Eltern- aber kein Geschwisternachzug zu inzwischen volljährigem anerkannten Flüchtling:
1. Nachzugsanspruch der Mutter, jedoch nicht der Geschwister zu einem während des Nachzugsverfahrens volljährig gewordenen anerkannten Flüchtling aus Syrien.
2. Die Entscheidung des EuGH vom 12.04.2018 (C-550/16 A. und S. gg. Niederlande - asyl.net: M26143), wonach eine als Flüchtling anerkannte Person auch nach Eintritt der Volljährigkeit ihr Recht auf Familiennachzug behält, ist für alle Mitgliedstaaten verbindlich und daher auch in Deutschland anwendbar.
3. Es ist unerheblich, ob die Volljährigkeit bereits im Asylverfahren oder erst im anschließenden Visumsverfahren zum Familiennachzug eingetreten ist. Der EuGH gibt vor, dass es für Betroffene beim Familiennachzug nicht von Nachteil sein darf, wenn sie während des Asylverfahrens volljährig geworden sind. Dies muss erst recht gelten, wenn die Volljährigkeit erst später im Nachzugsverfahren eintritt.
4. Den minderjährigen Geschwistern kann kein Visum zur gemeinsamen Einreise mit der Mutter gewährt werden, da kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Dabei ist bei Berechnung des Wohnflächenbedarfs auch die Mutter zu berücksichtigen, obwohl ausreichender Wohnraum für ihren Nachzug als Elternteil nicht vorausgesetzt wird. Auf den Nachweis ausreichenden Wohnraums kann nicht verzichtet werden. Anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des EuGH, da diese sich nicht auf den Kindernachzug bezieht.
5. Zwar kommt es mangels ausreichenden Wohnraums nicht darauf an, doch auch die Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung ist für den Kindernachzug nicht erfüllt. Ein Ausnahmefall, in dem hiervon abgesehen werden kann, liegt nicht vor. Die Mutter kann mit den minderjährigen Kindern weiter in Syrien leben. Ihr in Deutschland lebender Sohn ist volljährig und nicht auf sie angewiesen. Der dennoch bestehende Nachzugsanspruch aufgrund der Rechtsprechung des EuGH ist nicht auf die Geschwister auszudehnen.
(Leitsätze der Redaktion; laut Medienberichten hat das Auswärtige Amt Sprungrevision eingelegt, daher ist eine Entscheidung des BVerwG zu erwarten; siehe auch VG Berlin, Urteil vom 30.01.2019 - 20 K 538.17 V - asyl.net: M27126)
Anmerkung:
[...]
Der Rechtsanspruch der Klägerin zu 1 auf Erteilung des Visums zum Zwecke de Familiennachzugs folgt aus § 6 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 AufenthG, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2018 (BGBl. I Seite 1147). [...
Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 36 Abs. 1 AufenthG des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 10 C 9.12 -, juris) wie regelmäßig bei der auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Verpflichtungsklage die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen. Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Anlass gesehen, für den Fall des Elternnachzugs gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG von dieser Regel abzuweichen. [...]
Diese höchstrichterliche nationale Rechtsprechung steht indes nicht in Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie. [...]
Der EuGH hat auf die Vorlage eines niederländischen Gerichts im Vorabentscheidungsverfahren mit Urteil vom 12. April 2018 (C-550/16, ECLI:EU:C:2018:248, juris) entschieden, dass Art. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags In diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als Minderjähriger im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.
Diese für alle Mitgliedstaaten bindende Auslegung des EuGH gebietet es, im Falle eines unbegleiteten Flüchtlings auch bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Minderjährigkeit in § 36 Abs. 1 AufenthG auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags abzustellen. [...]
