Männer sind vor dem Gesetz weitgehend gleichgestellt. Die Gesetzesvorschriften, die Blutrache- und Ehrenmordtaten betreffen, sind verschärft worden. Es gibt Frauenhäuser und Telefon-Hotlines für Betroffene. Grundsätzlich bestehen wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Gewalttaten gegen Frauen. Es besteht auch die Möglichkeit von verschiedenen Schutz- und Unterstützungsleistungen. Auch können sowohl bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und bei den Gerichten Schutzmaßnahmen beantragt werden. Insgesamt bleibt jedoch die praktische Umsetzung der gesetzlichen Regelungen lückenhaft und die Zufluchtsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Frauen - etwa in staatlichen Frauenhäusern - ungenügend. Die Gewalt gegen Frauen in der Türkei bleibt daher nach wie vor ein ernstes und weit verbreitetes Problem sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten. So wird immer wieder beschrieben, dass ein Versagen des staatlichen Systems beim Schutz der Opfer vorkomme, Gerichte nur milde Strafen bei Gewalt gegen Frauen verhängen würden, bei Verbrechen im Namen der "Ehre" die Haftstrafe oft reduziert werde, die Praxis der Gerichte zu hoher Wiederholungs- und Eskalationsgefahr führe, die Polizei häufig nicht adäquat reagiere, betroffene Frauen von Anzeigen abhalte oder diese nicht aufnehme und sie zurück zu ihren Männern schicke. Auch werden systematische Versäumnisse bei der Risikoeinschätzung durch die Polizei, unzureichende Reaktionen der Strafverfolgungsbehörden, Zurückhaltung bei der Verfügung oder der Verlängerung von Schutzmaßnahmen sowie deren ineffiziente Umsetzung beschrieben. Auch gibt es Beispiele von Morden an Frauen trotz erfolgter Schutzmaßnahmen. Die Hilfsangebote für Frauen, die Gewalt überlebt haben, sei nach wie vor sehr begrenzt, und die Zahl der Zentren, die solche Dienste anbieten, weiterhin unzureichend. Zwar könnten Frauenhäuser den Frauen in der Regel während des Aufenthalts ausreichend Schutz bieten. Die Anzahl und Kapazität der Frauenhäuser in der Türkei könne aber den Bedarf nicht decken, da unter anderem kaum eine Gemeinde der gesetzlichen Verpflichtung nachkomme, Schutzbedürftigen ein Frauenhaus zu bieten. Die meisten von der Regierung betriebenen Frauenhäuser gelten zudem als überfüllt und bieten nur eine Grundversorgung, ohne professionelle Beratung oder psychologische Betreuung. Die Lebensbedingungen in den meisten dieser Frauenhäuser soll dabei jenen in Gefängnissen ähneln und die Wartezeiten für die Aufnahme teilweise so lang sein, dass Frauen, die dringend Hilfe und Beratung benötigen, diese oft nicht zeitnah erhielten. Auch hätten Frauen immer wieder mit Einschränkungen beim Zugang zu Frauenhäusern zu kämpfen [...].

59 Nach alldem kann weder generell festgestellt werden, dass der türkische Staat in keinem Fall ausreichenden Schutz für betroffene Frauen gewährt, noch, dass er in jedem Fall ausreichenden Schutz für betroffene Frauen gewährt. Die Frage, ob der beschriebene Schutz des türkischen Staats für Frauen vor Verfolgung hinreichend wirksam ist, die Frauen also effektiv vor möglichen Misshandlungen geschützt werden und auch Zugang zu diesem Schutz haben, lässt sich nach der derzeitigen Erkenntnismittellage daher nicht pauschal beantworten. Vielmehr hängt die Beantwortung der Frage von einer Würdigung aller konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ab [...].

