VG Aachen

Merkliste
Zitieren als:
VG Aachen, Beschluss vom 29.09.2021 - 8 L 305/21 - asyl.net: M30125
https://www.asyl.net/rsdb/m30125
Leitsatz:

Zum Umfang der Belehrungspflicht bei Erteilung einer "Duldung light":

1. Die Erteilung einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität nach § 60b AufenthG setzt voraus, dass die Verletzung der Mitwirkungspflicht kausal für die Unmöglichkeit der Abschiebung ist und nicht weitere - vom Verhalten der Person unabhängige - Abschiebungshindernisse vorliegen (vorliegend bejaht; anschließend an OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.06.2021 - 13 ME 587/20 (Asylmagazin 7-8/2021, S. 297 ff.) - asyl.net: M29697).

2. Nach § 60b Abs. 3 S. 2 AufenthG ist die betroffene Person über ihre Mitwirkungspflichten zu belehren. Hierbei ist es nicht ausreichend, allgemein auf die Pflichten zu verweisen oder den Gesetzeswortlauf wiederzugeben. Zugleich ist es nicht notwendig, dass die Behörde den Pflichtenkatalog vollständig und detailliert konkretisiert oder die Person hinsichtlich der Verwaltungsverfahren anderer Staaten berät.

3. Die Belehrung kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Jedenfalls eine schriftliche Belehrung kann auch dann auf Deutsch erfolgen, wenn die betroffene Person nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügt.

4. Die Belehrung muss spätestens im Rahmen der vorgeschriebenen Anhörung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz erfolgen. Zudem muss eine angemessene Frist zum Nachweis der Erfüllung der Pflichten gesetzt werden, bevor eine Duldung nach § 60b AufenthG erteilt werden kann.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Duldung für Personen mit ungeklärter Identität, Arbeitserlaubnis, Ausländerbehörde, Mitwirkungspflicht, Passbeschaffung, Belehrung, Übersetzung, Amtssprache, Anhörung, Frist, Kausalität, Hinweispflicht, Beschäftigungserlaubnis,
Normen: AufenthG § 60b Abs. 3 S. 2, AufenthG § 77, RL 2008/115/EG Art. 12 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

bb) Auch liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Beifügung des Zusatzes nach § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor. [...]

Denn der Antragsteller nimmt jedenfalls im Sinne des § 60b Abs. 1 Alt. 2 AufenthG aktuell nicht alle zumutbaren Handlungen zur Erfüllung der besonderen Passbeschaffungspflicht nach § 60b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG vor und verhindert dadurch (kausal) seine Abschiebung. [...]

In beiden Alternativen des § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG kommt es - wie bei § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG, an den die Regelung angelehnt ist - zudem nur auf aktuell-kausal die Abschiebung hindernde Verhaltensweisen bzw. Unterlassungen des Ausländers an. Versäumnisse allein aus der Vergangenheit sind hingegen nicht relevant. An der Kausalität eines positiven Tuns oder Unterlassens des Ausländers für "das Abschiebungshindernis" fehlt es schon dann, wenn neben dem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis "Passlosigkeit" noch selbständige andere Duldungsgründe (z.B. familiärer, gesundheitlicher oder sonstiger Art) eingreifen, auf deren Bestehen ein in § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG genanntes Verhalten oder Unterlassen nicht von Einfluss und aufgrund derer ohnehin eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen ist. In derartigen Fällen besteht kein Raum für den Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG, weil der damit beabsichtigte Druck auf den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, im Interesse seiner Aufenthaltsbeendigung durch Aufgabe einer Identitäts- oder Staatsangehörigkeitstäuschung oder durch Vornahme von Mitwirkungshandlungen die Beschaffung von Rückreisedokumenten zu ermöglichen, jeden Sinn verlöre. An der Kausalität zwischen dem Verhalten des Ausländers (im Sinne unterlassener Mitwirkungshandlungen) und dem Misserfolg der behördlichen Aufenthaltsbeendigung (durch Abschiebung) fehlt es ferner bei solchen Handlungen, die von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind (vgl. m.w.N.: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 9. Juni 2021 - 13 ME 587/20 -, juris, Rn. 59). [...]

(b) Auch hat die Antragsgegnerin den nach § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG erforderlichen Hinweis ordnungsgemäß erteilt.

