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OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.06.2021 - 13 ME 587/20 (Asylmagazin 7-8/2021, S. 297 ff.) - asyl.net: M29697
https://www.asyl.net/rsdb/m29697
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen eine "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" und vorläufige Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis:

1. Gegen die Erteilung einer Duldung mit dem Zusatz "für Personen mit ungeklärter Identität" nach § 60b Abs. 1 AufenthG kann vorläufiger Rechtsschutz isoliert gegen den Zusatz, der eine Nebenbestimmung zur Duldung darstellt, beantragt werden. Dies erfolgt durch Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO.

2. Hat dieser Eilrechtsschutzantrag Erfolg und wird der Zusatz auf diese Weise "isoliert suspendiert", dürfen die Rechts­folgen einer "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" (hier: Versagung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 60b Abs. 5 S. 2 AufenthG) vorläufig nicht auf die betroffene Person angewandt werden.

3. In beiden Alternativen des § 60b Abs. 1 S. 1 AufenthG (Alt. 1: Identitätstäuschung/Falschangaben, Alt. 2: Passbeschaffungspflichtverletzung) kommt es nur auf aktuell-kausal die Abschiebung verhinderndes Verhalten der betroffenen Person an. Vergangene Versäumnisse sind nicht relevant, bei Nachholung von Mitwirkungshandlungen ist der betroffenen Person nach § 60b Abs. 4 AufenthG die Duldung ohne den Zusatz auszustellen. Wenn neben der "Passlosigkeit" noch familiäre, gesundheitliche oder sonstige Duldungsgründe gegeben sind, fehlt es an der Kausalität zwischen dem Verhalten der betroffenen Person und dem Abschiebungshindernis.

4. Die eidesstattliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung nach § 60b Abs. 3 S. 5 AufenthG kann auch eigeninitiativ, also nicht nur nach behördlicher Aufforderung und Fristsetzung, abgegeben werden.

5. Wenn bereits vor der Erteilung einer Duldung mit Zusatz nach § 60b AufenthG eine Beschäftigungserlaubnis erteilt wurde, besteht diese als "überwirkende Beschäftigungserlaubnis" fort. Die Beschäftigungserlaubnis erlischt nicht automatisch durch Duldungserteilung mit daraus folgendem Arbeitsverbot, sondern müsste erst widerrufen werden.

(Leitsätze der Redaktion; Anm.: bei der Entscheidung handelt es sich um einen Einstellungs- und Kostenbeschluss)

Schlagwörter: Duldung für Personen mit ungeklärter Identität, Rechtsmittel, Anfechtungsklage, Nebenbestimmung, Beschäftigungserlaubnis, Arbeitserlaubnis, Identitätsklärung, Identitätsnachweis, Passbeschaffung, Mitwirkungspflicht, Botschaftsbescheinigung, Sudan, vorläufiger Rechtsschutz, Kausalität, eidesstattliche Versicherung, überwirkende Beschäftigungserlaubnis, Überwirkung,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1, AufenthG § 60b Abs. 1, VwGO § 80 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

8 a) Das gilt zunächst für den gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO isoliert gegen den nach § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG verfügten Zusatz "für Personen mit ungeklärter Identität" zur Duldung vom 13. November 2020 gerichteten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 7 A 143/20. [...]