Die Entscheidung des EuGH bietet indes keinen Anhaltspunkt dafür, dass darin die durch das niederländische Recht eröffnete Möglichkeit eines eigenständigen Aufenthaltsrechts der Flüchtlingseltern zur Grundlage der Beantwortung der Vorlagefrage genommen wurde. Im Gegenteil beschäftigt sich der EuGH allein und ausschließlich mit dem Recht auf Familienzusammenführung aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie, ohne die Folgefrage eines hiervon unabhängigen eigenständigen - nachfolgenden - Aufenthaltsrechts der Eltern auch nur anzusprechen, geschweige denn argumentativ zu verwerten. Der EuGH betont insbesondere, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Familienzusammenführung nach dieser Bestimmung zu gestatten, ohne dass die Mitgliedstaaten dabei über einen Wertungsspielraum verfügen (Rdn. 43). Hieraus sowie aus dem Fehlen jeden Verweises in der Richtlinie auf das nationale Recht und aus der Zielsetzung der Bestimmung folgert der EuGH, dass die Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu welchem ein Flüchtling minderjährig sein muss, um das genannte Recht der Familienzusammenführung in Anspruch nehmen zu können, nicht dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben kann (Rdn. 45). Damit wird unmissverständlich festgestellt, dass die Frage, auf welchen Zeitpunkt zur Beurteilung des Alters eines Flüchtlings im Rahmen von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie abzustellen ist, unionsrechtlich einheitlich für alle Mitgliedstaaten zu bestimmen ist. Die Entscheidung schließt damit die geschilderte Auffassung der Beklagten, es sei für die einzelnen Mitgliedstaaten je nach nationaler Rechtslage zu differenzieren, aus. Im Gegenteil würde die Rechtsansicht der Beklagten dazu führen, dass die jeweilige Entscheidung des Mitgliedstaats, ob den Flüchtlingseltern ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zugestanden wird, den Umfang des obligatorischen Nachzugsrecht aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie beeinflussen würde. Eine solche Uneinheitlichkeit der Rechtsgewährung schließt der EuGH in der fraglichen Entscheidung aber gerade ausdrücklich aus.
Die weitere Argumentation der Beklagten, die Auslegung des EuGH habe zur Folge, dass in den von Art. 15 Abs. 2 Familienzusammenführungsrichtlinie gewährten Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten eingegriffen werde, der gerade die Möglichkeit eröffne, kein eigenständiges Aufenthaltsrecht der nachgezogenen Eltern zu statuieren, überzeugt - ungeachtet der Folgen eines solchen Eingriffs - nicht. Zwar trifft es zu, dass der deutsche Gesetzgeber richtlinienkonform davon abgesehen hat, den zu dem minderjährigen Flüchtling nachgezogenen Eltern nach Erreichen der Volljährigkeit des Stammberechtigten ein eigenes Aufenthaltsrecht zuzugestehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten setzt die Auslegung des EuGH, die gegebenenfalls den Elternnachzug zu einem bereits volljährigen Flüchtling ermöglicht, aber nicht ein unabhängiges Aufenthaltsrecht der Eltern nach Erreichen der Volljährigkeit des Flüchtlings voraus.
Zunächst ist insoweit festzustellen, dass sich die Entscheidung des EuGH zur Dauer des ausgeübten Nachzugsrechts aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie nicht verhält. Nur hinsichtlich der Ausübung des Rechts zur Familienzusammenführung auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie sieht.sich der EuGH zur Einschränkung veranlasst. Um den Anwendungsbereich dieser Vorschrift zeitlich zu begrenzen, sei, der Antrag auf Familienzusammenführung zu einem Minderjährigen, der während des Asylverfahrens volljährig, geworden sei, innerhalb von drei Monaten ab dem Tag zu stellen, an dem er als Flüchtling anerkannt worden sei (Rdn. 61).
Dennoch ist davon auszugehen, dass sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit des Anspruchs auf Familienzusammenführung an die Visumserteilung ein Aufenthalt "zumindest von einer gewissen Dauer" anzuschließen hat (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - OVG 3 S 98.18 juris; in diesem Sinne auch Hruschka, Kein "aging out" - Das Recht auf umgekehrten Familiennachzug nach der neuen Entscheidung des EuGH, NVwZ 2018, 1451, beck-onlirie).
Um diese ausreichende Aufenthaltsdauer zu sichern, ist es indes nicht erforderlich, den nachgezogenen Flüchtlingseltern ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzugestehen. Vielmehr bieten die Familienzusammenführungsrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht Gelegenheit, eine entsprechende Aufenthaltsdauer bereits bei der Ausgestaltung des Rechts aus Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie selbst zu gewährleisten.
Art. 13 Abs. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie sieht vor, dass dem Familienangehörigen, dessen Antrag auf Familienzusammenführung stattgegeben wurde, zunächst das vorgeschriebene Visum zu erteilen ist. Nach Art. 13 Abs. 2 S. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie erteilt der betreffende Mitgliedstaat dem Familienangehörigen einen ersten Aufenthaltstitel mit mindestens einjähriger Gültigkeitsdauer. Danach ist der Aufenthaltstitel verlängerbar (Art. 13 Abs. 2 S. 2). Hiervon ausgehend zählt bereits zur Gewährung des Ursprungsrechts grundsätzlich die Verpflichtung zur Erteilung eines einjährigen Aufenthaltstitels. Begrenzend wirkt insoweit lediglich eine kürzere Geltungsdauer des Aufenthaltstitels des Zusammenführenden (Art. 13 Abs. 3 Familienzusammenführungsrichtlinie). Diese Vorgaben sind durch § 27 Abs. 4 S. 1 und 3 AufenthG im nationalen bundesdeutschen Recht inhaltlich identisch umgesetzt.
