VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 28.12.2005 - 22 L 2363/05.A - asyl.net: M7632
https://www.asyl.net/rsdb/M7632
Leitsatz:

Die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen fehlender Substantiierung setzt voraus, dass das Bundesamt im Einzelnen benennt, welche Aspekte des Vorbringens nicht genügend substantiiert sind; der Vorwurf der Verwendung eines gefälschten Beweismittels muss nachvollziehbar belegt werden; bei Vorlage einer ausländischen Urkunde ist zum Beleg einer Fälschung in jedem Fall eine Übersetzung erforderlich.

 

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Glaubwürdigkeit, Beweismittel, Fälschung
Normen: AsylVfG § 30 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

Die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen fehlender Substantiierung setzt voraus, dass das Bundesamt im Einzelnen benennt, welche Aspekte des Vorbringens nicht genügend substantiiert sind; der Vorwurf der Verwendung eines gefälschten Beweismittels muss nachvollziehbar belegt werden; bei Vorlage einer ausländischen Urkunde ist zum Beleg einer Fälschung in jedem Fall eine Übersetzung erforderlich.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Erhebliche Gründe sprechen dafür, dass die auf § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG gestützte Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag der Antragstellerin als offensichtlich unbegründet abzulehnen, einer rechtlichen Prüfung nicht standhält.

Die Einschätzung des Bundesamtes, das Vorbringen der Antragstellerin sei wenig wahrscheinlich, vermag die qualifizierte Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet schon nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht zu rechtfertigen. Denn danach reicht es nicht aus, dass das Vorbringen wenig wahrscheinlich ist, was auf das Vorbringen vieler Asylbewerber zutreffen mag; vielmehr ist erforderlich, dass es offenkundig den Tatsachen nicht entspricht. Das Bundesamt geht in der Begründung seines Bescheides vom ... 2005 selbst nicht davon aus, dass das Vorbringen der Antragstellerin in wesentlichen Punkten offenkundig den Tatsachen nicht entspricht, sondern verwendet lediglich Formulierungen wie "was aber auch schon unwahrscheinlich ist" oder "ist ... unter Berücksichtigung der o.a. Auskunftslage eher unwahrscheinlich" oder "es ist deshalb auch kaum vorstellbar". Schon der Umstand, dass das Bundesamt die Einholung einer Auskunft für erforderlich gehalten hat, steht der Annahme, das Vorbringen der Antragstellerin entspreche offenkundig nicht den Tatsachen, entgegen.

Das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom ... 2005 auch nicht näher dargelegt, in welchen - wesentlichen - Punkten es das Vorbringen der Antragstellerin für nicht substantiiert hält. Insoweit weist die Antragstellerin in der Klage- und Antragsschrift vom 19. Dezember 2005 zutreffend darauf hin, dass sie bei der Anhörung durch das Bundesamt ihre Fluchtgründe ausführlich, anschaulich und detailliert geschildert hat; das Anhörungsprotokoll umfasst immerhin 14 Seiten. Vor diesem Hintergrund setzt eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet wegen fehlender Substantiierung voraus, dass das Bundesamt die Aspekte des Vorbringens, denen es seiner Ansicht nach an Substanz mangelt, im einzelnen benennt und auch darlegt, warum es das Vorbringen in diesen Punkten für oberflächlich oder sonst unzureichend hält. Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Bescheides vom ... 2005 nicht ansatzweise.

Schließlich hat das Bundesamt seine Beurteilung, das Vorbringen der Antragstellerin werde auf ein gefälschtes Beweismittel gestützt, nicht nachvollziehbar begründet. Bei dem Beweismittel handelt es sich offenbar um die von den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem Bundesamt mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2004 übersandte Vorladung in persischer Sprache. Die Einschätzung des Bundesamtes, diese Vorladung sei gefälscht, kann das Gericht schon deshalb nicht nachvollziehen, weil sich in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin keine Übersetzung dieser Vorladung befindet, so dass nicht erkennbar ist, worauf die im Bescheid vom ... 2005 enthaltene Aussage beruht, in der Vorladung sei zu lesen, dass die Antragstellerin wegen "Entstehung der ... und Durchführung der illegitimen Sachen 3 Tage nach der Zustellung beim Allgemein-Gericht" zu erscheinen habe. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Bundesamtes, das auf der Vorladung angegebene Aktenzeichen entspreche nicht den von den iranischen Justizbehörden verwendeten Geschäftszeichen. Denn aus dem Bescheid des Bundesamtes geht weder hervor, welches Aktenzeichen sich auf der Vorladung befindet, noch wird angegeben, welche Geschäftszeichen die iranischen Justizbehörden üblicherweise verwenden und woher das Bundesamt die entsprechende Kenntnis hat. Das Bundesamt legt auch nicht offen, worauf seine Kenntnis darüber beruht, dass die in der von der Antragstellerin vorgelegten Vorladung bezüglich des Vorladungszeitpunktes verwendete Formulierung in der iranischen Justiz nicht üblich ist und auch der Grund der Vorladung normalerweise nicht genannt wird. Insofern entbehrt die Argumentation des Bundesamtes, der Inhalt der Vorladung deute auf eine Fälschung hin, einer nachprüfbaren Grundlage.