Verfahren zur Bestellung einer anwaltlichen Vertretung:
Es entspricht dem Grundsatz eines fairen Verfahrens, dass von Abschiebehaft Betroffene ein Wahlrecht bezüglich ihrer anwaltlichen Vertretung haben. Zur Wahrung eines fairen Verfahrens ist es nicht ausreichend, wenn die Bestellung einer anwaltlichen Vertretung vor der Anhörung der Betroffenen und nur anlässlich einer Mitteilung der Bundespolizei an das Haftgericht erfolgt, weil der Wahlanwalt telefonisch nicht erreicht werden konnte. Die Haftrichterin hätte, insbesondere aufgrund der besonders psychisch belastenden Situation, die Betroffene persönlich zur Wahl ihrer anwaltlichen Vertretung befragen müssen.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Ausweislich des nachträglichen Aktenvermerks vom 27. September 2024 hat die Polizei Isny dem Amtsgericht Ravensburg vor der Anhörung mitgeteilt, dass die Betroffene ihren Anwalt nicht habe erreichen können. Die Kammer geht davon aus, dass die Justizfachangestellte ... den Aktenvermerk zwar erst nachträglich gefertigt, aber die zuständige Haftrichterin hiervon noch vor Anberaumung des Anhörungstermins in Kenntnis gesetzt hat. Anderenfalls wäre nicht bereits vor der Anhörung ein entsprechender Bestellungsbeschluss erlassen worden. Damit hatte die Haftrichterin noch vor dem Anhörungstermin Kenntnis davon, dass die Betroffene einen Rechtsanwalt hat, zumindest aber hätte sie diese Kenntnis bei ordnungsgemäßer Organisation des Geschäftsbetriebs haben müssen. Zur Wahrung eines fairen Verfahrens hätte die Haftrichterin daher bei der Betroffenen nachfragen müssen, durch welchen Rechtsanwalt sie vertreten werden wolle. Bei entsprechender Nachfrage während der Anhörung wäre dann auch deutlich geworden, dass die Betroffene von einem anderen Rechtsanwalt als der bestellten Rechtsanwältin ... hätte vertreten werden wollen. Der Versuch der Kontaktaufnahme mit diesem Anwalt wäre der Betroffenen erneut zu ermöglichen gewesen. Bis dahin hätte über die Anordnung des Ausreisegewahrsams nur vorläufig im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 427 FamFG) entschieden werden dürfen [...].
Von der Nachfragepflicht in der Anhörung der Betroffenen ist die Haftrichterin auch nicht dadurch entbunden worden, dass die Betroffene durch die Polizei Isny hat ausrichten lassen, das Gericht solle ihr einen Anwalt bestellen. Darin liegt keine konkludente Erklärung der Betroffenen, auf die Hinzuziehung ihres Rechtsanwalts zu dem Anhörungstermin zu verzichten. An einen Verzicht auf einen selbst gewählten anwaltlichen Beistand sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, InfAuslR 2016, 381 Rn. 7). Insbesondere aufgrund der psychischen Ausnahmesituation, in der sich die Betroffene aufgrund der Ingewahrsamnahme und möglichen Inhaftierung befand, kann nicht angenommen werden, dass die Betroffene mit ihrem Einverständnis mit einer gerichtlichen Anwaltsbestellung zugleich auch auf das ihr zustehende Wahlrecht bezüglich eines Anwalts und dessen Anwesenheit im Anhörungstermin verzichten wollte. [...]