13 (2) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kommt gegen den so verstandenen Zusatz in der Hauptsache unter dem Aspekt der Statthaftigkeit nicht etwa lediglich eine Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) und hier - auf der Ebene des vorläufigen Rechtsschutzes - nicht etwa nur eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit dem Ziel einer zusatzfreien Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Betracht. Dahinstehen kann, ob ein solcher Weg (alternativ) statthaft wäre; hinreichend effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG böte dieser Weg jedenfalls nicht ohne Weiteres. Denn dem Vorgehen gegen eine Duldung mit dem Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG liegt - anders als bei einem Rechtsschutzbegehren gegen nicht isoliert aufhebbare Nebenbestimmungen oder auf die beantragte begünstigende Entscheidung ohne einschränkende Inhaltsbestimmungen - nicht lediglich eine Teilversagungssituation zugrunde, die als solche unbeachtet bleiben könnte (z.B. indem eine aufschiebend bedingte Genehmigung nicht wirksam wird, weil die Bedingung nicht eintritt, oder indem eine inhaltlich andersartige (mit "modifizierender Auflage" versehene) und damit zugleich hinter dem Begehren zurückbleibende Genehmigung oder eine ungewollt nur unter (echten) Auflagen erteilte Genehmigung nicht ausgenutzt wird und daher die von dieser Ausnutzung abhängige Entstehung der Verpflichtung aus der jeweiligen Auflage nicht auslöst), während die noch nicht (vollständig) gewährte Begünstigung eingeklagt bzw. mit der einstweiligen Anordnung vorläufig geregelt wird. Vielmehr zeitigt eine mit dem Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG erteilte Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG weiterhin eine Belastungswirkung, die aus einem "Anschalten" der Rechtsfolgen des § 60b Abs. 5 AufenthG durch Veränderung des Duldungscharakters resultiert. Dem kann sich der Ausländer auch nicht dadurch entziehen, dass er während eines Verpflichtungsverfahrens die Duldung mit Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG hinsichtlich ihres begünstigenden Teils nicht "ausnutzt", denn diese Regelung seines Status‘ ist nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unabhängig von seinem Willen oder Antrag (vgl. Senatsbeschl. v. 29.3.2021 - 13 ME 75/21 -, juris Rn. 6 f.). Insoweit dürfte eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht nur auf vorläufige Erteilung einer zusatzfreien Duldung abzielen, sondern müsste die Ausländerbehörde im Interesse einer "Ersetzung" zugleich vorläufig zur Aufhebung der bisher erteilten Duldung mit Zusatz schon im Eilrechtsstreit verpflichten - eine unnötig umständliche Lösung.

14 (3) Vielmehr ist stattdessen ein isoliertes "Herausschießen" des nach § 60b Abs. 1 AufenthG verfügten Zusatzes im Sinne einer isolierten Aufhebung auf Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Hauptsache hin (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, a.a.O., § 60b Rn. 37) bzw. einer isolierten Suspendierung nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage im vorläufigen Rechtsschutz ein statthafter, einfacherer, dem Rechtsschutzziel vollauf genügender und damit zielführender Weg (so auch Kluth, in: ders./Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Edition, Stand: 1.1.2021, AufenthG § 60b Rn. 57 f.; Wittmann/Röder, a.a.O., ZAR 2019, 362, 367); der textliche Zusatz im Sinne des § 60b Abs. 1 Satz 2 AufenthG muss im Gefolge im Fall der isolierten Aufhebung gestrichen und im Fall der isolierten Suspendierung jedenfalls unbeachtet gelassen werden. Die wegen Passlosigkeit erteilte Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG als solche bleibt bei alldem unberührt, entfaltet also nach wie vor Duldungswirkung im Sinne einer Aussetzung der Abschiebung. [...]

16 (b) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen und sonstigen Zusätzen zum Verwaltungsakt (vgl. Beschl. v. 31.1.2019 - BVerwG 8 B 10.18 -, juris Rn. 5; grundlegend Urt. v. 22.11.2000 - BVerwG 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221, NVwZ 2001, 429, juris Rn. 25; kritisch hierzu Labrenz, Die neuere Rechtsprechung des BVerwG zum Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen - falsch begründet, aber richtig, NVwZ 2007, 161) setzt die Begründetheit der isolierten Anfechtung bzw. Suspendierung allerdings des Weiteren voraus, dass der grundsätzlich zulässigerweise isoliert angreifbare Zusatz auch isoliert aufhebbar ist; nur wenn eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet, ist die isolierte Anfechtung schon nicht zulässig. Eine Teilaufhebbarkeit ist gegeben, wenn der nach isolierter Aufhebung verbleibende Rest-Verwaltungsakt sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2000, a.a.O., Rn. 25). So liegt es hier. Denn wenn die Voraussetzungen des § 60b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AufenthG für die Hinzufügung des Zusatzes "für Personen mit ungeklärter Identität" nicht vorliegen, muss eine "gewöhnliche" Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen Passlosigkeit ohne diesen Zusatz erteilt werden (gebundene Entscheidung); diese stellt bei gerichtlicher isolierter Aufhebung bzw. Suspendierung des Zusatzes einen rechtmäßigen und sinnvollen Rest dar. Ähnliches gilt nach § 60b Abs. 4 Satz 2 AufenthG für den Fall, dass die genannten Voraussetzungen später wegfallen; auch in diesem Fall ist der Zusatz aufzuheben bzw. zu streichen, so dass als rechtmäßiger und sinnvoller Rest eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zurückbleibt. [...]