Die den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, den Eltern nach Erreichen der Volljährigkeit des Stammberechtigten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu versagen, kommt nach der geschilderten Konzeption der Richtlinie (erst) im Rahmen der nach Ablauf der geschilderten Gültigkeitsdauer von Art. 13 Abs. 2 S. 2 Familienzusammenführungsrichtlinie eröffneten Möglichkeit der Verlängerung des Aufenthaltstitels zum Tragen. Insoweit sieht Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie als Versagungsgrund vor, dass die in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen nicht mehr erfüllt sind. Diese Regelung bezieht sich auch auf einen auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie erteilten Aufenthaltstitel. Dies bedeutet, dass die Verlängerung des zwecks Elternnachzugs zum minderjährigen Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels versagt werden kann, wenn der Flüchtling nicht mehr minderjährig ist. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Flüchtling im Zeitpunkt des Elternnachzuges zwar in der vom EuGH vorgegebenen Auslegung rechtlich noch minderjährig im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie, faktisch aber bereits volljährig war. Denn der minderjährige Flüchtling und seine Eltern sollen durch Verzögerungen, die bei der Rechtsgewährung eingetreten sind, rechtlich zwar nicht benachteiligt, aber auch nicht besser gestellt werden. Deshalb ist die Fiktion der Minderjährigkeit nicht über die originäre Gewährung des Nachzugsrechts auf dessen etwaige Verlängerung auszudehnen (vgl. auch Zeitler,-HTK-AuslR / § 36 AufenthG / Abs. 1 07/2018 Nr. 6). [...]
Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass die zitierte Entscheidung des EuGH vom 12. April 2018 für alle Mitgliedstaaten verbindlich vorgibt, dass ein anerkannter Flüchtling, der bereits während des Asylverfahrens volljährig geworden ist, als "Minderjähriger" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie anzusehen ist (vgl. insoweit auch OVG Berlin-Brandenburg, bereits im Prozesskostenhilfebeschluss vom 26. April 2018 - OVG 3 M 23.18 - im hiesigen Verfahren und insbesondere in den Beschlüssen vom 4. September 2018 - OVG 3 S 47.18/OVG 3 M 52.18 - und vom 19. Dezember 2018 - OVG 3 S 98.18 -, alle juris; siehe auch Hruschka, a.a.O.; Zeitler, a.a.O., Nr. 3.1; BeckOK AuslR/Tewocht AufenthG § 36 Rn. 4).
Das Gericht teilt die Auffassung der Beklagten nicht, die Auslegung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie sei vorliegend nicht bindend, weil es sich um einen klar unterscheidbaren Sachverhalt handele, der vom EuGH noch nicht entschieden worden sei.
Insoweit verweist die Beklagte darauf, dass im Unterschied zum Sachverhalt des Vorabentscheidungsverfahrens im vorliegenden Fall dem Zusammenführenden die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, als dieser noch minderjährig gewesen sei; volljährig sei er erst im Laufe des Visumsverfahrens geworden. Diese Differenzierung trifft zwar zu. Der EuGH hat aber auch diese Fallgestaltung im Blick gehabt. In der Entscheidung werden auch die Zeitpunkte der Stellung des Antrags auf Familienzusammenführung und der Entscheidung über diesen Antrag zur Beurteilung, ob ein Flüchtling als Minderjähriger anzusehen ist, erörtert und verworfen (Urteil vom 12. April 2018, a.a.O., Rdn. 62, 63). Dies dokumentiert, dass der EuGH abstrakt den für die Beurteilung der Minderjährigkeit im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie maßgebenden Zeitpunkt bestimmen wollte. Diese Intention ergibt sich im Übrigen auch aus dem Kontext der Entscheidung, mit der die Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem der Betroffene minderjährig sein muss, um das Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern in Anspruch nehmen zu können, erfolgen soll. Die Eingrenzung im Tenor ("Drittstaatsangehöriger ..., der ... während des Asylverfahrens volljährig wird") ist vor diesem Hintergrund allein dem Umstand geschuldet, dass die zu beantwortende Vorlagefrage auf diesen Fall bezogen war.