Vorgaben zum Umfang der Hinweispflicht enthält die Vorschrift nicht. Ausgehend von ihrer Zweckrichtung - den Ausländer zur Erfüllung seiner besonderen Passbeschaffungspflicht nach § 60b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu bewegen (vgl. AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.1), muss aber für den Ausländer jedenfalls hinreichend erkennbar werden, welche konkreten Handlungspflichten von ihm eingefordert werden (vgl. ebenso: Sächsisches OVG, Beschluss vom 3. Juni 2021 - 3 B 164/21 -, juris, Rn. 11; AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11 Ergänzung; Eichler/Mantel, in: Huber/Mantel: AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 60b AufenthG, Rn. 15; Funke-Kaiser, in: Berlit, GK-AufenthG, 109. Lfg., § 60b Rn. 25; vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 28. Mai 2020 - 9 L 134/20 -, juris, Rn. 17).

Die Rechtsprechung zu § 104a AufenthG und § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG, wonach die Ausländerbehörde gesetzliche Mitwirkungspflichten zur Beschaffung von Identitätspapieren (§ 48 Abs. 3 AufenthG) konkret gegenüber dem Betroffenen aktualisiert haben muss, um aus der mangelnden Mitwirkung negative aufenthaltsrechtliche Folgen ziehen zu können (vgl. zu § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG: BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 18/09 -, juris, Rn. 17 f.; vgl. zu § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. November 2019 - OVG 3 S 111.19 -, juris, Rn. 5 m.w.N.), ist insofern grundsätzlich übertragbar (vgl. so im Ergebnis auch Sächsisches OVG, Beschluss vom 3. Juni 2021 - 3 B 164/21 -, juris, Rn. 11; VG Aachen, Beschluss vom 10. November 2020 - 4 L 660/20 -, juris, Rn. 31).

Demnach genügt ein allgemeiner Verweis auf die Mitwirkungspflichten zur Passbeschaffung ebenso wenig wie eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (vgl. ebenso: Sächsisches OVG, Beschluss vom 3. Juni 2021 - 3 B 164/21 -, juris, Rn. 11; Eichler/Mantel, in: Huber/Mantel: AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 60b AufenthG, Rn. 15; Funke-Kaiser, in: Berlit, GK-AufenthG, 109. Lfg., § 60b Rn. 25).

Andererseits ist es die ureigene Angelegenheit eines Ausländers, seine Identität aufzuklären und sich bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapiers zu bemühen. Der Besitz eines gültigen Passes zählt zu den Obliegenheiten eines Ausländers (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG). Jener ist ferner Regelvoraussetzung für die Erteilung eines jeden Aufenthaltstitels (vgl. § 5 Abs. 1 AufenthG). Zudem verdeutlicht bereits § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass ein Ausländer bei der Beschaffung von Identitätspapieren alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen hat. Diese müssen sich neben dem Bemühen um einen Pass oder Passersatz auch auf die Beschaffung sonstiger Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller richten, sofern sie zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörde bei der Geltendmachung und Durchsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. Deshalb hat ein ausreisepflichtiger Ausländer alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die zur Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapiers, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten (vgl. in ständiger Rechtsprechung: OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2008 - 18 E 471/08 -, juris, Rn. 5 ff.; vgl. auch: VG Aachen, Urteil vom 25. Oktober 2016 - 8 K 745/14 -, juris, Rn. 21).

In Anbetracht dessen dürfen die Anforderungen an die Hinweispflicht des § 60 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch nicht überspannt werden (vgl. ebenso: AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.1; Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2021, § 60b AufenthG Rn. 62).

Es ist daher insbesondere nicht erforderlich, dass die Ausländerbehörde den Pflichtenkatalog des § 60b Abs. 3 Satz 1 AufenthG gänzlich und detailliert dem Ausländer gegenüber konkretisiert (vgl. auch: AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.3).

Einer näheren Konkretisierung wird es zudem dann nicht bedürfen, wenn sich dem Ausländer wegen der Umstände des Einzelfalls ein bestimmtes Verhalten bereits aufdrängen muss oder für ihn anhand dieser schon hinreichend erkennbar ist, was er konkret zu unternehmen hat (vgl. insoweit auch: Sächsisches OVG, Beschluss vom 3. Juni 2021 - 3 B 164/21 -, juris, Rn. 11).

Ferner ist die Ausländerbehörde namentlich nicht dazu verpflichtet, den Ausländer hinsichtlich der Verwaltungsverfahren anderer Staaten zu beraten (vgl. AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.5; vgl. auch: Kluth, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 30. Ed., § 60b AufenthG Rn. 36).

