LG Ingolstadt

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Zitieren als:
LG Ingolstadt, Beschluss vom 03.06.2024 - 21 T 586/22 - asyl.net: M32462
https://www.asyl.net/rsdb/m32462
Leitsatz:

Haftanhörung von 15 Minuten verletzt rechtliches Gehör: 

Es ist ausgeschlossen, dass in einer Anhörung, die laut Protokoll 15 Minuten gedauert hat, der Haftantrag und die Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung verlesen und übersetzt und die Formalien aufgenommen wurden. Dieses Vorgehen ist mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu vereinbaren. 

(Leitsätze der Redaktion) 

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Anhörung, Übersetzung, Haftantrag, rechtliches Gehör,
Normen: FamFG § 62
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. [...]

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Haftbeschluss aus sonstigen Gründen rechtswidrig war.

Jedenfalls ist nach der Überzeugung des Beschwerdegerichts der Betroffenen im Rahmen der Anhörung jedenfalls nicht der vollständige Antrag der Bundespolizei vom 10.04.2018 ausgehändigt und vom Dolmetscher übersetzt worden. [...]

Nach dem Protokoll hat die Anhörung genau 15 Minuten gedauert. Eine andere Dauer der Anhörung lässt sich jedenfalls nicht feststellen, da, wie bereits dargestellt, die Richterin an die Anhörung keine Erinnerung mehr hat. Es ist nach Meinung des Beschwerdegerichts daher völlig ausgeschlossen, dass innerhalb der Zeitdauer von 15 Minuten der Haftantrag von einem Dolmetscher übersetzt worden sein kann. Der hier zuständige Vorsitzende hat versucht, den Haftantrag so schnell wie möglich zu lesen. Er hat hierfür etwa acht Minuten gebraucht. Hierbei konnte aber nur wirklich schnell gelesen werden, ohne den Inhalt wirklich aufnehmen zu können. Was im Rahmen der Anhörung aber noch geschehen sein soll, war, dass der Betroffenen die Niederschrift über die polizeiliche Vernehmung vom 10.04.2018 von dem Dolmetscher übersetzt wurde. [...]

Es ist daher nach Meinung des Beschwerdegerichts völlig ausgeschlossen, dass der Betroffenen im Rahmen der Anhörung sowohl der Antrag der Bundespolizei als auch die Beschuldigtenvernehmung übersetzt wurden. Innerhalb der 15 Minuten der Anhörung mussten dann ja auch noch die sonstigen im Protokoll festgehaltenen Formalien durchgeführt werden.

Daher ist davon auszugehen, dass der Betroffenen der Antrag der Bundespolizei weder im Original ausgehändigt, noch wörtlich übersetzt wurde.

Dieses Vorgehen ist mit dem Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör nicht zu vereinbaren. [...]