Zulassung der Berufung wegen Verletzung rechtlichen Gehörs bei Ablehnung eines Beweisantrags:
Erachtet ein Gericht einen Beweisantrag trotz zur Begründung vorgelegter fachärztlicher Atteste, die eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) belegen, sowie grob vorgetragener Anknüpfungstatsachen für traumatische Erlebnisse für nicht ausreichend substantiiert, muss es der betroffenen Person Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme geben oder die behandelnden Ärzt*innen oder Psycholog*innen befragen, bevor es über den Beweisantrag entscheidet.
(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2020 - 12 N 144.19 (Asylmagazin 10-11/2020, S. 381 f.) - asyl.net: M28869)
[...]
1 Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Sein Vorbringen, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 78 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 1 AsylG), ergibt, dass der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels in Gestalt der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 VwGO) vorliegt.
2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gebietet die Berücksichtigung von Beweisanträgen, die sich auf Tatsachen beziehen, welche nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich sind. Die Ablehnung oder Nichtberücksichtigung solcher Anträge verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht objektiv keine Stütze findet [...]. Dies ist hier der Fall.
3 Indem das Verwaltungsgericht den Beweisantrag des Klägers mit Beschluss vom 15. Juli 2020 abgelehnt hat, hat es die in § 60 Abs. 7 Satz 2, § 60a Abs. 2c AufenthG geregelten Anforderungen überspannt. Der Kläger hatte dem Verwaltungsgericht drei ausführliche fachärztliche Arztbriefe vom ... 2020, ... 2020 und vom ... 2020 vorgelegt, wonach er an einer PTBS leide und Suizidgefahr bestehe, wenn er nach Côte d'Ivoire zurückgeführt werden würde. Der Antragsteller hatte auch grob Anknüpfungstatsachen für traumatische Erlebnisse im Heimatland und auf der Flucht angeführt, indem er auf Bedrohungen und Misshandlungen seiner Stiefmutter sowie Ereignisse im Libyen verwiesen hat. Wenn das Verwaltungsgericht diese für nicht ausreichend substantiiert erachtet, hätte es hierzu dem Kläger Gelegenheit zu ergänzender Stellungnahme geben oder die behandelnden Ärzte oder Psychologen befragen müssen, bevor es über den Beweisantrag entscheidet. [...]