Es obliegt vielmehr auch im Rahmen des § 60b Abs. 1 AufenthG dem Ausländer, sich über die Formerfordernisse und Voraussetzungen der Ausstellung eines Passes oder Passersatzes selbst zu erkundigen (vgl. AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.5; Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2021, § 60b AufenthG Rn. 62). Zur Form des Hinweises verhält sich § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG ebenso wenig. Da die Vorschrift auch nicht unter den Katalog des § 77 Abs. 1 AufenthG (Schriftformerfordernis für bestimmte Verwaltungsakte) fällt, ist die Belehrung formlos möglich und kann damit grundsätzlich auch mündlich erfolgen (vgl. ebenso: AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.7; Eichler/Mantel, in: Huber/Mantel: AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 60b AufenthG, Rn. 15; vgl. auch entsprechend zum Anhörungserfordernis des § 28 VwVfG: OVG NRW,  Beschluss vom 17. September 2020 - 2 B 990/20 -, juris, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16/11 -, juris, Rn. 15).

Im Hinblick auf eine rechtssichere Dokumentation erscheint die Schriftform oder zumindest ein Vermerk als sachdienlich (vgl. ebenso: AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.7).

Eine Übersetzung des Hinweises in eine dem Ausländer verständige Sprache (etwa Muttersprache) ist nicht erforderlich, insbesondere auch dann nicht, wenn der Ausländer nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügt.

Nach der allgemeinen Regelung des § 23 Abs. 1 VwVfG NRW ist die Amtssprache im Verwaltungsverfahren deutsch. Es bestehen keine normativen Anknüpfungspunkte dafür, dass die Ausländerbehörde im Rahmen des § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG die Belehrung darüber hinaus auch in einer anderen, dem Ausländer verständigen Sprache vorzunehmen hat.

Schon der Wortlaut des § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG enthält hierfür keinen Anhaltspunkt.

Auch ist § 77 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht einschlägig. Hiernach ist einem Ausländer auf Antrag eine Übersetzung der Entscheidungsformel des Verwaltungsaktes, mit dem der Aufenthaltstitel versagt oder mit dem der Aufenthaltstitel zum Erlöschen gebracht oder mit dem eine Befristungsentscheidung nach § 11 AufenthG getroffen wird, und der Rechtsbehelfsbelehrung kostenfrei in einer Sprache zur Verfügung zu stellen, die der Ausländer versteht oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Bei § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG handelt es sich nicht um eine Entscheidung im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, sondern um einen sonstigen verfahrensbegleitenden Hinweis (vgl. auch: Funke-Kaiser, in: Berlit, GK-AufenthG, 109. Lfg., § 60b Rn. 26).

Vielmehr zeigt sich in systematischer Hinsicht an § 77 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und zudem an § 24 Abs. 7 AufenthG, wonach ein Ausländer über die mit dem vorübergehenden Schutz verbundenen Rechte und  Pflichten schriftlich in einer ihm verständlichen Sprache unterrichtet wird, und die auf unionsrechtliche Vorgaben zurückgehen (Richtlinie 2001/51/EG und Richtlinie 2008/115/EG), dass das Aufenthaltsrecht eine Pflicht zur Übersetzung von Belehrungen in eine andere Sprache grundsätzlich nicht kennt. Allein im Rahmen des § 24 Abs. 7 AufenthG hat von Amts wegen eine Übersetzung zu erfolgen, sollte der Ausländer nicht über entsprechende Deutschkenntnisse verfügen. Dagegen erfolgt eine Übersetzung nach § 77 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und damit insbesondere auch bei einer weitreichenden Entscheidung wie der Ausweisung, die zur Beendigung des legalen Aufenthalts führt (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), nur auf Antrag des Betroffenen. Dies korrespondiert auch mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 58 VwGO, wonach ein Ausländer keinen Anspruch darauf hat, dass ihm eine Rechtsbehelfsbelehrung in seiner Heimatsprache erteilt wird (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 C 6/18 -, juris, Rn. 21 m.w.N.).

Der Sinn und Zweck des § 60b Abs. 3 Satz 1 AufenthG gebietet keine andere Bewertung. Zwar muss ein Ausländer den Hinweis verstehen, um den von ihm geforderten Handlungen nachkommen zu können, sodass eine Übersetzung bei einem der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Ausländer zweckmäßig erscheint (vgl. ebenso: AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.9; Funke-Kaiser, in: Berlit, GK-AufenthG, 109. Lfg., § 60b Rn. 26; Eichler/Mantel, in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 60b AufenthG Rn. 15).

Eine Rechtspflicht zur Übersetzung folgt daraus aber nicht. Denn von einem Ausländer kann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich im Rahmen der ihn treffenden Sorgfaltspflichten ggf. selbst an einen Dolmetscher und/oder einen Rechtsanwalt wendet, um sich innerhalb angemessener Frist Gewissheit über den genauen Inhalt der Belehrung zu verschaffen, um seine Angelegenheiten hinreichend besorgen zu können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. April 1976 - 2 BvR 728/75 -, Rn. 17 und vom 2. Juni 1992 - 2 BvR 1401/91 -, juris, Rn. 20; BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1993 - 1 B 177/93 -, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2016 - 4 B 891/15 -, juris, Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 25. Mai 2021 - 10 CS 21.1350 -, juris, Rn. 15).

