Berliner Senat: Keine Sperrwirkung eines Antrags auf vorübergehenden Schutz für andere Aufenthaltstitel

Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres hat darauf hingewiesen, dass auch nach einem Antrag auf vorübergehenden Schutz die Beantragung eines anderen Aufenthaltstitels möglich bleibt. Dies geht aus einer Mitteilung der Innenverwaltung an den Berliner Flüchtlingsrat vom 14. Juni 2022 hervor.

Nach Informationen des Flüchtlingsrats Berlin hatte in Beratungsstellen zuvor Unsicherheit darüber geherrscht, ob bei einem Antrag auf vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG die Erteilung anderer Aufenthaltstitel ausgeschlossen werden könnte. Hier bestand offenbar – speziell hinsichtlich aus der Ukraine geflüchteter Personen, die nicht die ukrainische Staatsangehörigkeit haben (Drittstaatsangehörige) – die Befürchung, dass im Fall der möglichen Ablehnung des Antrags auf vorübergehenden Schutz andere aufenthaltsrechtliche Perspektiven dauerhaft "verbaut" werden könnten. Diese Bedenken ergaben sich aus der Regelung des § 19f Abs. 1 Nr. 2 AufenthG: Demnach ist die Erteilung verschiedener Aufenthaltstitel gesperrt für Personen mit vorübergehendem Schutzstatus sowie für Personen, die einen Antrag auf den vorübergehenden Schutzstatus gestellt haben. Umfasst von dieser Sperrwirkung sind die Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums (§ 16b Abs. 1 und Abs. 5 AufenthG), zum Zweck eines studienbezogenen Praktikums (§ 16e AufenthG), zum Zweck der Studienbewerbung (§ 17 Abs. 2 AufenthG), für die sogenannte Blaue Karte-EU (§ 18b Abs. 2 AufenthG), zu Forschungszwecken (§ 18d AufenthG) sowie für die Teilnahme am europäischen Freiwilligendienst (§ 19e AufenthG).

Aufgrund der Befürchtung, dass bereits der Antrag auf den vorübergehenden Schutz die Erteilung eines dieser Aufenthaltstitel auf unbestimmte Zeit sperren könnte, soll aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatsangehörigen in einigen Fällen davon abgeraten worden sein, einen solchen Antrag zu stellen. Dies bedeutet für die Betroffenen, dass sie auch die sogenannte Fiktionsbescheinigung nicht erhalten können, die aus der Ukraine geflüchteten Personen regelmäßig zusteht, solange der Antrag auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG geprüft wird. Ohne die Fiktionsbescheinigung entstehen den Betroffenen erhebliche Nachteile beim Zugang zu Sozialleistungen und sie haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Zugang zum Arbeitsmarkt.

Laut der Berliner Senatsverwaltung für Inneres ist allerdings nicht zu befürchten, dass allein die Antragstellung für den vorübergehenden Schutz eine dauerhafte Sperrwirkung auslöst. In der Mitteilung, die vom Berliner Flüchtlingsrat verbreitet wurde, heißt es, dass die Regelung des § 19f Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr greift, wenn ein Antrag auf Zuerkennung des vorübergehenden Schutzes abgelehnt oder zurückgenommen wird. Daher bestehe "keine Gefahr, dass ein Geflüchteter, dessen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG abgelehnt wird, für die Beantragung anderer Aufenthaltstitel gesperrt ist." Vielmehr greife die Sperrwirkung nur "für die Dauer des Antragsverfahrens". Ist dieses abgeschlossen – entweder aufgrund einer ausdrücklichen Rücknahme des Antrags oder aufgrund einer Ablehnung – stehe es den Betroffenen somit frei, eine andere Aufenthaltserlaubnis zu beantragen.

Die Senatsverwaltung für Inneres weist darauf hin, dass seine Klarstellung nur für das Berliner Landesamt für Einwanderung bindend ist und nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ausländerbehörden in anderen Bundesländern die Norm anders anwenden. In diesem Zusammenhang sei aber darauf zu verweisen, dass sich eine eventuell angenommene Sperrwirkung immer nur auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse beziehe, die ausdrücklich im § 19f Abs. 1 AufenthG genannt sind. In jedem Fall möglich bliebe ein Antrag auf andere Aufenthaltstitel, beispielsweise zum Zweck der Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 18a oder § 18b Abs. 1 AufenthG.

Die Sperrwirkung des § 19f Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begegnet zumindest im Hinblick auf den möglichen Ausschluss vom Studium während eines laufenden Antragsverfahrens auch europarechtlichen Bedenken: Die hierfür einschlägige Richtlinie der EU, die die Rahmenbedingungen für das Studium von Nicht-EU-Staatsangehörigen festlegt (REST-Richtlinie 2016/801), schließt zwar Personen mit vorübergehendem Schutzstatus aus ihrem Anwendungsbereich aus. Der Antrag auf den vorübergehenden Schutzstatus führt jedoch nicht zur Unanwendbarkeit der Richtlinie. Auf deren Grundlage dürfte daher weiterhin die Möglichkeit gegeben sein, Aufenthaltserlaubnisse zu Studienzwecken zu beantragen (siehe hierzu die Erläuterungen in den "Fragen und Antworten", abrufbar unter dem Link unten, Frage 11).


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