60 Vorliegend ist die Klägerin Ziff. 1 immerhin bis zur 7. Klasse in die Schule gegangen und absolviert derzeit in Deutschland eine Ausbildung zur Pflegehelferin. Aufgrund ihres Bildungsgrads und des Eindrucks, den sie in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, ist anzunehmen, dass sie grundsätzlich dazu in der Lage wäre, die staatlichen Institutionen in der Türkei aufzusuchen und um Hilfe für sich und ihre Kinder zu bitten. In ihren Anhörungen hat sie zudem angegeben, ihr sei die Existenz von Frauenhäusern bekannt. Auch sei ihr die Möglichkeit bewusst, zur Polizei gehen zu können. Trotzdem hat die Klägerin Ziff. 1 mit ihren Kindern zu keinem Zeitpunkt die Polizei oder die Frauenhäuser aufgesucht und um Hilfe gebeten. Ihre Erklärungen, dass sowohl die Polizei als auch die Frauenhäuser in der Türkei nicht wirksam helfen würden, sind angesichts der beschriebenen Herkunftslandinformationen zwar nicht unverständlich, in dieser Allgemeinheit aber - wie dargestellt - unzutreffend. Gerade in ihrem Herkunftsort Istanbul ist die Situation für die kurdische Klägerin Ziff. 1 erheblich besser als in anderen ländlichen Gebieten insbesondere der Osttürkei. Auch ist die Klägerin Ziff. 1 - nach ihrer Aussage - mittlerweile geschieden, so dass die Situation bei einer - hypothetischen - Rückkehr nochmal anders zu bewerten ist als die Situation vor der Ausreise der Kläger, da die Klägerin Ziff. 1 zum damaligen Zeitpunkt mit dem (potentiellen) Verfolger noch verheiratet war. So stellen sich die Möglichkeiten, Schutz vom türkischen Staat zu erhalten, nach den Herkunftslandinformationen für geschiedene Frauen jedenfalls zu einem gewissen Grad besser als für verheiratete Frauen dar. [...]  Auch in Deutschland schafften es die Kläger mit Hilfe der staatlichen Institutionen (u.a. Jugendamt, Familiengericht und Polizei), Schutz und Sicherheit vor ihrem Ex-Mann zu erhalten. Dass dies in der Türkei für die Kläger nicht möglich ist, hat die Klägerin Ziff. 1 letztlich nicht hinreichend dargelegt. Aus den Herkunftslandinformationen ist zudem -wie ausgeführt - nicht ersichtlich, dass der türkische Staat (geschiedenen) Frauen und ihren Kindern generell nie ausreichend wirksame Hilfe bieten kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die türkischen Behörden grundsätzlich schutzwillig und in vielen Fällen auch (wirksam) schutzfähig sind. Da die Kläger vor ihrer Ausreise aber nicht einmal versucht haben, den Schutz des türkischen Staates in Anspruch zu nehmen, kann zur Überzeugung des Einzelrichters nach den dargestellten Herkunftslandinformationen im vorliegenden Einzelfall nicht festgestellt werden, dass der türkische Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, den Klägern im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. [...]

62 2. Die Kläger haben aber Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. [...]

72 Unter Anwendung des dargestellten Maßstabs und des sich auch aus den anderen Herkunftslandinformationen ergebenden aktuellen Lagebilds geht der Einzelrichter davon aus, dass türkischen Staatsbürgern in der Türkei trotz der aktuell angespannten wirtschaftlichen Situation, die insbesondere von einer starken Inflation geprägt ist, nur in absoluten Ausnahmefällen eine Verelendung droht [...]. Dies gilt in der Regel auch für alleinstehende und alleinerziehende Frauen. Im Fall der Kläger liegt ein solcher Ausnahmefall aber vor. In Anbetracht sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalls hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass den Klägern bei einer gemeinsamen Rückkehr als Kernfamilie in die Türkei (Istanbul) eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht und die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG geboten ist, da sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine Situation extremer materieller Not geraten würden.

73 Bei der Klägerin Ziff. 1 ist zunächst zu berücksichtigen, dass sie als alleinerziehende Mutter für sich und ihre zwei Kinder zu sorgen hätte. Von Unterhaltszahlungen des gewalttätigen und trunksüchtigen Ex-Mannes kann zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung jedenfalls nicht ausgegangen werden. Da sich die Kläger Ziff. 2 und 3 aber noch in einem betreuungsbedürftigen Alter befinden, wäre die Arbeitsaufnahme für die Klägerin Ziff. 1 mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, zumal - nach den Herkunftslandinformationen - Kinder in der Türkei in der Regel von den Müttern betreut werden und es keine ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten gibt. [...]

74 Bei der Klägerin Ziff. 1 kommt aber maßgeblich hinzu, dass sie nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln bei einer Rückkehr als kurdische geschiedene Frau, die von männlicher Gewalt bedroht ist bzw. war, kaum zu überwindenden Hindernissen bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche ausgesetzt sein würde. [...]

75 Mit einer Unterstützung der Kläger durch ihre erweitere Familie kann zudem nicht gerechnet werden. [...]

76 Des Weiteren ist jedenfalls im vorliegenden Einzelfall der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ihr existenzieller Lebensunterhalt durch staatliche Hilfe gesichert wäre. Zwar werden in der Türkei Sozialleistungen für Bedürftige auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität und Nr. 5263 (Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Soziale Hilfe und Solidarität) gewährt, so dass teilweise von einer Grundsicherung durch den Staat ausgegangen werden kann. Dies gilt aber nicht für die kurdischen Kläger. So werden nach den Herkunftslandinformationen Menschen kurdischer Ethnie und insbesondere alleinstehende Frauen bei der Auswahl der Sozialhilfebeziehenden regelmäßig negativ diskriminiert. [...]