Familienschutz für Eltern volljährig gewordener subsidiär Schutzberechtigter:
1. Bei der Gewährung von Familienschutz nach § 26 AsylG für Eltern, die den Schutzstatus von ihren minderjährigen subsidiär schutzberechtigten Kindern ableiten, ist für die Frage der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Asylantragsstellung der Eltern abzustellen. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung der Eltern an, sondern des formlosen Asylgesuchs. Der Antrag auf Familienschutz muss gestellt werden, bevor das Kind volljährig wird.
2. Der abgeleitete Schutzstatus endet nicht mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, sondern muss, entsprechend der in Art. 24 Abs. 2 Qualifikations-RL (2011/95/EU) vorgesehenen Titelerteilung an subsidiär Schutzberechtigte und ihre Angehörigen, eine Mindestgültigkeit von einem Jahr haben.
3. Für die Ableitung des Schutzstatus ist es nicht erforderlich, dass die Eltern und ihr Kind das Familienleben tatsächlich wieder aufnehmen.
(Leitsätze der Redaktion; die Entscheidung erging auf den Vorlagebeschluss des BVerwG vom 15.08.2019 - 1 C 32.18 - asyl.net: M28217)
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28 Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, welcher Zeitpunkt in einer Situation, in der ein Asylantragsteller, der in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist ist, in dem sich sein nicht verheiratetes minderjähriges Kind aufhält, und der aus dem subsidiären Schutzstatus, der diesem Kind zuerkannt worden ist, einen Anspruch auf Asyl gemäß den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats – wonach die unter Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 fallenden Personen einen solchen Anspruch haben – ableiten will, bei der Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz dafür maßgebend ist, ob die Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde, "minderjährig" im Sinne dieser Bestimmung ist.
29 Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag des Asylantragstellers oder auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen ist. [...]
39 Wenn – wie insbesondere die deutsche Regierung vorschlägt – als der für die Frage, ob die Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde, "minderjährig" im Sinne von Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 ist, maßgebende Zeitpunkt der Zeitpunkt zugrunde gelegt würde, zu dem die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats über den Asylantrag des Elternteils, der aus dem seinem Kind zuerkannten subsidiären Schutzstatus ein Recht auf subsidiären Schutz ableiten will, entscheidet, wäre dies weder mit den Zielen der Richtlinie noch mit den Anforderungen vereinbar, die sich aus dem auf die Förderung des Familienlebens abzielenden Art. 7 der Charta und aus ihrem Art. 24 Abs. 2 ergeben; Letzterer verlangt nämlich, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen, zu denen die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Anwendung der Richtlinie getroffenen Maßnahmen gehören, das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung – Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 36).
40 Die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte hätten dann nämlich keine Veranlassung, die Anträge der Eltern Minderjähriger mit der Dringlichkeit, die geboten ist, um der Schutzbedürftigkeit der Minderjährigen Rechnung zu tragen, vorrangig zu bearbeiten und könnten somit in einer Weise handeln, die das Recht auf Familienleben sowohl eines Elternteils mit seinem minderjährigen Kind als auch des Kindes mit einem Familienangehörigen gefährden würde (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung – Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Darüber hinaus würde eine solche Auslegung es auch nicht ermöglichen, im Einklang mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit eine gleiche und vorhersehbare Behandlung aller Antragsteller, die sich zeitlich in der gleichen Situation befinden, zu gewährleisten, da sie dazu führen würde, dass der Erfolg des Antrags auf internationalen Schutz hauptsächlich von Umständen abhinge, die in der Sphäre der nationalen Behörden oder Gerichte liegen, und insbesondere von der mehr oder weniger zügigen Bearbeitung des Antrags oder von der mehr oder weniger zügigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, einen solchen Antrag abzulehnen, und nicht von Umständen, die in der Sphäre des Asylantragstellers liegen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung – Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Unter diesen Umständen ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 73 und 74 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, davon auszugehen, dass dann, wenn ein Asylantragsteller, der in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist ist, in dem sich sein nicht verheiratetes minderjähriges Kind aufhält, aus dem subsidiären Schutzstatus, der diesem Kind zuerkannt worden ist, das Recht auf die in den Art. 24 bis 35 der Richtlinie 2011/95 genannten Leistungen und gegebenenfalls das Recht auf Asyl ableiten will, sofern dies im Einklang mit Art. 3 der Richtlinie im nationalen Recht vorgesehen ist, für die Beurteilung, ob die Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde, "minderjährig" im Sinne von Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 ist, bei der Entscheidung über den von ihrem Vater gestellten Asylantrag der Zeitpunkt der Stellung seines Antrags maßgebend ist.
