VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 04.07.2023 - 5 B 107/23 - asyl.net: M31672
https://www.asyl.net/rsdb/m31672
Leitsatz:

Kein Eilrechtsschutz gegen Dublin-Bescheid hinsichtlich Italiens:

1. Es sind keine hinreichenden Gründe für die Annahme ersichtlich, dass das italienische Aufnahme- oder Asylverfahren systemische Mängel aufweist.

2. Auch wenn die italienischen Behörden ausweislich zweier Schreiben vom Dezember 2022 weiterhin die (Wieder-)Aufnahme Schutzsuchender ablehnen, steht gemäß § 34a Abs. 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

(Leitsätze der Redaktion; anderer Ansicht: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.06.2023 - 11 A 1132/22.A - asyl.net: M31640; VG Aachen, Beschluss vom 17.05.2023 - 9 L 379/23.A - asyl.net: M31624; VG Gera, Urteil vom 14.04.2023 - 2 K 1416/22 Ge - asyl.net: M31673; VG Hannover, Beschluss vom 24.03.2023 - 15 B 2125/23 - asyl.net: M31485; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.02.2023 - 8 K 3701/22.A (Asylmagazin 4/2023, S. 107 f.) - asyl.net: M31349; siehe auch: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 26.04.2023 - 10 LA 48/23 - asyl.net: M31487)

Schlagwörter: Italien, Dublinverfahren, internationaler Schutz in EU-Staat, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, systemische Mängel,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, VO 604/2013 Art 3. Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Nach summarischer Prüfung und der gebotenen Auswertung der aktuellen Erkenntnismittel ist nicht davon auszugehen, dass dem Antragsteller die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach dessen Überstellung nach Italien aufgrund systemischer Mängel im dortigen Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit droht. Hinreichende Gründe für eine derartige Annahme sind weder vom Antragsteller geltend gemacht worden noch sind diese in sonstiger Weise ersichtlich [...]. Insoweit nimmt die Einzelrichterin auch Bezug auf die Ausführungen der Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid, die sie im Ergebnis für zutreffend hält und denen sie folgt (§ 77 Abs. 3 AsylG).

Aus den Erkenntnismitteln ergibt sich, dass die Lage von aus Deutschland nach Italien zurückkehrenden Asylsuchenden und schutzberechtigten Personen insgesamt schwierig ist. [...]

Die Situation von Dublin-Rückkehrern nach Italien hängt von dem jeweiligen Stand ihres dortigen Asylverfahrens ab. Hat der Rückkehrer in Italien noch keinen Asylantrag gestellt, so kann er bei Rückkehr einen solchen stellen. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, wird er als illegaler Migrant betrachtet, erhält eine Wegweisungsentscheidung und kann auch in Schubhaft genommen werden. Entzieht sich der Asylantragssteller seinem Verfahren vor Durchführung eines Interviews, wird das Verfahren in Italien suspendiert. Das Asylverfahren wird fortgeführt, wenn der Asylantragsteller binnen eines Jahres zurückkehrt und einen neuen Interview-Termin beantragt. Hält er die Jahresfrist nicht ein, wird das Verfahren beendet und es kann ein Folgeantrag - gestützt auf neue Gründe - gestellt werden. [...]

Ferner steht im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG darf erst dann ergehen, wenn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. [...] Dass die Abschiebung des Antragstellers nicht durchgeführt werden kann, ist nicht ersichtlich [...]

Dass die italienischen Behörden ausweislich zweier Schreiben vom 5. und 7. Dezember 2022 eine (Wieder-)Aufnahme von Schutzsuchenden nach Maßgabe der Dublin III-VO unter Berufung auf "technische Gründe" und "fehlende Aufnahmekapazitäten" - "vorübergehend" -, wenn auch ohne Nennung eines konkreten Enddatums ablehnen sollen, führt zu keiner abweichenden Entscheidung. [...]