Keine subjektiven Rechte nach dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge:
"1. Der Übergang der Verantwortung gemäß Art. 2 Abs. 3 i.V.m.Art. 4 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung der Flüchtlinge (juris: FlüVÜbK) hindert die Abschiebung in den Staat, der den Flüchtling anerkannt hat, nicht, wenn dieser Staat trotz des Verantwortungsübergangs seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Flüchtlings erklärt (Rn. 16).
2. Das Übereinkommen selbst beinhaltet keine aufenthaltsrechtlichen Anspruchsgrundlagen (Rn. 6).
3. Das Übereinkommen hindert den Staat der Flüchtlingsanerkennung im Fall eines Verantwortungsübergangs nicht daran, durch die Erklärung seiner Bereitschaft zur Wiederaufnahme des von ihm anerkannten Flüchtlings erneut in eine verantwortliche Stellung nach dem Übereinkommen einzutreten (Rn. 15).
4. Ein subjektives Recht des in einem anderen Staat anerkannten Flüchtlings auf einen unveränderlichen Fortbestand der fiktiv gemäß Art. 2 Abs. 3, Art 4 des Übereinkommens auf den sog. Zweitstaat übergegangenen Verantwortung - mit entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Folgen - vermittelt das Übereinkommen nicht (Rn. 17)."
(Amtliche Leitsätze; anschließend an OVG Niedersachsen, Beschluss vom 02.08.2018 - 8 ME 42/18 - asyl.net: M26669)
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1 Der Antrag des Antragstellers, der darauf abzielt, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, ihm gegenüber aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen, ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. [...]
4 Allerdings fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch. Es besteht keine Notwendigkeit, dem Antragsteller durch eine einstweilige Anordnung den vorübergehenden weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland bis zu Klärung seiner ausländerrechtlichen Situation zu ermöglichen. Ihm steht keine sicherungsbedürftige Rechtsposition zur Seite. Es ist nicht erkennbar oder glaubhaft gemacht, dass die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist oder ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen wäre und er deshalb die Aussetzung seiner Abschiebung nach Dänemark beanspruchen könnte.
5 Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht ihm kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980 i.V.m. Art. 1 des Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 30.9.1994 (Bundesgesetzblatt II S. 2645 ff.) - im Folgenden: EÜÜVF - zu.
6,7 Zunächst beinhaltet dieses Regelwerk, das ausweislich seines in der Präambel zum Ausdruck gebrachten Ziels, nämlich die Anwendung von Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention und der §§ 6 und 11 des Anhangs zur Genfer Flüchtlingskonvention zu erleichtern, maßgeblich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten des Übereinkommens für die Erteilung eines Reiseausweises für einen anerkannten Flüchtling regelt, selbst keine aufenthaltsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. [...]
Allein aufgrund der nationalrechtlichen Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 3. Alt. AufenthG kommt der ausländischen Flüchtlingsanerkennung insoweit eine begrenzte Bindungswirkung zu, als aus ihr automatisch ein von der Bundesrepublik Deutschland zu beachtendes gesetzliches Abschiebungsverbot in den Verfolgerstaat folgt. [...]
14 Mit Blick auf § 25 Abs. 5 AufenthG ergibt sich dies schon daraus, dass mit der Übernahmebereitschaft Dänemarks die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift, nämlich dass die Ausreise des Antragstellers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, nicht erfüllt sind.
15 Auch für eine erweiternde Anwendung des § 25 Abs. 2 AufenthG besteht vorliegend angesichts dessen keine Notwendigkeit, dass ein anderer nach dem EÜÜVF verantwortlicher Staat, nämlich Dänemark, seine Bereitschaft erklärt hat, den Antragsteller wiederaufzunehmen. Dies gilt ungeachtet dessen, ob die Verantwortung für den Antragsteller zwischenzeitlich auf Deutschland übergegangen war oder nicht bzw. ob die Bundesrepublik Deutschland womöglich neben Dänemark verantwortlich nach dem EÜÜVF ist.
16 Allerdings gilt nach Art. 2 Abs. 3 EÜÜVF die Verantwortung für einen in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannten Ausländer als übergegangen, wenn die Wiederaufnahme des Flüchtlings durch den Staat der Flüchtlingsanerkennung (sog. Erststaat) nicht mehr gemäß Art. 4 EÜÜVF verlangt werden kann. [...]
17,18 Eine Rechtsverletzung des betroffenen Flüchtlings ist hiermit nicht verbunden. Mit Blick auf die Qualität des Übereinkommens als völkerrechtlicher Vertrag, der als solcher regelmäßig nur Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten untereinander festlegt, in der Regel keine direkte Anwendung zeitigt und - folgerichtig - keine subjektiven Rechte für die Einzelperson begründet, vermag das Gericht die Ansicht des Antragstellers nicht zu teilen, dass mit dem Verantwortungsübergang nach dem EÜÜVF automatisch ein subjektives Recht auf den unveränderlichen Fortbestand der übergegangenen Verantwortung - mit entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Folgen - verbunden ist.
19 Da nach alldem eine mit dem EÜÜVF verbundene aufenthaltsrechtliche Position des Antragstellers nicht in Betracht kommt, kann dahinstehen, ob vorliegend ein Verantwortungsübergang nach Art. 2 Abs. 3, 4 Abs. 1 EÜÜVF überhaupt eingetreten ist. [...]