VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 23.06.2023 - 3 L 747/23 - asyl.net: M31660
https://www.asyl.net/rsdb/m31660
Leitsatz:

Eilrechtsschutz für besonders schutzbedürftige in Bulgarien anerkannte Person:

Die erheblichen gesundheitlichen Probleme sprechen dafür, dass es sich bei der Antragstellerin um eine besonders schutzbedürftige Person handelt. Sie wird daher ihre elementarsten Bedürfnisse in Bulgarien nicht befriedigen können, auch wenn ihr Bruder dort lebt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Anerkannte, Bulgarien, internationaler Schutz in EU-Staat, besonders schutzbedürftig, Vulnerabilität, Attest, Aufnahmerichtlinie,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, EMRK Art. 3, Grundrechte-Charta Art. 4, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

(2) Nach diesen Maßstäben, denen die saarländische Verwaltungsgerichtsbarkeit in ständiger Rechtsprechung folgt, droht der Antragstellerin bei einer Rückkehr nach Bulgarien aller Voraussicht nach eine gegen Art. 4 GRCh oder Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung.

Zwar ist nach der aktuellen Rechtsprechung der Kammer zu Verfahren den Drittstaat Bulgarien betreffend ein vom Willen eines arbeitsfähigen und gesunden (männlichen) Schutzberechtigten unabhängiger "Automatismus der Verelendung" bei einer Rückkehr nach Bulgarien nicht festzustellen.

Der jeweilige Schutzberechtigte muss aber gleichwohl grundsätzlich befähigt sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Bei vulnerablen Personen besteht daher ungeachtet der in den oben zitierten Entscheidungen der Kammer aufgezeigten Möglichkeiten in Bulgarien - abgesehen von Einzelfällen, in denen sie über ein eigenes Vermögen, verwandtschaftliche Beziehungen, auch und gerade in Bulgarien, Kenntnisse der bulgarischen Sprache und andere auf dem Arbeitsmarkt nützliche Eigenschaften verfügen - eine existenzbedrohende Gefahr.

Einzelfallbezogen bestehen daher nach alldem ernstliche Zweifel daran, dass die Antragstellerin im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, die elementarsten Bedürfnisse in Bezug auf Ernährung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen.

Die Antragstellerin hat erhebliche gesundheitliche Probleme geltend gemacht und durch Atteste auch durch ärztliche Atteste belegt. Liegen, wofür zum Zeitpunkt der Entscheidung alles spricht, die geltend gemachten Beeinträchtigungen vor, muss sie dem vulnerablen Personenkreis zugerechnet werden und droht ihr im Falle einer Rückführung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, obdachlos zu werden und/oder in eine existenzielle Notlage zu geraten, die sie nicht aus eigener Kraft wird abwenden können. Angesichts der Schwere der geltend gemachten Erkrankung ist auch der Verweis auf ihren noch in Bulgarien lebenden Bruder nicht hinreichend belastbar, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie mit dessen Hilfe in der Lage wäre, die elementarsten Bedürfnisse in Bezug auf Ernährung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen. [...]