Vortrag ohne Belang ist unerheblich oder unbeachtlich
1. Bei der Auslegung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann auf die in der Rechtsprechung hinreichend geklärten Maßstäbe zu § 30 Abs. 1 AsylG a.F. zurückgegriffen werden. Nicht von Belang i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorbringen insbesondere dann, wenn es für die Prüfung des Asylantrages aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich oder unbeachtlich ist, also in tatsächlicher Hinsicht in wesentlichen Punkten unsubstantiiert oder in sich widersprüchlich. Fehlen Hinweise für eine Verfolgungshandlung oder eine persönliche Bedrohung, drängt sich die Unbegründetheit des Antrages förmlich auf.
2. Keine erfolgreiche Ersatzzustellung an einen ermächtigten Vertreter einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne des § 178 Nr. 3 ZPO, wenn es sich um ein Ankunftszentrum für Asylsuchende bzw. eine Erstanlaufstelle handelt.
(Leitsätze der Redaktion, Siehe zu § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG differenzierter: VG Hannover, Beschluss vom 13.06.2024 – 10 B 1953/24 – asyl.net: M32538)
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen. [...]
Der Antrag des türkischen Antragstellers mit kurdischer Volkszugehörigkeit, die aufschiebende Wirkung seiner Klage (VG 41 K 354/24 A) gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. April 2024 anzuordnen, hat keinen Erfolg. [...]
Antrag und Klage sind auch nicht verfristet. Der Nachweis einer möglicherweise durch die Deutsche Post AG tatsächlich beabsichtigten und erfolgten Zustellung des Bescheides gegen Postzustellungsurkunde im Wege der Ersatzzustellung an einen zum Empfang ermächtigten Vertreter einer Gemeinschaftseinrichtung am 12. April 2024 gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO lässt sich mit der aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlichen Postzustellungsurkunde nicht führen, da in dieser Postzustellungsurkunde vielmehr eine Ersatzzustellung an eine Beschäftigte eines Geschäftsraumes beurkundet ist, worum es sich bei dem Ankunftszentrum für Asylsuchende bzw. der Erstanlaufstelle in der Oranienburger Straße 285 unzweifelhaft nicht handelt. Eine Postzustellungsurkunde über die möglicherweise tatsächlich beabsichtigte und erfolgte Ersatzzustellung liegt damit nicht vor.
In der Beauftragung der Zustellung gegen Postzustellungsurkunde manifestiert sich aber der Zustellungswille des Bundesamtes, was Raum für die Heilung von Zustellungsmängeln nach § 8 VwZG eröffnet. Nach dieser Vorschrift gilt ein Dokument als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist, wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Insoweit hat der Antragsteller als Empfangsberechtigter des an ihn gerichteten Bescheides in der Antragsschrift angegeben, der Bescheid sei ihm am 18. April 2024 zugestellt worden. Dieses Datum ist deshalb für den tatsächlichen Zugang und damit für den Zustellungszeitpunkt zugrunde zu legen. [...]
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. [...]
Ferner hat das Bundesamt den unbegründeten Asylantrag des Antragstellers zu Recht gem. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt. [...]
Bei der Auslegung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann danach auf die in der Rechtsprechung hinreichend geklärten Maßstäbe zu § 30 Abs. 1 AsylG a.F. zurückgegriffen werden. Nicht von Belang i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorbringen daher insbesondere dann, wenn es für die Prüfung des Asylantrages aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich oder unbeachtlich ist. Dies ist wiederum insbesondere der Fall, wenn das Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht in wesentlichen Punkten unsubstantiiert oder in sich widersprüchlich ist. Denn dann ist ein Fall gegeben, in dem an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2019 – 2 BvR 1193/18 – juris, Rn. 18).
Gemessen an diesem Maßstab ist die Einschätzung des Bundesamtes, die Angaben des Antragstellers seien im konkreten Einzelfall für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang, von Rechts wegen nicht zu beanstanden, denn es fehlt bereits am Vortrag einer Verfolgungshandlung. Zutreffend hat das Bundesamt darauf abgehoben, dass sich dem Vorbringen des Antragstellers keinerlei Hinweise darauf entnehmen lassen, dass er vor seiner Ausreise persönlich bedroht bzw. verfolgt worden ist oder ihm bei Rückkehr in die Türkei Derartiges drohen könnte, und dass sich die Unbegründetheit des Asylantrags förmlich aufdränge (Bescheid, S. 6 Abs. 5).
Mit diesen Ausführungen ist das Bundesamt zugleich seiner besonderen Begründungspflicht im Hinblick auf den Offensichtlichkeitsausspruch nachgekommen. Es hat § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als maßgebliche Vorschrift sowie deren Voraussetzungen genannt und in der Begründung eindeutig zu erkennen gegeben, dass und warum der Asylantrag nicht nur als (einfach) unbegründet, sondern zudem als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist. [...]