Eilrechtsschutz im Dublin-Verfahren kann ausnahmsweise gegen Ausländerbehörde gerichtet werden:
1. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für Anordnung und Durchführung einer Abschiebung im Dublin-Verfahren gemäß § 34a AsylG beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF]. Diese umfasst die Prüfung inländischer Vollzugshindernisse (z.B. aus familiären oder gesundheitlichen Gründen) und zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse (z.B. wegen drohender unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Zielstaat entgegen Art. 3 EMRK). Den Ausländerbehörden, die Abschiebungen aufgrund der Dublin-III-VO in Amtshilfe für das BAMF durchführen, verbleibt insofern keine eigene Prüfungs- und Entscheidungskompetenz. Dementsprechend sind die Bundesländer als Rechtsträger der Ausländerbehörden grundsätzlich nicht taugliche Antragsgegnerin, wenn im Wege eines Eilverfahrens Vollzugs- oder Abschiebungshindernisse geltend gemacht werden. Entsprechende Anträge sind gegen das BAMF zu richten.
2. Die Ausländerbehörden bzw. ihr Rechtsträger können ausnahmsweise Antragsgegnerin sein, wenn sich der Eilrechtsschutzantrag auf die konkrete Ausgestaltung der von der Ausländerbehörde in Amtshilfe durchgeführten Abschiebung bezieht. Im Übrigen kann ein Eilantrag in Dublin-Verfahren ausnahmsweise dann gegen die Ausländerbehörde gerichtet werden, wenn andernfalls nicht sichergestellt ist, dass Eilrechtsschutz rechtzeitig erlangt werden kann. Das kann der Fall sein, wenn die Abschiebung bereits eingeleitet worden ist und nicht mehr gewährleistet werden kann, dass beim BAMF rechtzeitig eine zuständige und handlungsbefugte Person erreicht werden kann. Art. 19 Abs. 4 GG, die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, gebietet es dann, Eilrechtsschutz ausnahmsweise gegen die Ausländerbehörde zu richten.
3. In einem solchen Fall gilt auch der Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG nicht, sodass eine Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof möglich ist. Im Fall einer solchen Beschwerde gegen die Ausländerbehörde und auf Aussetzung einer Dublin-Abschiebung ist maßgeblicher Zeitpunkt dafür, ob ein entsprechender Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind, der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Im vorliegenden Fall sind zu diesem Zeitpunkt weder Anordnungsgrund noch -anspruch gegeben, sodass der Antrag abzulehnen ist.
(Leitsätze der Redaktion; unter Bezug auf: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 - asyl.net: M27132)
[...]
10 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaft. [...]
13 Bei einem gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Eilverfahren, in dem die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung im Rahmen des sog. "Dublin"-Verfahrens begehrt wird, ist eine asylrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 80 AsylG gegeben. Denn hierzu gehören Streitverfahren, in denen Gegenstand Entscheidungen des Bundesamts sind, die das Bundesamt in Wahrnehmung der ihm durch das Asylgesetz übertragenen Aufgaben getroffen hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.10.2020 - 12 S 2380/20 - juris Rn. 11 m.w.N.). Ob hingegen Maßnahmen oder Entscheidungen anderer Behörden ihre rechtliche Grundlage im Asylgesetz haben, ist nach dem Gefüge und dem Sinnzusammenhang der einzelnen Regelungen zu bestimmen. [...]
14 Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG greift auch dann nicht, wenn im Falle einer im Rahmen des "Dublin"-Verfahrens ergangenen Abschiebungsanordnung (§ 34a Abs. 1 AsylG) effektiver Eilrechtsschutz gegen eine drohende Abschiebung durch einen Antrag erreicht werden soll, der gegen den Rechtsträger der die Abschiebung vollziehenden Behörde gerichtet ist. Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, bestimmt sich in einem solchen Fall unmittelbar anhand von Art. 19 Abs. 4 GG und nicht nach Normen des Asylgesetzes.
15 2. Die Beschwerde des Antragsgegners hat auch in der Sache Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe sind geeignet, die Auffassung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, dass er bis zum Abschluss des Klageverfahrens - A 14 K 1138/23 - nicht abgeschoben werden dürfe. [...]
16 Nach diesen Maßstäben ist der angegriffene Beschluss zu ändern und der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen. Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. [...] Im Falle einer Beschwerde in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, das gegen den Träger der Ausländerbehörde und auf Aussetzung einer sog. "Dublin"-Überstellung gerichtet ist, ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgeblich. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch (a)) noch einen Anordnungsgrund (b)) glaubhaft gemacht.
17 a) Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm gegen den Antragsgegner ein Anordnungsanspruch zusteht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Nach § 34a Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylG liegt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG die Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung der Abschiebung eines Ausländers beim Bundesamt. Diese Zuständigkeit umfasst die Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG und diejenigen einer Abschiebung nach § 58 AufenthG vorliegen; ebenfalls umfasst ist die Prüfung, ob einer Abschiebung zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG oder inlandsbezogene Vollzugshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG entgegenstehen. Den Ausländerbehörden des Antragsgegners sind insoweit keine eigenen Prüfungs- und Entscheidungszuständigkeiten zugewiesen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe unterstützt zwar das Bundesamt in den Fällen des § 34a Abs. 1 AsylG bei der Durchführung von Abschiebungen. Es wird insofern aber nur im Wege der Amtshilfe (§§ 4 ff. VwVfG) tätig (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 - juris Rn. 8 f.).
