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VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 06.02.2024 - 24 I 6/24 - asyl.net: M32220
https://www.asyl.net/rsdb/m32220
Leitsatz:

Eine Wohnungsdurchsuchung um 5 Uhr morgens muss besonders begründet werden:

Grundsätzlich sollten Wohnungsdurchsuchungen zur Nachtzeit vermieden werden. Auch wenn eine Wohnungsdurchsuchung zum Zweck der Festnahme und Abschiebung rechtmäßig ist, muss es besonders begründet werden, wenn sie um 5 Uhr morgens durchgeführt werden soll.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Wohnungsdurchsuchung, Abschiebung, Nachtzeit, Uhrzeit,
Normen: AufenthG § 58
Auszüge:

[...]

Für die Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung ist es regelmäßig erforderlich, dass die Vollstreckungsmaßnahme bereits einmal daran gescheitert ist, dass sich der Betroffene in seiner Wohnung verborgen gehalten hat, oder dass aufgrund sonstiger Umstände konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die geplante Maßnahme hieran scheitern könnte [...].

Auch Verstöße gegen Mitwirkungspflichten können möglicherweise die Erforderlichkeit der Wohnungsdurchsuchung begründen [...].

Allein der Umstand, dass ein Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig ist, vermag die Erforderlichkeit einer Wohnungsdurchsuchung dagegen grundsätzlich nicht zu begründen. Andernfalls liefe die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung des konkreten Einzelfalls durch das Gericht – jedenfalls hinsichtlich der Erforderlichkeit – leer. Denn die Vorschrift des § 58 Abs. 6 AufenthG findet bereits tatbestandlich nur auf Fälle der Abschiebung vollziehbar Ausreisepflichtiger Anwendung. Damit wäre unabhängig vom Einzelfall bei jedem Antrag nach § 58 Abs. 6, 8 AufenthG – das Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale unterstellt – die Erforderlichkeit der Durchsuchung gegeben [...].

Der Antrag ist hingegen unbegründet, soweit die Durchsuchung bereits um 5 Uhr und damit zur Nachtzeit beginnen soll. Die Nachtzeit umfasst ganzjährig die Stunden von 21 bis 6 Uhr. Für eine Durchsuchung zur Nachtzeit [...] müssen die zusätzlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 7 AufenthG vorliegen. Nach dessen Satz 1 darf zur Nachtzeit die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Nach dessen Satz 2 ist die Organisation der Abschiebung keine Tatsache im Sinne von Satz 1. [...]

Weiter teilt die Zentrale Ausländerbehörde mit Email vom … 2024 mit, ein anderer Termin sei nicht zu verwirklichen, weil die "Personenbegleiter Luft" eine Zusatzqualifikation hätten und diese an anderen Terminen jetzt nicht mehr zur Verfügung stünden, weil sie in anderen Maßnahmen gebunden seien.

Es ist allerdings Aufgabe der Antragstellerin bzw. der Zentralstelle des Landes für Flugabschiebungen, entsprechendes Personal vorzuhalten und einzusetzen. Dass bei dieses bei einer rechtzeitigen Planung der Abschiebung nicht hätte eingesetzt werden können, wird nicht behauptet. Es wird lediglich vorgetragen, dass das Personal jetzt kurzfristig gebunden wäre.

Im Übrigen ist nicht dargetan, dass eine Rückführung des Antragsgegners zu 1. nicht auch dergestalt hätte organisiert werden können, dass eine Durchsuchung erst zur Tagzeit hätte erfolgen können. [...]

Insoweit hätte ein Antrag, der auf eine Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit gerichtet ist und den Anforderungen des § 58 Abs. 7 Satz 2 AufenthG genügt hätte, aufzeigen müssen, dass und warum andere Flüge nicht hätten genutzt werden können. Die Antragstellerin kann sich nicht dadurch exkulpieren, dass ihr von der Zentralstelle für Flugabschiebungen ein Flug zugewiesen wird. Alle an der Abschiebung beteiligten nationalen Behörden haben gemeinschaftlich darauf hinzuwirken, dass Durchsuchungen zur Nachtzeit möglichst vermieden werden. [...]

Vorliegend hätte die Antragstellerin im Vorfeld aufklären müssen, ob nicht spätere Flüge zur Verfügung stehen. Soweit dies nicht der Fall gewesen wäre, wäre dies im Einzelnen darzulegen, damit die Kammer nachprüfen kann, dass die "Organisation der Abschiebung" eine Durchsuchung zur Nachtzeit zwingend erfordert. [...]