LG Osnabrück

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Zitieren als:
LG Osnabrück, Beschluss vom 08.04.2024 - 11 T 534/23 - asyl.net: M32336
https://www.asyl.net/rsdb/m32336
Leitsatz:

Haftantrag wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit unzulässig:

1. Fehlt es an der örtlichen Zuständigkeit der die Abschiebungshaft beantragenden Behörde, ist die Haftanordnung rechtswidrig.

2. Grundsätzlich ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a LVwVfG die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte.

3. Wird eine Person in einem anderen Bundesland angetroffen und in Gewahrsam genommen, als dem, in dem die antragstellende Behörde ihren Sitz hat und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass diese Person weiterhin im Bezirk der antragstellenden Behörde ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so ist die Behörde örtlich nicht zuständig und ihr Haftantrag mangels örtlicher Zuständigkeit rechtswidrig.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, örtliche Zuständigkeit, Ausländerbehörde, Haftantrag,
Normen: FamFG § 417 Abs. 1, VwVfG § 3 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a, LVwVfG § 3 Abs. 1 Nr. 3 Bst. a
Auszüge:

[...]

1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts verletzt den Betroffenen schon deshalb in seinen Rechten, weil es an der örtlichen Zuständigkeit der beteiligten Behörde für die Beantragung der Sicherungshaft fehlt. [...]

a) Die Haft darf gemäß § 417 Abs. 1 FamFG nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde angeordnet werden. Fehlt es an der Zuständigkeit, ist der Haftantrag unzulässig [...]. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen [...]. Sachlich zuständig ist gemäß § 71 AufenthG die Ausländerbehörde. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus den jeweiligen Landesgesetzen [...]. Maßgeblich für die Zuständigkeit ist der der Zeitpunkt der Haftantragstellung [...].

b) Zu diesem Zeitpunkt kann die örtliche Zuständigkeit der beteiligten Behörde - Kreis Steinfurt - nicht angenommen werden.

aa) Die beteiligte Behörde hat im Haftantrag angegeben, sie sei gemäß 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 OBG NRW sowie § 14 ZustAVO NRW die zuständige Behörde, ohne insofern nähere Ausführungen zu tätigen.

Allein die Tatsache, dass der Betroffene zu einem vorherigen Zeitpunkt in einer Unterkunft in ... im Kreis Steinfurt untergebracht war, begründet nicht die fortdauernde Zuständigkeit der Behörde. Zwar folgt aus § 14 Abs. 3 Fall 2 ZustA VO Nordrhein-Westfalen eine Zuständigkeit der Ausländerbehörde, in deren Bezirk sich erstmals die Notwendigkeit für eine ausländerrechtliche Maßnahme ergibt. Diese Zuständigkeitsbestimmung gilt jedoch allein innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen und damit nur für den Fall, dass dort weitere Maßnahmen erforderlich geworden wären.

bb) Eine Zuständigkeit des Landes Nordrhein-Westfalen lässt sich allerdings nicht feststellen. Welches Bundesland die Verbandskompetenz hat, bestimmt sich beim Fehlen spezieller koordinierter landesrechtlicher Zuweisungsregelungen zur Verwaltungskompetenz im Wege der entsprechenden Anwendung der zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder, die - wie das niedersächsische Verwaltungsverfahrensgesetz in § 1 Abs. 1 - insoweit auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes verweisen oder - wie im Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - durch gleichlautende Formulierungen mit § 3 VwVfG übereinstimmen (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 22. März 2012 - 1 C 5.11, BVerwGE 142, 195 Rn. 18 bis 20).

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a VwVfG ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte. Der gewöhnliche Aufenthalt dieser Person ist dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (vgl. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I; BVerwG, Urt. V. 4. Juni 1997 - 1 C 25.96, NVwZ-RR 1997, 751 (juris Rn. 16)).

Feststellungen dazu, dass der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt im Kreis ... hatte, konnten nicht getroffen werden.

Der Betroffene wurde vorliegend in  ... in Niedersachsen aufgegriffen, als er bei der dortigen Stadtverwaltung vorsprach, nachdem er am 04.04.2023 nach unbekannt abgemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Haftantragstellung noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Kreis … hatte, bestehen nach Aktenlage nicht. Vielmehr bestand schon zuvor für die Ausländerbehörde der Verdacht, dass der Betroffene sich bei ... in … aufhält. [...]