18 (4) Das beschriebene Vorgehen führt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (S. 7 ff. des angefochtenen Beschlusses), des Verwaltungsgerichts Minden (Beschl. v. 13.1.2020 - 7 L 1317/19 -, juris Rn. 8 ff.) und anderen in Rechtsprechung (z.B. VG Düsseldorf, Beschl. v. 31.3.2020 - 2 L 3239/19 -, juris Rn. 5 ff.) und Literatur (vgl. Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., AufenthG § 60b Rn. 31; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 115. Aktualisierung März 2020, AufenthG § 60b Rn. 81) vertretenen Ansätzen auch zu effektivem Rechtsschutz, so dass hieran ein Rechtsschutzbedürfnis entsprechend § 242 BGB besteht.

19 Stellt sich die Nichterfüllung der besonderen Voraussetzungen für die Beifügung des belastenden rechtsgestaltenden Zusatzes aus § 60b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AufenthG bereits bei summarischer Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes heraus, ist der Weg zu einer isolierten Suspendierung des Zusatzes nach § 60b Abs. 1 AufenthG durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hiergegen nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO eröffnet, die es dem Ausländer ermöglicht, vorläufig die Erlaubnis einer Beschäftigung im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erlangen zu dürfen.

20 (a) Auszugehen ist von der bereits eingangs geschilderten Prämisse, dass es sich bei der Duldung (auch mit Zusatz) und der begehrten Beschäftigungserlaubnis um zwei verschiedene selbständige, nicht streng akzessorische Verwaltungsakte handelt, denen jeweils ein (unterschiedlicher) begünstigender Regelungsgehalt (Aussetzung der Abschiebung bzw. Berechtigung zur unselbständigen Erwerbstätigkeit) zukommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.1.2021 - 12 S 3651/20 -, juris Rn. 4). Die Duldung selbst berechtigt den Inhaber unter Berücksichtigung des in § 4a Abs. 4 AufenthG geregelten erwerbstätigkeitsbezogenen "Verbots mit Erlaubnisvorbehalt" nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl. Breidenbach, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Edition, Stand: 1.7.2020, BeschV § 32 Rn. 1; Nusser, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., AufenthG § 4a Rn. 42) Schon aus diesem Grunde kann die begünstigende Beschäftigungserlaubnis nach dem Verständnis des § 36 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG keine "Nebenbestimmung" (im engeren Sinne) zum ebenfalls begünstigenden Haupt-Verwaltungsakt Duldung sein. Auch eine enge, sachlich (z.B. hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses, der Tätigkeit oder des Arbeitgebers) abgrenzende Fassung der Beschäftigungserlaubnis kann, auch soweit die Erlaubnis danach umgekehrt nicht erteilt ist, nicht als belastende Nebenbestimmung zur begünstigenden Duldung verstanden werden. Jedoch können Duldung und Beschäftigungserlaubnis gleichermaßen einheitlich befristet  sein, die Beschäftigungserlaubnis kann auch ereignisbefristet auf das Ende einer konkreten oder jeglicher Duldung (dann kommt es auf ununterbrochene Duldungszeiträume bzw. zeitliche Lücken an) erlassen worden sein (enger allerdings OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.7.2020 - 18 B 746/19 -, juris Rn. 5 und 8, Bayerischer VGH, Urt. v. 18.7.2018 - 19 BV 15.467 -, juris Rn. 24, und VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.7.2017 - 11 S 695/17 -, juris Rn. 29, 31, die bei gleichzeitigem Erlass mit Blick auf § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen "unlösbaren engen Zusammenhang" zwischen Duldung und Beschäftigungserlaubnis annehmen, welcher letztere zu einer "Nebenbestimmung (zur Duldung) im weiteren Sinne" mache; mit der Folge, dass die Beschäftigungserlaubnis spätestens mit dem Auslaufen der Duldung unwirksam werde). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, wie sie in einem gesonderten Bescheid über die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, aber auch in der Aushändigung einer neuen Duldungsbescheinigung zum Ausdruck kommen können, die bezüglich der Reichweite über die bloße Dokumentationsfunktion hinausgehend Bedeutung für die Erteilungs- und Befristungslage erlangen kann.

