VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 21.02.2022 - 33 K 258/21 A - asyl.net: M30596
https://www.asyl.net/rsdb/m30596
Leitsatz:

Ausbildungsduldung steht Abschiebungsanordnung im Dublin-Verfahren entgegen:

Bei der Frage, ob "feststeht", dass eine Abschiebung gemäß § 34a Abs. 1 S, 1 AsylG durchgeführt werden kann, sind auch Duldungsgründe zu prüfen. Die Durchführbarkeit der Abschiebung steht bereits dann nicht mehr fest, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG besteht. Eine Abschiebungsanordnung ist dann rechtswidrig.

(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Freiburg, Urteil vom 19.05.2021 - A 14 K 173/20 - asyl.net: M29704; Anmerkung: Das Gericht befasst sich nicht erkennbar mit der Frage, ob die Einleitung des Dublin-Verfahrens der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegensteht, § 60c Abs. 2 Nr. 5 Bst. e) AufenthG)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Abschiebungsanordnung, Dublinverfahren, Duldung, Unzulässigkeit,
Normen: AufenthG § 60c Abs. 1 S. 1, AufenthG § 60c Abs. 2 Nr. 5, AsylG § 34a Abs. 1 S. 1, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

1. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn das Bundesamt hat zu Unrecht das Vorliegen von (inlandsbezogenen) Abschiebungshindernissen verneint.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Durchführbarkeit einer Abschiebung i.S.v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG "feststeht'', sind auch Duldungsgründe zu prüfen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 12. März 2021 - 2 B 360/20 - juris Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 11 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6. 12 - juris Rn. 4). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 - juris Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4).

Es steht bereits dann nicht mehr fest, dass eine Abschiebung durchgeführt werden kann, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG besteht, ohne dass eine solche bereits erteilt sein muss (VG Freiburg, Urteil vom 19. Mai 2021 - A14 K 173/20 - juris Rn, 35 ff.). Eine Ausbildungsduldung kann auch dann erteilt werden, wenn das Bundesamt den Asylantrag bestandskräftig als unzulässig ablehnt, ohne dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung gegeben sind (VG Freiburg, Urteil vom 19. Mai 2021, a.a.O., juris Rn. 42). Entscheidend ist insoweit nur, dass die Aufenthaltsgestattung entfällt und damit die Ausreisepflicht vollziehbar eintritt. Das ist nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG, § 50 Abs. 1 AufenthG auch der Fall, wenn Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids - hier infolge der teilweisen Klagerücknahme - aufrechterhalten bleibt und damit die Ablehnung des Asylantrags (als unzulässig) bestandskräftig wird.

Nach diesen Maßgaben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht (mehr) vor. Denn die Klägerin hat nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung. [...]