Ablehnung eines Beweisantrags aufgrund eigener Sachkunde und kein subsidiärer Schutz hinsichtlich Äthiopiens:
1. Das Verwaltungsgericht darf einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft in asylrechtlichen Verfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die Verhältnisse im Herkunftsstaat vorliegen, nach tatrichterlichem Ermessen mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen. Stützt das Gericht seine Sachkunde auf vorhandene Stellungnahmen und Auskünfte, muss dieser Verweis dem Einwand standhalten, die Erkenntnisquellen enthielten keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen.
2. Die Vielzahl der Ursachen für die schlechten humanitären Verhältnisse in Äthiopien spricht dagegen, dass diese maßgeblich auf das bewusste und zielgerichtete Handeln eines Akteurs gemäß der § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG zurückzuführen sind. Damit scheidet die Zuerkennung subsidiären Schutzes aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG aus.
3. Die im Berufungszulassungsverfahren aufgeführten Erkenntnismittel legen nicht nahe, dass in Äthiopien einschließlich der Region Addis Abeba ein landesweiter bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG vorliegt.
(Leitsätze der Redaktion; Leitsatz 1 unter Bezug auf: BVerwG, Beschluss vom 14.02.2022 - 1 B 49.21 - bverwg.de; siehe zur erforderlichen Aktualität von Erkenntnismitteln: BVerfG, Beschluss vom 27.03.2017 - 2 BvR 681/17 - asyl.net: M24951)
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Die Berufung ist nicht wegen der von den Klägern geltend gemachten Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen. [...]
In der Ablehnung eines Beweisantrags liegt grundsätzlich nur dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn die Ablehnung aus Gründen erfolgt, die im Prozessrecht keine Stütze finden, wenn also ein Beweisantrag aus den angegebenen Gründen schlechthin nicht abgelehnt werden darf (BVerwG, Beschl. v. 14.2.2022 - 1 B 49.21 -, juris Rn. 18; Senatsbeschl. v. 25.10.2022 - 4 LA 225/20 -, juris Rn. 14 jeweils m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, dass es vor dem Hintergrund der von ihm vorgenommenen Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in Äthiopien allgemein als auch der persönlichen Verhältnisse der Kläger sowie der ständigen Aktualisierung der vom Gericht verwendeten Erkenntnismittel einer erneuten Beweiserhebung nicht bedurft habe (vgl. Urteilsabdruck, S. 13). Diese Begründung des Verwaltungsgerichts für die Ablehnung der Beweisanträge findet im Prozessrecht eine ausreichende Stütze.
Das Tatsachengericht darf einen auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer amtlichen Auskunft gerichteten Beweisantrag insbesondere in asylgerichtlichen Verfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen über die politischen Verhältnisse im Heimatstaat zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen und die Gefährdungsprognose im Einzelfall auf der Grundlage einer tatrichterlichen Beweiswürdigung eigenständig vornehmen (BVerwG, Beschl. v. 17.9.2019 - 1 B 43.19 -, juris Rn. 46 m.w.N.; ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.7.2022 - 1 A 187/21.A -, juris Rn. 7). Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde aus vorhandenen Gutachten und amtlichen Auskünften, so muss der Verweis hierauf dem Einwand der Beteiligten standhalten, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten sind. Ist dies der Fall, steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens bzw. einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt oder gerade auch nach § 411a ZPO in das Verfahren eingeführt worden sind; die Ablehnung eines hierauf gerichteten Beweisantrages setzt dann auch nicht voraus, dass das im Antrag angebotene Beweismittel schlechterdings untauglich oder völlig ungeeignet sei (BVerwG, Beschl. v. 17.9.2019 - 1 B 43.19 -, juris Rn. 46 und v. 9.12.2019 - 1 B 74/19 -, juris Rn. 6 jeweils m.w.N.).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht sein ihm zustehendes Ermessen hinsichtlich der Einholung eines über die von ihm verwendeten Erkenntnismittel hinausgehenden Sachverständigengutachtens fehlerfrei ausgeübt. [...]
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen der schlechten humanitären Situation im Herkunftsland nur dann einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG begründet, wenn sie maßgeblich und nicht nur in geringem Umfang auf das bewusste und zielgerichtete Handeln eines Akteurs im Sinne des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG zurückzuführen sind [...].
Soweit das Verwaltungsgericht die schlechten humanitären Bedingungen in Äthiopien lediglich im Zusammenhang mit der Frage des Bestehens eines möglichen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK geprüft hat (vgl. Urteilsabdruck, S. 12 ff.), nicht jedoch bereits unter dem Gesichtspunkt eines hieraus gegebenenfalls folgenden Anspruchs auf subsidiären Schutz, steht dies jedenfalls nicht in Widerspruch zu der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung. [...]
Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Kläger auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG mit der Begründung verneint, dass eine Ausweitung der ethnischen Konflikte, die sich im Wesentlichen auf die Konfliktregionen Tigray und Oromia konzentrierten und die nicht die Schwelle eines Bürgerkrieges erreichen würden, auf die Hauptstadt Addis Abeba nicht erkennbar sei. Insofern seien jedenfalls interne Ausweichmöglichkeiten i.S.d. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG gegeben, um der Betroffenheit von dem Tigray-Konflikt zu entgehen (vgl. Urteilsabdruck, S. 11).
Die Kläger haben mit ihrem Zulassungsantrag keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die es nahelegen, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in Äthiopien landesweit, einschließlich der Hauptstadt Addis Adeba, ein bewaffneter Konflikt vorliegt. [...]