Allenfalls bei einer ausschließlich mündlich erfolgten Belehrung, über deren genauen Inhalt sich der Ausländer naturgemäß im Nachhinein keine Gewissheit mehr verschaffen kann, kann demnach die Hinzuziehung eines Dolmetschers rechtlich geboten sein.

Diese Auslegung steht schließlich auch im Einklang mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie). Auch diese trifft in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 und Abs. 2, dessen Umsetzung § 77 Abs. 3 AufenthG dient, lediglich in Bezug auf Rückkehrentscheidungen und Entscheidungen über ein Einreiseverbot - und damit nicht im Falle sonstiger verfahrensbegleitende Hinweise wie hier (vgl. so auch: Funke-Kaiser, in: Berlit, GK-AufenthG, 109. Lfg., § 60b Rn. 26) eine Regelung zur sprachlichen Abfassung und sieht auch dabei nur vor, dass auf Wunsch eine schriftliche oder mündliche Übersetzung der wichtigsten Elemente einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung in die Sprache, die die Ausländer und Ausländerinnen verstehen oder bei der die Ausländerbehörde vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass sie verstanden wird, zu erfolgen hat.

In zeitlicher Hinsicht muss der Hinweis spätestens im Rahmen der Anhörung nach § 28 VwVfG NRW erteilt werden. Dem Ausländer muss zunächst eine angemessene Frist zum Nachweis der Erfüllung der besonderen Passbeschaffungspflicht gesetzt werden, bevor ihm eine etwaige Pflichtverletzung entgegenhalten und aufgrund dessen eine Duldung nach § 60b AufenthG erteilt werden kann (vgl. ebenso: AH-§ 60b AufenthG, Rn. 11.8, 11.11; Eichler/Mantel, in: Huber/Mantel: AufenthG/AsylG, 3. Auflage 2021, § 60b AufenthG, Rn. 15; Funke-Kaiser, in: Berlit, GK-AufenthG, 109. Lfg., § 60b Rn. 25; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 7. Auflage 2020, § 7 Rn. 403; vgl. auch VG Cottbus, Beschluss vom 28. Mai 2020 - 9 L 134/20 -, juris, Rn. 17).

Ausgehend von diesen Maßstäben wurde der Antragsteller von der Antragsgegnerin ordnungsgemäß über die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten zur Passbeschaffung im Sinne des § 60 Abs. 3 Satz 2 AufenthG belehrt. [...]

Denn jedenfalls hat die Antragsgegnerin über die erstmalige Belehrung am 16. Februar 2021 hinaus den Antragsteller am 2. Juni 2021 konkret bezüglich der Duldung nach § 60b Abs. 1 AufenthG vom 7. September 2021 hinreichend belehrt und ihm dabei eine angemessene Frist von drei Monaten (bis zum 1. September 2021) zum Nachweis der Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten gesetzt.

Zwar kann diesbezüglich nicht (allein) auf die im Rahmen der Vorsprache am 2. Juni 2021 dem Antragsteller sowohl in deutscher als auch in arabischer Sprache ausgehändigten "Belehrung nach § 60b AufenthG" abgestellt werden, da diese lediglich den Pflichtenkatalog des § 60b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG in anderen Worten allgemein wiedergibt ohne anzugeben, welche konkreten Handlungen dem Antragsteller in dessen Einzelfall abverlangt werden. Jedoch dürfte die im Begleitschreiben vom 2. Juni 2021 enthaltene Aufforderung an den Antragsteller, alle für die Passbeschaffung notwendigen Unterlagen zu beschaffen und hierzu ggf. auch einen Vertrauensanwalt in seinem Heimatland zu beauftragen, zur Aktualisierung der besonderen Passbeschaffungspflicht ausreichen.