21 Solange die Duldung mit dem belastenden rechtsgestaltenden Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG allerdings wirksam besteht und dieser vollziehbar ist, steht sie gemäß § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis per se und unabhängig von weiteren Voraussetzungen entgegen.

22 (b) Dieser Versagungsgrund kann im Hauptsacheverfahren durch isolierte Aufhebung des Zusatzes (ex tunc) nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO beseitigt werden, so dass Raum für eine Verpflichtung zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis oder zumindest zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO) entsteht. Im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes kann allenfalls die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Zusatz gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO angeordnet werden. Zwar bleibt dabei bereits nach der zur Bedeutung des Suspensiveffekts von Anfechtungsklagen entwickelten, herrschenden Vollziehbarkeitstheorie zu § 80 VwGO im Gegensatz zu der früher auch vertretenen Wirksamkeitstheorie (vgl. zu beidem Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 22 ff.) auch bei isolierter Suspendierung die Wirksamkeit des Zusatzes unberührt (dies und die verfahrensmäßigen Grenzen bestätigt nochmals § 60b Abs. 6 Halbsatz 2 AufenthG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 Sätze 1 und 3 AufenthG); lediglich dessen nach § 60b Abs. 6 Halbsatz 1 AufenthG in Verbindung mit § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes gegebene sofortige Vollziehbarkeit (vgl. zu dieser Deutung Funke-Kaiser, GK-AufenthG, a.a.O., § 60b Rn. 38) wird beseitigt. Daraus muss nach allgemeinen Regeln des vorläufigen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) aber zumindest folgen, dass dem Duldungsinhaber die Folgen, die ansonsten aus der rechtsgestaltenden Wirkung des suspendierten Zusatzes resultierten (§ 60b Abs. 5 (insbes. Satz 2) AufenthG), vorläufig nicht entgegengehalten werden dürfen. [...]

33 (ββ) Selbst in (Ausnahme-)Fällen, in denen nach dem oben unter (αα) Dargestellten eine notwendige "Überwirkung" einer  Beschäftigungserlaubnis vorgelegen hat, ergibt sich bei Lichte besehen, dass es im Weiteren an einer zusätzlichen Voraussetzung für die Annahme eines unmittelbaren Einflusses der Duldung mit Zusatz auf diese bestehende Berechtigung zur Erwerbstätigkeit fehlt. Denn in einen solchen "erwerbstätigkeitsbezogenen Besitzstand" wird auch in diesen Fällen nicht schon durch die Erteilung einer Anschlussduldung mit Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG mit unmittelbar beendender Wirkung "eingegriffen".

