Anwendungsbereichs des § 25b AufenthG nicht auf Personen beschränkt, die ausschließlich oder überwiegend geduldet waren:
"1. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG setzt nicht voraus, dass der Zeitraum des Mindestaufenthalts allein oder auch nur überwiegend im Status der Duldung zurückgelegt wurde. Bei dem regelmäßig erforderlichen geduldeten, gestatteten oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckten Voraufenthalt von mindestens acht bzw. sechs Jahren sind alle ununterbrochenen Aufenthaltszeiten des Ausländers zu berücksichtigen, die von einem aufenthaltsregelnden Verwaltungsakt gedeckt waren oder in denen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich war.
2. Für die Annahme, dass frühere Inhaber eines Aufenthaltstitels, die eine ihnen bereits aufgrund anderer Vorschriften offenstehende Lebensperspektive in Deutschland nicht genutzt haben, nicht vom Anwendungsbereich des § 25b AufenthG umfasst seien, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt."
(Amtliche Leitsätze; unter Bezug auf: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 - asyl.net: M26331; anderer Ansicht: Bundesministerium des Innern, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 27.07.2015 - asyl.net: M26754)
[...]
4 Die Antragsgegnerin stützt ihr Beschwerdevorbringen auf die Annahme, die Antragstellerin zu 1. gehöre nicht zu dem Personenkreis der von § 25b AufenthG Begünstigten. Unter Verweis auf die Allgemeinen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur Einführung des § 25b AufenthG führt sie aus, es genüge zwar nach dem Wortlaut des § 25b AufenthG, wenn der jeweilige Antragsteller - wie hier die Antragstellerin zu 1. - die geforderte Mindestaufenthaltszeit (von acht bzw. sechs Jahren) überwiegend als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis verbracht habe. Eine Titelerteilung in diesen Fällen entspreche aber nicht Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Norm. Es sei vielmehr beabsichtigt, jene Ausländer profitieren zu lassen, die langfristig geduldet waren und denen nunmehr eine Bleibeperspektive eröffnet werden solle. Der Antragstellerin zu 1. habe jedoch nach Abschluss ihres Studiums, währenddessen sie eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 AufenthG a.F. innehatte, eine Lebensperspektive in Deutschland bereits offengestanden. [...]
5 Dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
6 Es kann dahinstehen, ob der Bundesgesetzgeber bei Einführung des § 25b AufenthG vorrangig den Personenkreis der langfristig (nur) Geduldeten im Blick hatte. Eine mögliche Beschränkung auf diesen Personenkreis hat jedenfalls keinen Niederschlag im Wortlaut des Gesetzes - der die äußerste Grenze jeder Auslegung bildet - gefunden. Diesem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass Personen, die wie die Antragstellerin zu 1. langjährig im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen zu Studienzwecken in Deutschland waren, nicht von dem Anwendungsbereich des § 25b AufenthG erfasst werden sollen. § 25b Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangt lediglich, dass der Aufenthalt in der Vergangenheit ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet war. [...]
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, ist geklärt, dass die Vorschrift die drei Status gleichwertig ("oder") nebeneinander stellt und keinen Raum dafür bietet, einen Mindestaufenthalt im Duldungsstatus zu verlangen (BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 - juris Rdnr. 36f. und Beschluss vom 28. 03.2022 - 1 B 35/22 -, juris Rdnr. 8; ebenso bereits VGH Mannheim, Urteil vom 18.05.2018 - 11 S 1810/16 -, juris Rdnr. 74). Mit Duldung, Erlaubnis und Aufenthaltsgestattung genügt prinzipiell jeder aufenthaltsrechtliche Status. Der Ausländer kann in der Vergangenheit auch in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken gewesen sein [...].
8 Auch die Erwägung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin zu 1. habe nach Abschluss ihres Studiums, währenddessen sie eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 AufenthG a.F. innehatte, eine Lebensperspektive in Deutschland bereits offengestanden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Annahme, das Gesetz wolle eine "zweite Chance" für Antragsteller, die eine solche erste Perspektive schon gehabt und - womöglich schuldhaft - vergeben hätten, nicht gewähren, findet im Gesetz keine Stütze (VGH Mannheim, Urteil vom 18.05.2018 a.a.O., Rdnr. 76ff., u.a. unter Verweis auf die Gesetzgebungsmaterialien). [...]