43 Das Recht des Familienangehörigen auf diese Leistungen – gegebenenfalls einschließlich des Rechts auf Asyl, sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist – muss daher von dem betreffenden Elternteil geltend gemacht werden, wenn sein Kind als die Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde, noch minderjährig ist. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95, dass die Familie bereits im Herkunftsland bestanden haben muss und dass sich die betreffenden Familienangehörigen im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufgehalten haben müssen, bevor die Person volljährig geworden ist, was zugleich bedeutet, dass sie den Schutz vor Eintritt der Volljährigkeit beantragt hat.
44 Eine solche Auslegung steht sowohl mit den Zielen der Richtlinie 2011/95 im Einklang als auch mit den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten, wonach, wie oben in den Rn. 36 bis 38 ausgeführt, das Wohl des Kindes eine vorrangige, von den Mitgliedstaaten besonders zu berücksichtigende Erwägung darstellen muss, bei deren Beurteilung sie u. a. dem Grundsatz des Familienverbands sowie dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen gebührend Rechnung tragen müssen.
45 Sofern der Zeitpunkt der Antragstellung durch den betreffenden Elternteil als maßgebend angesehen wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem dieser Elternteil formlos erstmals um Asyl nachgesucht und die zuständige Behörde davon Kenntnis erlangt hat, oder auf den Zeitpunkt, zu dem er förmlich einen Asylantrag gestellt hat.
46 Im vorliegenden Fall unterscheidet, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, das anwendbare deutsche Recht zwischen einem formlosen Asylgesuch (§ 13 Abs. 1 AsylG) und der förmlichen Stellung von Asylanträgen (§ 14 Abs. 1 AsylG). Diese Unterscheidung spiegelt die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32 vorgenommene Unterscheidung zwischen der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz und der förmlichen Stellung eines solchen Antrags wider.
47 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts für die Einreichung des Asylgesuchs im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylG keine bestimmte Form erforderlich ist und dass sie hauptsächlich von Umständen abhängt, die in der Sphäre der Person, die internationalen Schutz beantragt, liegen, während die Stellung eines förmlichen Asylantrags im Sinne von § 14 Abs. 1 AsylG von der Erfüllung bestimmter Formalitäten durch die zuständige nationale Behörde abhängt.
48 Wie der Generalanwalt in Nr. 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Drittstaatsangehöriger die Eigenschaft einer Person, die internationalen Schutz beantragt, im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2013/32 ab dem Zeitpunkt erwirbt, zu dem er einen solchen Antrag "stellt". Insoweit ist zwar die Registrierung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 dieser Richtlinie Sache des betreffenden Mitgliedstaats, und die förmliche Stellung des Antrags setzt gemäß Art. 6 Abs. 3 und 4 der Richtlinie grundsätzlich voraus, dass die Person, die internationalen Schutz beantragt, ein dafür vorgesehenes Formblatt ausfüllt, doch erfordert die "Stellung" eines Antrags auf internationalen Schutz keine Verwaltungsformalität, da solche Formalitäten bei der "förmlichen Stellung" des Antrags zu erfüllen sind (Urteil vom 25. Juni 2020, Ministerio Fiscal [Behörde, die zur Entgegennahme eines Antrags auf internationalen Schutz berechtigt ist], C-36/20 PPU, EU:C:2020:495, Rn. 92 und 93).