34 Da die Ausübung der Beschäftigung nach § 4a Abs. 4 AufenthG durch behördliche Einzelfallentscheidung (begünstigenden Verwaltungsakt) erlaubt wurde, muss diese grundsätzlich auch durch einen gegenläufigen aufhebenden Verwaltungsakt ("actus contrarius") beseitigt werden. Die Duldung selbst bewirkt eine solche Aufhebung nicht. Es ist nicht auch ersichtlich, dass die bestehende Beschäftigungserlaubnis hier stattdessen als Folge der Erteilung einer Duldung mit Zusatz kraft Gesetzes aufgehoben oder für wirkungslos erklärt würde. Gemäß § 60b Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 AufenthG, dessen Wortlaut insoweit eindeutig ist, "darf" dem Ausländer während der Innehabung (= Erteilung, denn auf den
Besitz der rein deklaratorischen Bescheinigung kann es nicht ankommen) einer Duldung mit dem Zusatz "für Personen mit ungeklärter Identität" die Ausübung einer Erwerbstätigkeit "nicht erlaubt werden". Hierdurch wird also lediglich ein Versagungsgrund erzeugt (missverständlich Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., AufenthG § 60b Rn. 29: "untersagt […] die Ausübung einer Erwerbstätigkeit", Hailbronner, a.a.O., AufenthG § 60b Rn. 74: "striktes gesetzliches Verbot der Erwerbstätigkeit", und Kluth, in: ders./Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Edition, Stand: 1.1.2021, AufenthG § 60b Rn. 53: "absolutes Erwerbstätigkeitsverbot"). Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass anfänglich bestehende ("überwirkende") Beschäftigungserlaubnisse durch die Erteilung einer Duldung mit Zusatz sofort wirksam erlöschen und in derartigen Duldungszeiträumen nicht wiederaufleben, das heißt dass die "Beendigungswirkung" einer solchen Duldung in jedem Fall unangetastet bleibt, hätte er einen Fall gesetzlichen Erlöschens anordnen und/oder ein gesetzliches Beschäftigungsverbot (etwa: "Der Inhaber einer Duldung mit dem Zusatz, für Personen mit
ungeklärter Identität‘ darf eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben" oder "Dem Inhaber einer Duldung mit dem Zusatz nach Absatz 1 ist die Beschäftigung nicht erlaubt") regeln müssen, das die konkret-individuelle Berechtigungswirkung der Beschäftigungserlaubnisse überlagert, und er hätte durch Regelung eines zusätzlichen Versagungsgrundes oder auf andere Weise dafür Sorge tragen müssen, dass das Beschäftigungsverbot
auch nicht im Wege des § 4a Abs. 2 Satz 1 AufenthG durch Neuerteilung einer Beschäftigungserlaubnis überwunden werden kann. Das alles hat er nicht getan; jedenfalls hat er eine im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 19/10047, S. 39: "Der neue § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG untersagt die Erlaubnis einer Erwerbstätigkeit […]") und in der Beschlussempfehlung mit Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 19/10706, S. 14: "[…] dass die Aufhebung der Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit sofort vollziehbar ist"; Hervorhebungen durch den Senat) ohnehin nicht eindeutig geäußerte dahingehende Regelungsabsicht, sollte sie bestanden haben, nicht hinreichend im Gesetzestext umgesetzt.

35 Vielmehr folgt aus § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG unter den dort geregelten weiteren Voraussetzungen (allenfalls) ein Grund zum Widerruf einer "überwirkenden" Beschäftigungserlaubnis, weil diese infolge des durch Erteilung der Duldung mit Zusatz gesetzlich erzeugten Versagungsgrundes nun nicht mehr erlassen werden dürfte. Ein verfügter Widerruf als belastender Verwaltungsakt (der allein erstmalig analog § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Wirksamkeit der Beschäftigungserlaubnis beendete, vgl. §§ 49 Abs. 4, 43 Abs. 2 VwVfG) könnte und müsste gesondert mit Anfechtungsklage und ggf. Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwVfG angegriffen
werden. Allein in dem pauschalen Hinweis "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" in einer Duldungsbescheinigung (wie hier auf Bl. 221 der BA 001) dürfte ein Widerruf, der im Ermessen der Ausländerbehörde steht, nicht gesehen werden können. In den "Überwirkungsfällen" verbleibt es in Abwesenheit eines Widerrufs damit bei der Berechtigung aus der "überwirkenden" Beschäftigungserlaubnis. Gleichwohl fehlt den von einer Duldung mit Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG betroffenen Ausländern in solchen Fällen nicht das Rechtsschutzbedürfnis entsprechend § 242 BGB für einen isoliert gegen den Zusatz gerichteten Eilantrag, weil aus § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG mindestens noch eine weitere (nicht erwerbstätigkeitsbezogene)
belastende Rechtsfolge (z.B. Ausschluss der Berücksichtigung als Vorduldungszeit für Bleiberechtszwecke, z.B. nach §§ 25a, 25b AufenthG) resultiert. [...]

