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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - XIII ZB 5/20 - asyl.net: M31165
https://www.asyl.net/rsdb/m31165
Leitsatz:

Haftbeschluss kann Haft bis maximal sechs Tage nach geplantem Abschiebungstermin vorsehen:

Den beteiligten Behörden darf für etwaige Verzögerungen ein zeitlicher Puffer von sechs Tagen über das geplante Abschiebedatum hinaus eingeräumt werden. Soweit Haft mit einem weitergehenden Zeitaufschlag angeordnet wird, stellt sie sich jedoch als unzulässige Vorratshaft dar.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftdauer, Haftbeschluss, Zeitaufschlag, Zeitpuffer, Abschiebungsdatum
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4, GG Art. 20 Abs. 3, GG Art. 104 Abs. 1, GG Art. 104 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

[...]

b) Die Haftanordnung stellt sich aber für den Zeitraum ab dem 16. Januar 2020 als rechtswidrig dar, weil die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen insoweit eine Inhaftierung des Betroffenen nicht tragen.

aa) Die Haftgerichte sind nach Art. 20 Abs. 3 und Art. 104 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich und nach § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. [...]

bb) Der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt hätte lediglich eine Haftanordnung bis zum 15. Januar 2020 gerechtfertigt. Nach den Angaben im Haftantrag ging die beteiligte Behörde aufgrund der Auskunft der Zentralen Abschiebestelle beim Thüringer Landesverwaltungsamt davon aus, dass eine Abschiebung des Betroffenen nach Albanien am 9. Januar 2020 zwar mangels konkreter Buchungsbestätigung nicht sicher, aber möglich sei. Die Beantragung von Haft nach diesem Datum bis einschließlich 4. Februar 2020 hat sie damit begründet, dass der für den 9. Januar 2019 geplante unbegleitete Flug möglicherweise wegen einer Weigerung des Betroffenen, das Flugzeug zu betreten, scheitern könnte. Damit ging die beteiligte Behörde zunächst davon aus, dass eine unbegleitete Abschiebung durchgeführt werden könnte. Vor diesem Hintergrund musste das Amtsgericht die Haft zwar nicht auf den 9. Januar 2020 begrenzen; es durfte der beteiligten Behörde vielmehr noch einen zeitlichen Puffer für allfällige Verzögerungen bis zum 15. Januar 2020 einräumen. Für einen weitergehen den Zeitaufschlag bietet der festgestellte Sachverhalt jedoch keine Grundlage, sodass sich die angeordnete Haft ab dem 16. Januar 2020 als unzulässige Vorratshaft darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, NVwZ 2017, 733 [Ls.] = juris Rn. 13 mwN; vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 85/19, juris Rn. 20). [...]