49 Folglich kann zum einen die Erlangung der Eigenschaft als Person, die internationalen Schutz beantragt, weder von der förmlichen Stellung des Antrags noch von dessen Registrierung abhängig gemacht werden, und zum anderen reicht es aus, dass ein Drittstaatsangehöriger bei einer "anderen Behörde" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/32 seine Absicht, internationalen Schutz zu beantragen, bekundet, um ihm die Eigenschaft als Person, die internationalen Schutz beantragt, zu verleihen und damit die Frist von sechs Arbeitstagen in Gang zu setzen, innerhalb deren der betreffende Mitgliedstaat diesen Antrag registrieren muss (Urteil vom 25. Juni 2020, Ministerio Fiscal [Behörde, die zur Entgegennahme eines Antrags auf internationalen Schutz berechtigt ist], C-36/20 PPU, EU:C:2020:495, Rn. 94).
50 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass der Elternteil, der internationalen Schutz beantragt, im Januar 2016 nach Deutschland einreiste. Im darauffolgenden Monat ersuchte er um Asyl, und am 21. April 2016 stellte er einen förmlichen Asylantrag im Sinne von § 14 Abs. 1 AsylG. Die Bundesbehörde für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Asylantrag mit der Begründung ab, dass sein Sohn am 20. April 2016 volljährig geworden sei.
51 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass ein Asylantragsteller, der formlos sein Gesuch gestellt hat, als sein Sohn noch minderjährig im Sinne von Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2011/95 war, für die Zwecke dieser Bestimmung grundsätzlich als Familienangehöriger der Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, anzusehen ist.
52 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass in einer Situation, in der ein Asylantragsteller, der in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist ist, in dem sich sein nicht verheiratetes minderjähriges Kind aufhält, und der aus dem subsidiären Schutzstatus, der diesem Kind zuerkannt worden ist, einen Anspruch auf Asyl gemäß den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats – wonach die unter Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 fallenden Personen einen solchen Anspruch haben – ableiten will, bei der Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz für die Frage, ob die Person, der internationaler Schutz zuerkannt wurde, "minderjährig" im Sinne dieser Bestimmung ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Antragsteller – gegebenenfalls formlos – seinen Asylantrag eingereicht hat.
Zur dritten Frage
53 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 23 Abs. 2 und Art. 7 der Charta dahin auszulegen ist, dass der Begriff "Familienangehöriger" keine tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens zwischen dem Elternteil der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, und seinem Kind verlangt. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob ein Elternteil als "Familienangehöriger" anzusehen ist, wenn die Einreise in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nicht darauf gerichtet war, für das betreffende Kind die elterliche Verantwortung im Sinne von Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 tatsächlich wahrzunehmen.
54 Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf den Vater eines Kindes, dem subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, der Begriff "Familienangehöriger" in Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 nur von den drei dort genannten Voraussetzungen abhängt, und zwar, dass die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, dass sich die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat aufhalten und dass die Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, minderjährig und nicht verheiratet ist. Die tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats gehört dagegen nicht zu diesen Voraussetzungen.
55 Im Übrigen wird auch in Art. 23 der Richtlinie nicht auf eine tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens Bezug genommen. Nach ihrem Art. 23 Abs. 1 müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass der Familienverband aufrechterhalten wird, und nach ihrem Art. 23 Abs. 2 müssen die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, grundsätzlich Anspruch auf die in den Art. 24 bis 35 der Richtlinie genannten Leistungen haben.
56 Desgleichen sieht Art. 7 der Charta lediglich das Recht jeder Person auf Achtung ihres Familienlebens vor und stellt – ebenso wie Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich und Art. 23 der Richtlinie 2011/95 – keine besonderen Anforderungen hinsichtlich der Modalitäten der Ausübung dieses Rechts oder der Intensität der betreffenden familiären Beziehungen.
57 Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass es für den Begriff "Familienangehöriger" im Sinne von Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 auf die tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens zwischen der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, und dem Elternteil ankommt, der aus dem seinem Kind zuerkannten subsidiären Schutzstatus einen Anspruch auf subsidiären Schutz herleiten will.
58 Mit anderen Worten stellt die tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens keine Voraussetzung für die Erlangung der Leistungen dar, die den Familienangehörigen der Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, gewährt werden. Somit schützen die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95 und der Charta zwar das Recht auf ein Familienleben und fördern dessen Wahrung, doch überlassen sie es grundsätzlich den Inhabern dieses Rechts, darüber zu entscheiden, wie sie ihr Familienleben führen wollen, und stellen insbesondere keine Anforderungen an die Intensität ihrer familiären Beziehung.