39 (5) Angesichts all dessen ist hinsichtlich des ersten Begehrens gegen den Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO zulässig und gegenüber einem Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch vorrangig (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass selbst dann, wenn einstweiliger Rechtsschutz gegen den Zusatz nicht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gesucht werden könnte, gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in jedem Fall statthaft wäre, und zwar mit dem Ziel, die Ausländerbehörde zur vorläufigen Erteilung einer zusatzfreien Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unter vorläufiger Aufhebung der Duldung mit Zusatz nach § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG (das heißt zur vorläufigen Erteilung "statt dieser") schon im Eilrechtsstreit zu verpflichten. Eine gänzlich "eilrechtsschutzlose" Situation träte insoweit nicht ein, mag dieser Weg zweier einstweiliger Anordnungen in Bezug auf den einen Zusatz zur Duldung auch unnötig umständlich anmuten. Das alles berücksichtigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die auf S. 10 ff. im Ergebnis allein einen mit der Zielrichtung "Beschäftigungserlaubnis" versehenen Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO würdigt, zu wenig. [...]

40 bb) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO gegen den Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG war aller Voraussicht nach auch begründet.

41 In einer vorzunehmenden Interessenabwägung hätte voraussichtlich das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwogen. Denn aufgrund der Darlegungen im Beschwerdeverfahren bestanden bei summarischer Prüfung im Einzelfall des Antragstellers in der Perspektive einer Hauptsacheentscheidung erhebliche Zweifel am Vorliegen der besonderen materiell-rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Beifügung des Zusatzes nach § 60b Abs. 1 AufenthG initial erfolgen oder
beibehalten werden darf und muss.

42 Vieles spricht dafür, dass die Duldung wegen Passlosigkeit entweder von vornherein gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ohne den Zusatz hätte erteilt werden müssen oder aber der verfügende Zusatz zur Duldung jedenfalls mit der Nachholung etwaig noch gefehlt habender Mitwirkungshandlungen ex nunc nach § 60b Abs. 4 Satz 2 AufenthG hätte aufgehoben werden müssen; in beiden Fällen hätte in Umsetzung dessen auch der textliche Zusatz im Sinne des § 60b Abs. 1 Satz 2 AufenthG in der zugehörigen Duldungsbescheinigung entfallen bzw. gestrichen werden müssen. [...]

47 (2) Bei dem Antragsteller waren jedoch aller Voraussicht nach nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Beifügung des Zusatzes nach § 60b Abs. 1 AufenthG erfüllt. [...]

49 In beiden Alternativen kommt es - wie bei § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG, an den die Regelung angelehnt ist (vgl. Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., AufenthG § 60b Rn. 8) - nur auf aktuell-kausal die Abschiebung hindernde derartige Verhaltensweisen bzw. Unterlassungen des Ausländers an. Versäumnisse allein aus der Vergangenheit sind hingegen nicht relevant (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.4.2011 - 19 ZB 11.875 -, juris Rn. 5 (zu einer Vorläufernorm des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG); VG Cottbus, Beschl. v. 28.5.2020 - 9 L 134/20 -, juris Rn. 9, und Funke-Kaiser, GK-AufenthG, a.a.O., § 60b Rn. 5, 19 (zu § 60b Abs. 2 AufenthG)); hieraus erklärt sich auch der bereits eingangs erwähnte, in § 60b Abs. 4 AufenthG geregelte Mechanismus einer späteren Aufhebung und Streichung des Zusatzes durch die Ausländerbehörde bei Nachholung notwendiger Mitwirkungshandlungen durch den nur mit Zusatz Geduldeten. An der Kausalität eines positiven Tuns oder Unterlassens des Ausländers für "das Abschiebungshindernis" dürfte es mit Blick auf die erklärte Zielrichtung des § 60b AufenthG schon dann fehlen, wenn neben dem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis "Passlosigkeit" noch selbständige andere Duldungsgründe (z.B. familiärer, gesundheitlicher oder sonstiger Art) eingreifen, auf deren Bestehen ein in § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG genanntes Verhalten oder Unterlassen nicht von Einfluss ist und aufgrund derer ohnehin eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen ist (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, a.a.O., § 60b Rn. 19; Kluth, in: ders./Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 29. Edition, Stand: 1.1.2021, AufenthG § 60b Rn. 16; abweichend Thym, Geordnete Rückkehr und Bleiberechte im Dschungel des Migrationsrechts, ZAR 2019, 353, 355: "Mitursächlichkeit" genüge). In derartigen Fällen besteht kein Raum für den Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG, schon weil der damit beabsichtigte Druck auf den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, im Interesse seiner Aufenthaltsbeendigung durch Aufgabe einer Identitäts oder Staatsangehörigkeitstäuschung oder durch Vornahme von Mitwirkungshandlungen die Beschaffung von Rückreisedokumenten zu ermöglichen, jeden Sinn verlöre. An der Kausalität zwischen dem Verhalten des Ausländers (im Sinne unterlassener Mitwirkungshandlungen) und dem Misserfolg der behördlichen Aufenthaltsbeendigung (durch Abschiebung) fehlt es ferner bei solchen Handlungen, die von vornherein ohne Einfluss auf die Möglichkeit der Ausreise oder erkennbar aussichtslos sind (vgl. BVerwG, Urt. v.
26.10.2010 - BVerwG 1 C 18.09 -, InfAuslR 2011, 92, juris Rn. 20; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., AufenthG § 60b Rn. 10).

