Anwendung unionsrechtlicher Regelung zur Notvertretung nur bei Asylanträgen:
1. Die Pflicht der Behörden, einer unbegleiteten minderjährigen ausländischen Person unverzüglich eine Vertretung zu bestellen, kann nur im Falle eines Antrags auf internationalen Schutz aus Art. 24 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/33/EU abgeleitet werden. Auf unbegleitete minderjährige Personen, die nicht um internationalen Schutz nachsuchen, sind die unionsrechtlichen Normen über die Rechte von Antragstellenden auf internationalen Schutz nicht anwendbar.
2. Ein Recht auf Bestellung einer Vertretung im jugendhilferechtlichen Altersfeststellungsverfahren kann aus Art. 8 EMRK (entgegen der Ansicht des VGH Baden-Württemberg: Beschluss vom 05.06.2024 – 12 S 1649/23 – asyl.net: M32517) abgeleitet werden. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt aufgrund des Zustimmungsgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) in Deutschland als Bundesgesetz und ist wie jedes andere Bundesgesetz von deutschen Behörden und Gerichten anzuwenden. Das SGB VIII enthält keine speziellere Vorschrift.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Der Senat weist darauf hin, dass sich aus der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg für die Antragstellerin nichts Günstigeres ergibt.
Der Verwaltungsgerichtshof leitet die Pflicht der Behörden, einer unbegleiteten minderjährigen ausländischen Person so bald wie möglich eine Vertretung zu bestellen, nicht aus Art. 8 EMRK ab, sondern aus Art. 24 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/33/EU [...]. Den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, die Normen für die Aufnahme von Antragstellenden auf internationalen Schutz festlegt (vgl. Art. 1 Richtlinie 2013/33/EU), sieht der Verwaltungsgerichtshof wegen der Asylgesuche als eröffnet an, die die Betroffenen in den von ihm entschiedenen Verfahren gestellt hatten [...]. Die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens hat kein Asylgesuch geäußert. [...] Auf unbegleitete minderjährige Personen, die nicht um internationalen Schutz nachsuchen, sind die unionsrechtlichen Normen über die Rechte von Antragstellenden auf internationalen Schutz nicht anwendbar [...].
Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg der Auffassung ist, aus Art. 8 EMRK könne eine unbegleitete minderjährige Person nicht unmittelbar ein Recht auf Bestellung einer Vertretung im jugendhilferechtlichen Altersfeststellungsverfahren ableiten, weil es insoweit an einer "Anknüpfung an das anzuwendende Fachrecht" fehle [...], ist seine Rechtsprechung für die Antragstellerin ungünstiger als die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts. Der Senat hält allerdings auch in Ansehung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs an seiner Auffassung zu den sich aus Art. 8 EMRK ergebenden Verfahrensrechten im Altersfeststellungsverfahren nach § 42f SGB VIII [...] fest. Die Europäische Menschenrechtskonvention gilt aufgrund des Zustimmungsgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) in Deutschland als Bundesgesetz und ist wie jedes andere Bundesgesetz von deutschen Behörden und Gerichten anzuwenden [...]. Das SGB VIII enthält keine speziellere Vorschrift, die einer Anwendung von Art. 8 EMRK in Bezug auf das Recht auf eine Vertretung im Altersfeststellungsverfahren entgegenstünde. § 42a Abs. 3 SGB VIII lässt sich so anwenden, dass den Vorgaben der Menschenrechtskonvention Genüge getan ist. [...]