59 Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 23 Abs. 2 und Art. 7 der Charta dahin auszulegen ist, dass der Begriff "Familienangehöriger" keine tatsächliche Wiederaufnahme des Familienlebens zwischen dem Elternteil der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, und seinem Kind verlangt.
Zur vierten Frage
60 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen ist, dass die Eigenschaft eines Elternteils als Familienangehöriger im Sinne dieser Bestimmung endet, wenn das Kind, dem der subsidiäre Schutz zuerkannt worden ist, volljährig wird und damit die elterliche Verantwortung für das Kind endet. Sofern dies verneint wird, möchte das vorlegende Gericht ferner wissen, ob die Eigenschaft dieses Elternteils als Familienangehöriger und die damit verbundenen Rechte über den Zeitpunkt, zu dem das betreffende Kind volljährig wird, hinaus unbegrenzt fortbestehen oder ob diese Rechte zu einem bestimmten Zeitpunkt oder unter bestimmten Voraussetzungen entfallen.
61 Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 23 Abs. 2 der Vater oder die Mutter oder ein anderer Erwachsener, der nach dem Recht oder der Praxis des betreffenden Mitgliedstaats für die Person, der der internationale Schutz zuerkannt worden ist, verantwortlich ist, nicht für unbegrenzte Zeit als Familienangehöriger im Sinne von Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95 anzusehen ist und somit die in den Art. 24 bis 35 der Richtlinie genannten Leistungen, namentlich das Recht auf einen Aufenthaltstitel sowie auf Zugang zu einer Beschäftigung und zu Wohnraum, in Anspruch nehmen kann.
62 Außerdem sind die Mitgliedstaaten nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 verpflichtet, Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen so bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes einen verlängerbaren Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
63 Nach diesen Bestimmungen stellt die Gewährung internationalen Schutzes für einen Elternteil als "Familienangehöriger" der Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, im Sinne von Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95 ein Recht dar, das sich zur Aufrechterhaltung des Familienverbands der Betroffenen aus dem seinem Kind verliehenen subsidiären Schutzstatus ableitet. Unter diesen Umständen kann der einem solchen Elternteil zuerkannte Schutz nicht unter allen Umständen allein wegen des Eintritts der Volljährigkeit des Kindes, dem subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, sofort enden, oder dies kann jedenfalls nicht dazu führen, dass dem betreffenden Elternteil der noch für gewisse Zeit gültige Aufenthaltstitel automatisch entzogen wird.
64 Wenn die "Familienangehörigen" der Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Definition erfüllt haben, muss das ihnen gewährte subjektive Recht auf die in den Art. 24 bis 35 der Richtlinie vorgesehenen Leistungen nämlich auch nach dem Eintritt der Volljährigkeit dieser Person während der Geltungsdauer des ihnen im Einklang mit Art. 24 der Richtlinie ausgestellten Aufenthaltstitels fortbestehen.
65 Insoweit können, wie die Kommission ausführt, die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Laufzeit des Aufenthaltstitels dem Umstand Rechnung tragen, dass die Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, nach der Entstehung des subjektiven Rechts ihrer Familienangehörigen volljährig werden wird. Der Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95 schließt es nämlich insbesondere nicht aus, zwischen der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels der Person, der dieser Schutz zuerkannt worden ist, und der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels ihrer Familienangehörigen zu differenzieren. Der Aufenthaltstitel der Familienangehörigen muss allerdings mindestens ein Jahr gültig sein.
66 Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. j dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2011/95 in Verbindung mit ihrem Art. 23 Abs. 2 dahin auszulegen ist, dass die Rechte, über die die Familienangehörigen einer Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, aufgrund des ihrem Kind zustehenden subsidiären Schutzstatus verfügen, und insbesondere die in den Art. 24 bis 35 der Richtlinie genannten Leistungen nach Eintritt der Volljährigkeit der betreffenden Person für die Geltungsdauer des ihnen gemäß Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie erteilten Aufenthaltstitels fortbestehen. [...]