Überdies bestünde auch inhaltlich kein Anlass, bei der vorliegenden Fallgestaltung von der Auslegung des EuGH abzuweichen. Wenn es dem minderjährigen Flüchtling nicht zum Nachteil gereichen soll, dass er während des Asylverfahrens volljährig wird, so muss dies erst recht gelten, wenn die Volljährigkeit zu einem noch späteren Zeitpunkt, nämlich erst während des sich anschließenden Verfahrens zur Familienzusammenführung eintritt (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. September 2018, a.a.O).
Der Stammberechtigte ist auch unbegleitet im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Buchst. f Familienzusammenführungsrichtlinie. [...]
Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der gerade volljährig gewordene Bruder im Sinne der Definition in Art. 2 Buchst. f Familienzusammenführungsrichtlinie nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlicher Erwachsener für den Stammberechtigten war. [...] Denn auch bei Berücksichtigung der zitierten Regelungen des syrischen Familienrechts kann nicht angenommen werden, dass die Personensorge bzw. die vormundschaftlichen Rechte auf den Bruder des Stammberechtigten übergegangen sind. [...] Allein der Umstand, dass der gesetzlich für den Stammberechtigten Verantwortliche nicht vor Ort war,. reicht nicht aus, die rechtliche Verantwortlichkeit des älteren Bruders zu unterstellen. [...]
Den Klägern zu 2 bis 4 kann kein Visum zum Zwecke des Kindernachzugs zu der Klägerin zu 1 gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 32 AufenthG gewährt werden. [...]
Bereits die - auch für den Kindernachzug geforderte - allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist nicht erfüllt. Danach muss für den Familiennachzug zu einem Ausländer ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen. [...]
Dabei ist im vorliegenden Zusammenhang auch der Wohnflächenbedarf der Klägerin zu 1 einzurechnen. Deren diesbezügliche Privilegierung bei ihrem Nachzug im Rahmen des Elternnachzugs gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG strahlt nicht auf den. Kindernachzug zu ihr als Referenzperson aus. [...]
Aber auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestätigung, mit der eine dritte Person, ein Herr Dr. ..., bestätigt, dafür Sorge zu tragen, dass im Falle des Familiennachzugs eine Wohnung von 75 qm2 zur Verfügung gestellt werde, bleibt hinter den Anforderungen zurück. [...] Vor diesem Hintergrund ist die drittseitige Bestätigung, dass im Falle eines Familiennachzugs eine Wohnung von 75 qm zur Verfügung gestellt werde, ohne nachprüfbaren Gehalt.
Auf den danach nicht geführten Nachweis ausreichenden Wohnraums kann auch nicht verzichtet werden.
§ 29 Abs. 2 AufenthG, der von dem Erfordernis ausreichenden Wohnraums im Falle bestimmter Aufenthaltserlaubnisse der Referenzperson befreit, kommt den Klägern zu 2 bis 4 nicht zugute. Die der Klägerin zu 1 nach obigen Erwägungen zustehende Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 1 AufenthG wird nicht in § 29 Abs. 2 AufenthG aufgeführt.
Es ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar, dass das Aufenthaltsgesetz für den Familiennachzug in vorliegender Konstellation nicht die Möglichkeit eröffnet, im Ausnahmefall von dem Erfordernis ausreichenden Wohnraums abzusehen (vgl. ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2018, a.a.O., Beschluss vom 12. Juli 2017 - OVG 3 S 47.17/OVG 3 M 83.17 -; beide juris). Anderes folgt aus dem oben behandelten Urteil des EuGH vom 12. April 2018 schon deshalb nicht, weil sich die dortigen Erwägungen ausschließlich auf den Elternnachzug gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie beziehen, nicht aber auf den Kinder - oder Geschwisternachzug.
Überdies erfüllen die Kläger zu 2 bis 4 unstreitig auch nicht die den Kindernachzug nach § 32 AufenthG erfassende Regelerteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Hiervon kann allerdings im Ausnahmefall abgesehen werden. [...] Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des Wohnraumerfordernisses kann letztlich dahinstehen, ob hier eine solche Situation vorliegt.
Dennoch sei hierzu folgendes angemerkt: Bei der im Lichte von Art. 6 Abs. 1, 2 GG, Art. 8 Abs. 1 der Europäischem Menschenrechtskonvention - EMRK -, Art. 24 Abs. 2 und Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - Art. 6 Abs. 1, 2 GG gebotenen Gewichtung der betroffenen Belange ist für die Frage, ob ein Ausnahmefall im obigen Sinne anzunehmen ist, insbesondere von Bedeutung, ob die familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet oder auch in Heimatland verwirklicht werden kann.
