Einstweiliger Rechtsschutz bei Asylfolgeanträgen:
1. Seit Inkrafttreten des Rückkehrverbesserungsgesetzes vom 21.02.2024 ist nach § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG n. F., auch wenn keine erneute Abschiebungsandrohung ergangen ist, ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG statthaft. Demgegenüber ist in den in § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG geregelten Missbrauchsfällen ein Antrag nach § 123 VwGO zu stellen.
2. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG ist gemäß § 71 Abs. 4 AsylG innerhalb der einwöchigen Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu stellen.
(Amtliche Leitsätze, a.A. VG Sigmaringen, Beschluss vom 08.04.2024 - A 7 K 1096/24 - asyl.net: M32351)
[...]
3 1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft. Die gegen die Unzulässigkeitsentscheidung erhobene Anfechtungsklage hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung, weil die Ablehnung als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG in § 75 AsylG nicht genannt wird. Dass im vorliegenden Fall zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO und nicht ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft ist [...], ergibt sich im Übrigen aus Folgendem:
4 a) Die statthafte Antragsart im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist im Lichte der Änderungen durch das am 27.02.2024 in Kraft getretene Rückführungsverbesserungsgesetz neu zu beurteilen. Zwar bedarf es nach wie vor im Falle der Ablehnung eines Asylfolgeantrages zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG). § 71 Abs. 5 hat aber im Übrigen eine wesentliche Änderung erfahren. Hat der Ausländer den Folgeantrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Abschiebung gestellt oder hat der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines Folgeantrags einen erneuten Folgeantrag gestellt, so darf die Abschiebung (bereits) vollzogen werden, wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Absatz 1 Satz 1 AsylG nicht vorliegen (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Im Übrigen darf die Abschiebung erst nach Ablauf der Frist nach § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG und im Fall eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags vollzogen werden (§ 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG).
5 Ausgehend hiervon ist zur vorläufigen Abwehr der Abschiebung regelmäßig statthaft und zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes ausreichend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO [...]. Zwar findet sich die Grundlage für den Vollzug der Abschiebung nicht in dem in der Hauptsache angefochtenen Bescheid, sondern in einer bereits bestandskräftigen Abschiebungsandrohung, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens ist. Eines Antrags nach § 123 VwGO zur vorläufigen Aussetzung der Vollziehung der Abschiebung bedarf es - anders als nach alter Rechtslage - aber regelmäßig nicht, weil schon von Gesetzes wegen (§ 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG) die Abschiebung frühestens nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist und im Falle eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags vollzogen werden darf. Hat der Eilantrag Erfolg, wirkt das aufgrund des Folgeschutzgesuchs bestehende Vollzugshindernis bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens gegen die Unzulässigkeitsentscheidung fort, ohne dass es einer vorläufigen gerichtlichen Regelung bedarf.
6 Mit der Regelung in § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG, wonach bis zur gerichtlichen Ablehnung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ein Vollzugshindernis besteht, hat der Gesetzgeber auch zum Ausdruck gebracht, dass im Regelfall vorläufiger Rechtsschutz nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Regelung nur auf die Fälle bezieht, in denen eine Abschiebungsandrohung ergangen ist. In diesem Fall hat es vielmehr mit dem Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf die §§ 34, 34a, 35 und insbesondere 36 AsylG sein Bewenden. Sowohl § 71 Abs. 5 Satz 2 als auch Satz 3 AsylG stehen in systematischem Zusammenhang zu § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG, setzen also voraus, dass das Bundesamt gerade keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat [...] und regeln die spezifischen Vollzugsmodalitäten gerade des Falles, in dem keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen wurde. Der entgegengesetzte Fall, dass das Bundesamt eine erneute Abschiebungsandrohung erlässt, ist von § 71 Abs. 5 AsylG nicht geregelt [...].
7 Abweichend hiervon ist der Fall zu beurteilen, in dem der Ausländer den Folgeantrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Abschiebung oder in dem er nach unanfechtbarer Ablehnung eines Folgeantrags einen erneuten Folgeantrag gestellt hat (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG). In diesen Missbrauchsfällen darf die Abschiebung bereits vollzogen werden, wenn das Bundesamt der Ausländerbehörde mitgeteilt hat, ein neues (Folge-)Asylverfahren werde nicht durchgeführt. Ein Abwarten der Rechtsbehelfsfrist oder einer gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bedarf es nicht. Mangels Regelung ist die Mitteilung des Bundesamtes an die Ausländerbehörde kein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG. Sie kann mithin in der Hauptsache nicht mit einer Anfechtungsklage angefochten werden. Vorläufiger Rechtsschutz ist dann im Wege eines Antrags nach § 123 VwGO zu erlangen mit dem Ziel, das Bundesamt vorläufig zu verpflichten, die Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu unterlassen oder zu widerrufen bzw. der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf der Grundlage der Mitteilung durchgeführt werden dürfen. [...]