VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 30.09.2022 - M 12 S 22.4539 - asyl.net: M30986
https://www.asyl.net/rsdb/m30986
Leitsatz:

Rundschreiben des BMI bedeutet Schutzausdehnung gemäß Art. 2 Abs. 3 Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382:

1. Gemäß Art. 7 Abs. 1 RL 2001/55/EG (Richtlinie zum vorübergehenden Schutz), Art. 2 Abs. 3 Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 wurde der Schutz für Geflüchtete aus der Ukraine durch das Rundschreiben des Bundesministerium des Inneren vom 14.03.22 ausgeweitet. Geschützt sind deshalb auch Personen, die bis zu 90 Tage vor dem 24.02.22 aus der Ukraine ausgereist sind und nicht zurückkehren können.

2. Eine besondere Form ist für die Schutzausdehnung nicht erforderlich, insbesondere muss diese nicht durch Gesetz erfolgen.

(Leitsätze der Redaktion; anderer Ansicht: VG Darmstadt, Beschluss vom 10.02.2023 - 5 L 89/23.DA - asyl.net: M31337)

Siehe auch:

Schlagwörter: Ukraine, vorübergehender Schutz, Schutzausdehnung, Rundschreiben,
Normen: AufenthG § 24 Abs. 1, Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 Art. 2 Abs. 3, RL 2001/55/EG Art. 7 Abs. 1
Auszüge:

[...]

21 Die Klage der Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg.

22 Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist § 24 Abs. 1 AufenthG i.V.m. dem Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Art. 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (im Folgenden: Durchführungsbeschluss) i.V.m. der Weisung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 14. März 2022 mit Ergänzung vom 14. April 2022 (Hailbronner, lnfo-Broschüre Ukraine-Flüchtlinge, § 24 AufenthG Rn. 13). [...]

26 Die Antragstellerin fällt zwar nicht unter den Kreis der Berechtigten nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Durchführungsbeschlusses, da sie sich am 24. Februar 2022 in der Europäischen Union aufgehalten hat und somit nicht am oder nach dem 24. Februar 2022 infolge der militärischen Invasion aus der Ukraine vertrieben wurde.

27 Ob die Antragstellerin als Familienangehörige die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Abs. 4 Buchst. c des Durchführungsbeschlusses erfüllt, nachdem wohl ihre Mutter und ihr Bruder unter Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Durchführungsbeschlusses fallen, kann dahinstehen.

28 Denn in Deutschland wird nach Weisung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 14. März 2022 mit Ergänzung vom 14. April 2022 von der Option des Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses i.V.m. Art. 7 der Richtlinie 2001/55/EG Gebrauch gemacht, den Beschluss auch auf andere Personen anwenden zu können. Eine über die gesetzlich vorgeschriebene Aufnahme von Flüchtlingen hinausgehende humanitäre Schutzgewährung i.R.d. europäischen Flüchtlingspolitik liegt grds. im Kompetenzbereich der Bundesregierung (Hailbronner, Info-Broschüre Ukraine-Flüchtlinge, § 24 AufenthG Rn. 13). Einer gesetzlichen Regelung bedarf es hierfür nicht (zur Anordnung durch Verwaltungsvorschrift oder Verwaltungsanweisungen vgl. auch Zimmerer in BeckOK MigrR, Stand: 15.7.2022, zu § 53 Rn. 1). Ob die Bundesrepublik den Rat und die Kommission hierüber in Kenntnis gesetzt hat, ist für die Ausdehnung des vorübergehenden Schutzes auf nationaler Ebene nicht konstitutiv.

29 Nach Nr. 5 Satz 2 der Weisung des BMI vom 14. März 2022 wird - entsprechend der ausdrücklichen Empfehlung in Erwägungsgrund 14 des Durchführungsbeschlusses - der vorübergehende Schutz auf Personen ausgedehnt, die nicht lange vor dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine geflohen sind oder die sich kurz vor diesem Zeitpunkt (z.B. im Urlaub oder zur Arbeit) im Gebiet der EU befunden haben und die infolge des bewaffneten Konflikts nicht in die Ukraine zurückkehren können. Als Zeitraum, der nicht lange vor dem 24. Februar 2022 liegt, soll nach Weisung des BMI vom 14. April 2022 ein Zeitraum von höchstens bis zu 90 Tage angenommen werden. [...]

30 Die Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen. [...]