Jedenfalls aber war für den Antragsteller bereits insgesamt hinreichend erkennbar, welche ganz konkreten Handlungspflichten von ihm eingefordert werden. Zum einen ist es nach den vorstehenden Maßstäben nicht Aufgabe der Ausländerbehörde, in Erfahrung zu bringen, welche Unterlagen die jeweilige Auslandsvertretung des Heimatlandes des Ausländers für die Beantragung eines Passes verlangt. Dies fällt vielmehr in die Verantwortungssphäre des Ausländers, um seiner ureigenen Angelegenheit zur Beschaffung eines Passes nachzukommen. Dies gilt erst recht, wenn der Ausländer - wie hier - bereits zum Zeitpunkt des Hinweises anwaltlich vertreten ist, sodass die Anforderungen an die Hinweis- und Belehrungspflicht nach allgemeinen Grundsätze herabzusetzen sind (vgl. dazu etwa: Sächsisches OVG, Beschluss vom 30. November 2009 - 3 B 174/08 -, juris, Rn. 5; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. März 2021 - 2 M 14/21 -, juris, Rn. 59; Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 25 Rn. 24). [...]

Es ist nach den vorstehenden Maßstäben und entgegen der Ansicht des Antragstellers zudem unschädlich, dass bei der Vorsprache am 2. Juni 2021 kein Dolmetscher zugegen war und allein die "Belehrung nach § 60b AufenthG" dem Antragsteller auch in arabischer Sprache ausgehändigt worden ist. Aufgrund der ihm gesetzten Frist von drei Monaten hatte der Antragsteller genügend Zeit, sich vom Inhalt sämtlicher ihm am 2. Juni 2021 überlassener Schreiben Gewissheit zu verschaffen. [...]

(c) Der Antragsteller hat ferner nicht dargetan, dass er den von ihm eingeforderten und zumutbaren Mitwirkungshandlungen nachgekommen ist.

Der Antragsteller hat geltend gemacht, er bemühe sich um die Beschaffung eines Nationalpasses und hierzu neben den vorstehenden Ausführungen zur Geburtsurkunde auch vorgetragen, er habe dreimal bei der algerischen Auslandsvertretung in Frankfurt vorgesprochen und dort die ihm vorliegenden Unterlagen abgegeben, sei aber wegen der fehlenden legalisierten Geburtsurkunde abgewiesen worden. Hinsichtlich der Geburtsurkunde hat er seinen Vortrag zudem dahingehend konkretisiert, dass seine in Algerien lebende Mutter sich finanziell wie gesundheitlich außer Stande sehe, nochmals die Botschaft zwecks erneuten Versuches der Legalisierung aufzusuchen. Die benötigte legalisierte Geburtsurkunde sei daher derzeit für ihn nicht zu beschaffen. Überdies hätten wegen der pandemiebedingten Einschränkungen wenigstens in den Monaten Februar bis Mai 2021 besondere Schwierigkeiten für eine Passbeschaffung bestanden. [...]

Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller alles Notwendige getan hat, um eine zur Beschaffung eines Passes erforderliche (legalisierte) Geburtsurkunde zu erhalten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm der Erhalt einer solchen Geburtsurkunde unmöglich oder unzumutbar wäre. [...]

Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich nicht, dass er bislang versucht hätte, eine neue 12SGeburtsurkunde über den vorgenannten Link der Internetseite des Generalkonsulats bzw. der Botschaft zu beantragen und diese ggf. anschließend für den deutschen Rechtskreis legalisieren zu lassen. Er zieht sich vielmehr auf den Standpunkt zurück, die erforderliche legalisierte Geburtsurkunde sei für ihn derzeit nicht zu beschaffen, weil seiner Mutter eine Mithilfe bei der Beschaffung einer (neuen) Geburtsurkunde gesundheitlich und finanziell nicht möglich sei. Eine Mithilfe der Mutter ist nach den vorstehenden Informationen des Generalkonsulats bzw. der Botschaft von Algerien jedoch gar nicht erforderlich. Selbst wenn eine online-Beantragung - aus welchen Gründen auch immer - dem Antragsteller nicht möglich sein sollte, wäre es ihm zudem möglich und zumutbar, einen sonstigen Dritten, namentlich einen Vertrauensanwalt in Algerien mit der Beschaffung der Geburtsurkunde zu beauftragen. Ebenso wenig hat er geltend gemacht, sich alternativ um die Ausstellung eines Notpasses bemüht und die hierzu erforderlichen Unterlagen beschafft zu haben.

(d) Diese aktuelle und andauernde Pflichtverletzung des Antragstellers ist auch kausal für das bestehende Abschiebungshindernis. Greifbare Anhaltspunkte für andere Duldungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die nichteheliche Beziehung des Antragstellers zu seiner in X. lebenden Lebensgefährtin nicht vom Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst. Auch sind die von der Antragsgegnerin eingeforderten Handlungen nicht von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos. Sie sind vielmehr geeignet, das bestehende Abschiebungshindernis "Passlosigkeit" durch Beibringung der zur Passbeantragung erforderlichen Unterlagen zu beseitigen. Auf die vorstehenden Ausführungen wird insoweit verwiesen. [...]