18 In Konsequenz sind Rechtsstreitigkeiten, die in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG die oben angesprochenen Themen betreffen, für die nach § 34a Abs. 1 AsylG die alleinige Zuständigkeit beim Bundesamt liegt, gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin dieser Behörde zu führen. Dabei sind die speziellen prozessualen Regelungen in § 34a Abs. 2 AsylG und die einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts zu beachten. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe als Ausländerbehörde des Antragsgegners und auch dem Verwaltungsgericht in einem gegen den Antragsgegner gerichteten Verfahren nach § 123 VwGO ist die Prüfung der oben angesprochenen Themen hingegen entzogen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 - juris Rn. 10 f.).
19 Vor diesem Hintergrund lässt sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen das Land Baden-Württemberg als Träger der Ausländerbehörde nur sicherstellen, dass der Ausländer den auf die Abschiebungsanordnung oder die Durchführung der Abschiebung an sich bezogenen vorläufigen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich erreichen kann (vgl. - zum Folgeantrag - VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 27.09.2023 - 12 S 1121/23 - n.v. und vom 26.10.2020 - 12 S 2380/20 - juris Rn. 12). Es geht insofern also allein um die Sicherung des Verbleibs des Ausländers im Bundesgebiet für die Zeitspanne, die ihm nach dem Prozessrecht zur Inanspruchnahme effektiven Eilrechtsschutzes gegen die Bundesrepublik Deutschland eröffnet ist (vgl. zu diesem Gedanken VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.10.2020 - 12 S 2380/20 - juris Rn. 18), bzw. - im Falle des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG - um die vorläufige Aussetzung der Abschiebung bis zur gerichtlichen Entscheidung über einen gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ansonsten kann es in "Dublin"-Verfahren beim vorläufigen Rechtsschutz gegen den Träger der Ausländerbehörde nur darum gehen, Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der von der Ausländerbehörde im Wege der Amtshilfe für das Bundesamt durchzuführenden Abschiebung zu nehmen (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 - juris Rn. 13).
20 Im vorliegenden Fall wendet sich der Antragsteller nicht gegen die konkrete Ausgestaltung der Abschiebung. Folglich käme ein Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner nur dann in Betracht, wenn die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Bundesrepublik Deutschland zu spät käme, um die Überstellung des Antragstellers nach Kroatien abzuwenden. In Ausnahmefällen kann es die verfassungsrechtliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebieten, dem Träger der Amtshilfe leistenden Behörde auf Antrag durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die bereits eingeleitete Abschiebung zu stoppen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.02.2019 - 11 S 401/19 - juris Rn. 12). Allerdings wird ein solcher Ausnahmefall allenfalls dann in Erwägung gezogen werden können, wenn etwa gegenüber dem jeweiligen Antragsteller eine konkrete Abschiebungsmaßnahme begonnen worden ist und zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass beim Bundesamt ein insoweit zuständiger und vor allem im Außenverhältnis auch entsprechend handlungsbefugter Bediensteter erreichbar sein wird, der eine entsprechende gerichtliche Entscheidung umsetzen kann und auch wird (ausführlich hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.11.2018 - 12 S 2504/18 - juris Rn. 19 ff.).
21 Diese Voraussetzungen sind zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Beschwerde nicht erfüllt. Nachdem das Verwaltungsgericht die streitgegenständliche einstweilige Anordnung erlassen und die Überstellung des Antragstellers nach Kroatien vorläufig gestoppt hat, ist eine besondere Eilbedürftigkeit, die zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner rechtfertigen könnte, nicht gegeben. Seit Erlass des angegriffenen Beschlusses vor inzwischen über vier Monaten hatte der Antragsteller ausreichend Gelegenheit, um einstweiligen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland zu beantragen. Dass er offenbar versäumt hat, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids vom 08.03.2023 einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG), steht dem nicht entgegen. Insoweit bleibt es dem Antragsteller grundsätzlich unbenommen, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 60 VwGO) zu stellen. Sollten die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sein, erscheint auch die Stellung eines - gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten - Antrags nach § 123 VwGO nicht gänzlich ausgeschlossen [...]. Für die Nachsuchung um einstweiligen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland wird dem Antragsteller auch nach Änderung des angegriffenen Beschlusses durch den Senat, mit welcher die vorläufige Aussetzung der Abschiebung des Antragstellers entfällt, genügend Zeit verbleiben, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner bleibt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner den Antragsteller nach Erlass des vorliegenden Beschlusses in so kurzer Zeit nach Kroatien überstellen wird, dass der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nicht erreichen könnte.
22 Nachdem der Antragsteller schon der Sache nach keinen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner hat, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob das Verwaltungsgericht die Abschiebung des Antragstellers so lange aussetzen durfte, bis über dessen Klage im Hauptsacheverfahren entschieden wurde, oder ob nicht - wenn überhaupt - lediglich eine Aussetzung für diejenige Zeitspanne geboten gewesen wäre, die dem Antragsteller nach dem geltenden Prozessrecht eröffnet ist, Eilrechtsschutz gegen die Bundesrepublik Deutschland zu erwirken (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 26.10.2020 - 12 S 2380/20 - juris Rn.18 und vom 29.11.2018 - 12 S 2504/18 - juris Rn. 22). [...]
23 b) Mangels besonderer Eilbedürftigkeit fehlt es auch an einem Anordnungsgrund. [...]