Hierzu ist vorliegend in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin zu 1 zwar nach obigen Erwägungen einen Anspruch zum Nachzug zu dem Stammberechtigten besitzt, sie sich gleichwohl aber weiterhin in Syrien aufhält. Hiervon ausgehend spricht vieles für die Annahme, dass aus familienbezogener Sicht die Lebensgemeinschaft weiterhin in Syrien gelebt werden kann. Denn die in Deutschland lebenden Familienmitglieder, der Stammberechtigte und sein Bruder, sind beide volljährig. Der gesetzlichen Wertung entsprechend ist aber regelmäßig nicht davon auszugehen, dass erwachsene Kinder noch der persönlichen Betreuung ihrer Eltern bedürfen. Diese Einschätzung dürfte vorliegend auch nicht durch die die oben erörterte Entscheidung des EuGH vom 12. April 2018 eingeschränkt sein. Die dortige Annahme, dass der während des Asylverfahrens volljährig gewordene unbegleitete minderjährige Flüchtlinge weiterhin als minderjährig zu betrachten ist, bezieht sich allein auf den Elternnachzug nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie. Diese Fiktion ist aus Sicht des Gerichts nicht auf weitere familienbezogene Nachzugsansprüche auszudehnen; dort ist insoweit allein die tatsächliche Situation in den Blick zu nehmen. Hiervon ausgehend kann die Lebensgemeinschaft zwischen-der Klägerin zu 1 und den Klägern zu 2 bis 4 aus familiärer Sicht grundsätzlich weiterhin in Syrien fortgesetzt werden. [...]
Scheitert danach ein Kindernachzug der Kläger zu 2 bis 4 jedenfalls am Wohnraumerfordernis nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, kann den Klägern zu 2 bis 4 ein Visum zum Familiennachzug auch nicht auf der Grundlage von § 6 Abs. 3 Satz 2 i.V.m: § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG erteilt werden. [...]
Auch insoweit steht der Visumserteilung bereits unabhängig von den speziellen Erteilungsvoraussetzungen entgegen, dass entsprechend obiger Erwägungen dem Wohnraumerfordernis nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG nicht genügt ist.
Überdies sind auch die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Härte im Sinne dieser Bestimmung nicht gegeben. Insoweit kann auf die Erwägungen der Kammer aus dem Beschluss vom 20. März 2018 im Prozesskostenhilfe- und Eilverfahren (VG 15 L 92.18 V) verwiesen werden. Auch die bereits gewürdigten situationsbedingten Belastungen des Stammberechtigten können - zumal ohne ärztliche Nachweise - nicht belegen, dass dieser ein eigenständiges Leben ohne die Gewährung familiärer Lebenshilfe durch die Kläger nicht führen kann.
Schließlich kann den Klägern ein Visum nicht auf der Grundlage von § 6 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 22 S. 1 AufenthG erteilt werden. [...]
§ 22 AufenthG bildet keine allgemeine Härtefallregelung, die Ausländern, die die Voraussetzungen für die Einreise nach anderen Vorschriften nicht erfüllt haben, die Einreise nach Deutschland ermöglichen soll bzw. kann. Dringende humanitäre Gründe können vielmehr nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen bejaht werden. Sie liegen nur dann vor, wenn sich der Ausländer auf Grund besonderer Umstände in einer auf seine Person bezogenen Sondersituation befindet, sich diese Sondersituation deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet, der Ausländer spezifisch auf die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland angewiesen ist oder eine besondere Beziehung des Ausländers zur Bundesrepublik Deutschland besteht und die Umstände so gestaltet sind, dass eine baldige Ausreise und Aufnahme unerlässlich sind (vgl. Armbruster, HTK-AuslR, § 22 AufenthG 02/2014 Nr. 2). Die Aufnahme des Ausländers muss im konkreten Einzelfall ein unabweisbares Gebot der Menschlichkeit sein (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. Januar 2018 - OVG 3 S 109.17 juris). Hiernach ist der Anwendungsbereich von § 22 AufenthG subsidiär auf Einzel- und Ausnahmefälle beschränkt, die von den gesetzlich vorgesehenen Zwecken der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfasst werden. Folglich ist für die Anwendung dann kein Raum, wenn - wie hier - Familiennachzug im Raume steht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2018, a.a.O.). [...]