Haftung aus Verpflichtungserklärung endet mit Ausreise aus dem Bundesgebiet:
1. Die Haftung aus einer Verpflichtungserklärung "bis zur Beendigung des Aufenthalts" ist regelmäßig so auszulegen, dass die Haftung auch dann endet, wenn die begünstigte Person sich nach der Ausreise weiter im Schengen-Raum aufhält und anschließend wieder in das Bundesgebiet einreist.
2. Etwaige Unklarheiten einer per Formular abgegebenen Verpflichtungserklärung sind zu Lasten der das Formular nutzenden Behörde auszulegen.
(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Saarland, Urteil vom 12.01.2022 - 6 K 1073/19 - asyl.net: M30375)
[...]
b) Nach diesem Maßstab ist die Berufung des Klägers zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil tragend auf die Annahme gestützt, dass die Behauptung der durch die Verpflichtungserklärung des Klägers Begünstigten, sie sei noch am Tag ihrer Ankunft im Bundesgebiet in die ... weitergereist, um dort ein Asylverfahren zu betreiben, in der Verwaltungsrechtssache des Klägers keiner abschließenden Klärung bedürfe. Selbst wenn eine solche Ausreise der Begünstigten in die ... erfolgt ist, wäre nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die Haftung des Klägers aus der von ihm für die Begünstigte abgegebenen Verpflichtungserklärung nicht entfallen. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung hafte er vielmehr nach Maßgabe der §§ 68, 68a AufenthG während des gesamten durch ihn ermöglichten Aufenthalts der Begünstigten im Schengen-Raum für deren in Deutschland aus öffentlichen Haushalten gedeckte Lebenshaltungskosten.
Der Kläger hält dem unter anderem entgegen, dass er aufgrund der von ihm gegenüber der Stadt ... am 18. April 2016 abgegebenen Verpflichtungserklärung nur für Kosten einzustehen habe, die öffentlichen Haushalten in Deutschland "bis zur Beendigung des Aufenthalts" der Begünstigten im Bundesgebiet entstanden seien. Die Verpflichtungserklärung erstrecke sich aber nicht auf Kosten, die erst nach der Ausreise der Begünstigten in ... und im Nachgang zu ihrer - mehrere Monate später erfolgten - illegalen Wiedereinreise in das Bundesgebiet angefallen seien.
Mit dieser Argumentation hat der Kläger die Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses schlüssig in Frage gestellt. [...]
Ob und in welchem Umfang eine Person eine solche Verpflichtung übernommen hat, ist - worauf das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zu Recht hinweist - in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung der Verpflichtungserklärung zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 33.97 - juris Rn. 29, 34; OVG B.-Bbg., Urteil vom 19.01.2021 - OVG 3 B 8/20 - juris Rn. 33). Dem Verwaltungsgericht ist auch zuzustimmen, wenn es darauf hinweist, dass etwaige Unklarheiten des dem Kläger durch die Stadt ... vorgegebenen Formulars der Verpflichtungserklärung zu Lasten des Verwenders des Formulars sowie derjenigen Behörde gehen, die sich auf die eingegangene Verpflichtung beruft (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.03.2021 - 11 S 2083/19 - nv und Urteil vom 12.07.2017 - 11 S 2338/16 - juris Rn. 28; OVG B.-Bbg., Urteile vom 19.01.2021 - OVG 3 B 8/20 - juris Rn. 33 und vom 04.11.2020 - OVG 3 B 25/20 - juris Rn. 30; Bay. VGH, Beschluss vom 26.08.2020 - 10 ZB 20.1516 - juris Rn. 9; Nieders. OVG, Urteil vom 11.02.2019 - 13 LB 435/18 - juris Rn. 28).
Aus Sicht des beschließenden Senats sprechen gute Gründe für die Annahme, dass der im hier verwendeten Formular zur Festlegung der "Dauer der Verpflichtung" gewählte Begriff "bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/ in" unklar im oben genannten Sinne und daher in einer für den Kläger günstigen Weise auszulegen ist. Denn im Formular bleibt letztlich offen, ob es hier um den Aufenthalt der Begünstigten im Bundesgebiet oder um denjenigen im Schengen-Raum geht. Entsprechende Präzisierungen sind weder dem Formular selbst noch - soweit derzeit nach Aktenlage ersichtlich - einem der Verpflichtungserklärung beigefügten Belehrungsbogen zu entnehmen. Nach den Angaben der vom Verwaltungsgericht als Zeugin vernommenen Ehefrau des Klägers ist hierzu auch keine mündliche Erläuterung durch Bedienstete der Stadt ... erfolgt (vgl. AS 141 der Akte des Verwaltungsgerichts). Trifft dies aber zu, so dürfte es für den Kläger - als einer mit Fragen des Aufenthaltsrechts vermutlich nicht näher befassten Person - jedenfalls nicht nahegelegen haben, dass die im Formular verwendete Formulierung "Beendigung des Aufenthalts" den Aufenthalt der Begünstigten im gesamten Schengen-Raum betreffen könnte. Dies umso mehr, als zwischen den Beteiligten wohl derzeit unstreitig ist, dass der Kläger im Zeitpunkt der Eingehung der Verpflichtung einen ganz bestimmten, allein auf das Bundesgebiet bezogenen Aufenthaltszweck der Begünstigten im Blick hatte ("Krankenbehandlung"). [...]