50 Die besondere Passbeschaffungspflicht aus § 60b Abs. 2 Satz 1 AufenthG gilt gemäß § 60b Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht für Ausländer ab der Stellung eines Asylantrages (§ 13 AsylG) oder eines Asylgesuches (§ 18 AsylG) bis zur rechtskräftigen Ablehnung des Asylantrages sowie für Ausländer, wenn ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt, es sei denn, das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG beruht allein auf gesundheitlichen Gründen. [...]

52 Auf diese Pflichten ist der Ausländer nach § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG hinzuweisen; sie gelten gemäß § 60b Abs. 3 Satz 3 AufenthG (schon) bei einer Glaubhaftmachung der Vornahme der aufgezählten Handlungen als erfüllt. Als Mittel der Glaubhaftmachung, die allgemeinen Maßstäben (§ 294 Abs. 1 ZPO) folgt (überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt, vgl. Hailbronner, a.a.O., AufenthG § 60b Rn. 66; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, a.a.O., § 60b Rn. 28), ist es dem Ausländer auch gestattet, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben (vgl. § 60b Abs. 3 Satz 5 AufenthG, § 156 StGB, § 27 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, § 1 Abs. 1 NVwVfG), und zwar auch eigeninitiativ, nicht nur nach Aufforderung mit Fristsetzung durch die Ausländerbehörde nach § 60b Abs. 3 Satz 4 AufenthG (a.A. Thym, a.a.O., ZAR 2019, 353, 355, für die sich jedoch in den Gesetzgebungsmaterialien, vgl. BT-Drs. 19/10706, S. 14, und BT-Drs. 10/10047, S. 39, gerade kein Beleg finden lässt). [...]

62 b) Aber auch das weitere Begehren, im Wege einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller (erneut) die Ausübung der Erwerbstätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter bei der Fa. C. einstweilen zu erlauben, hatte hinreichende Erfolgsaussichten. [...]

72 (cc) Ein Versagungsgrund für die begehrte Beschäftigungserlaubnis war im vorliegenden Fall nicht zu beachten.

73 (aaa) Ein solcher ergab sich nicht aus § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG, wonach dem Inhaber einer Duldung mit dem Zusatz "für Personen mit ungeklärter Identität" die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden darf. Denn diese Konsequenz durfte nach dem oben unter II.1.a)aa)(4)(b) Ausgeführten im vorliegenden Fall vorläufig nicht gezogen werden. Zwar blieb die dem Antragsteller am 13. November 2020 erteilte Duldung nach wie vor wirksam mit dem Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG versehen. Von der belastenden gestaltenden Wirkung dieses Zusatzes nach § 60b Abs. 1 Satz 1 AufenthG durfte seitens der Antragsgegnerin jedoch vorläufig kein Gebrauch gemacht werden, weil der Zusatz nach dem unter II.1.a) Ausgeführten spätestens gleichzeitig nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO zu suspendieren gewesen wäre.

74 (bbb) Auch aus § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG folgte wohl kein Versagungsgrund. Nach dieser Vorschrift darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können; wobei er nach § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG diese Gründe insbesondere zu vertreten hat, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Diese - nicht abschließende - Erläuterung entspricht § 60b Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. AufenthG. Angesichts der oben unter II.1.a)bb)(2)(c) geäußerten summarischen Bewertung war die aktuelle Passlosigkeit als Duldungsgrund im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG und damit auch die Nichtdurchführbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen voraussichtlich weder nach dieser Alternative noch im Übrigen vom Antragsteller zu vertreten. [...]

