Keine Fluchtgefahr wegen emotionaler Reaktion bei Abschiebung:
1. Dass Fluchtgefahr gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 5 AufenthG vermutet wird, weil sich eine Person einer Abschiebung entzogen hat, setzt nicht voraus, dass die betroffene Person physischen Widerstand leistet. Insofern genügt jedes Verhalten, das darauf zielt, von der Beförderung im Flugzeug ausgeschlossen zu werden. So ist es beispielsweise auch ausreichend, wenn eine Person sich an Flugkapitäne oder Begleitpersonal wendet, um mitzueilen, dass sie nicht in das Zielland der Abschiebung fliegen will, weil sie dort bedroht oder gefährdet wird.
2. Nicht ausreichend ist es insofern jedoch, wenn die Abschiebung einer Person aufgrund eines emotionalen Ausbruchs im Flugzeug abgebrochen wurde. Denn darin ist kein zielgerichtetes Verhalten zu sehen, um von der Beförderung ausgeschlossen zu werden. Auch die Äußerung persönlich nachvollziehbarer Gründe, warum eine Person nicht abgeschoben werden will, begründet keine Vermutung einer bestehenden Fluchtgefahr.
(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf: BGH, Beschluss vom 15.09.2016 - V ZB 69/16 - asyl.net: M24695)
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Es fehlt für die angeordnete Haft an einem Haftgrund im Sinne von § 62 AufenthG. Insbesondere liegt keine Fluchtgefahr nach § 62 Abs. 3 AufenthG vor. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist eine Fluchtgefahr nicht nach § 62 Abs. 3a Nr. 5, 6 AufenthG zu vermuten. Zwar muss das Verhalten des Ausländers zur Erfüllung der Vermutungstatbestände nicht darin liegen, dass er - wie hier nicht - physischen Widerstand leistet oder androht (BGH Beschl. v. 15.09.2016 - V ZB 69/16, FGPrax 2016, 279). Gleichwohl genügt ein Verhalten, das darauf zielt, von der Beförderung durch den Luftfahrzeugführer ausgeschlossen zu werden, etwa dass er sich beim Betreten des Flugzeuges sofort direkt an den Flugkapitän und das Flugbegleitpersonal wendet und diesen gegenüber zu verstehen gibt, dass er nicht in das Zielland fliegen wolle, weil er sich dort bedroht oder gefährdet sehe (BGH a.a.O.).
Gemessen daran begegnet es durchgreifenden Bedenken, aufgrund des Verhaltens der Beschwerdeführerin eine Fluchtgefahr zu vermuten. Ein emotionaler Ausbruch stellt keinen physischen Widerstand oder dessen Androhung dar. Gleichwohl liegt in ihm kein darauf zielgerichtetes Verhalten, von der Beförderung ausgeschlossen zu werden. Dasselbe gilt für die Äußerung persönlich nachvollziehbarer Gründe, warum die Beschwerdeführerin nicht abgeschoben werden möchte. Anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfolgte vorliegend kein Ansprechen des Luftfahrzeugführers oder des Flugbegleitpersonals, das zur Folge - und so im Falle der zitierten Entscheidung wohl intendiert - hätte haben können, die Maßnahme durch einen Ausschuss von der Beförderung durch den Flugkapitän zu vereiteln. [...]