75 (3) Bezogen auf die Rechtsfolgenseite des § 4a Abs. 4 AufenthG hat das Verwaltungsgericht - unter Offenlassung aller anderen Gründe - maßgeblich auf einen der Antragsgegnerin als Ausländerbehörde verbliebenen Ermessensspielraum, der dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO entgegenstehe, abgehoben (S. 11 f. der angefochtenen Entscheidung). Dem kann bei summarischer Prüfung nicht vollends gefolgt werden.

76 (a) Unklar erscheint bereits, ob die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 4a Abs. 4, 3. Alt. AufenthG grundsätzlich überhaupt noch in einem "Restermessen" der Ausländerbehörde steht oder ob bereits bei der hier erfolgten Ausräumung mehrfach geregelter Versagungsgründe (vgl. oben II.1.b)bb)(2)(b)(cc)) ein Vollanspruch auf Erteilung der Beschäftigungserlaubnis besteht. Anders als die bis zum 29. Februar 2020 geltende Vorläufernorm aus § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG a.F. ("kann die Ausübung einer Beschäftigung [von der Ausländerbehörde] nur erlaubt werden, wenn …"; vgl. dazu Senatsbeschl. v. 30.8.2018 - 13 ME 298/18 -, juris Rn. 20; Hervorhebung durch den Senat), die auf ein rechtlich den Grenzen der §§ 40 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO unterliegendes Erteilungsermessen hindeutete, lässt die Formulierung in § 4a Abs. 4, 3. Alt. AufenthG ("deren Ausübung ihm durch die zuständige Behörde erlaubt wurde") allenfalls erkennen, dass eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden darf, nicht jedoch, ob und wann sie erteilt werden kann oder muss.

77 (b) Bei summarischer Prüfung ist unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) jedenfalls ein "freies Ermessen" der Ausländerbehörde (mit einer vollständig in deren Belieben gestellten, wilkürlichen Entscheidung) nicht vorstellbar. Unter Berücksichtigung der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BeschV, derzufolge die Beschäftigungsverordnung auch regeln soll, in welchen Fällen Ausländern, die eine Duldung besitzen, nach § 4a Abs. 4 AufenthG die Ausübung einer Beschäftigung mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erlaubt werden "kann", und der dieser zugrundeliegenden, nahezu gleichlautenden Verordnungsermächtigung in § 42 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG kommt jedenfalls die Annahme eines "gewöhnlichen" (rechtlich in gewissem Maße gebundenen) Ermessens in Betracht (unverändert von einem Ermessensspielraum wie bei § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG a.F. gehen auch nicht zuletzt unter Rekurs auf § 32 Abs. 1 BeschV VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 8.1.2021 - 12 S 3651/20 -, juris Rn. 13; Bayerischer VGH, Beschl. v. 29.10.2020 - 10 CE 20.2240 -, juris Rn. 8, und Nusser, in: Bergmann/Dienelt, a.a.O., AufenthG § 4a Rn. 42, aus; wenngleich diese Norm nicht - wie der Verordnungstext es vermuten lässt - die "Zustimmung (der Ausländerbehörde) zur Ausübung einer Beschäftigung" = eine Beschäftigungserlaubnis, sondern vielmehr die "Zustimmung (der Bundesagentur für Arbeit) zur Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung (durch die Ausländebehörde) regelt, arg. e § 32 Abs. 2 BeschV), so dass sich jedenfalls dieselben rechtlichen Ermessensgrenzen ergäben wie in der Vorläuferfassung.

78 (c) Hier spricht jedoch weit Überwiegendes dafür, dass sich ein derart rechtlich gebundenes Ermessen der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall jedenfalls zugunsten einer Erteilung "auf Null" reduziert hatte, mit der Folge, dass ein Erteilungsanspruch des Antragstellers erzeugt worden war. Wie die Beschwerde zu Recht darlegt, waren Gründe, auf die eine Ablehnung rechtmäßig gestützt hätte werden können, nicht ersichtlich. [...]