Keine Verlängerung der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren bei Kirchenasyl:
Asylsuchende sind nicht "flüchtig" im Sinne der Dublin-Verordnung mit der Folge der Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate, wenn sie sich im Kirchenasyl aufhalten und die ladungsfähige Anschrift den Behörden mitgeteilt wurde. Denn die Flucht muss kausal für die Nichtdurchführbarkeit der Überstellung sein; dies aber ist beim Kirchenasyl nicht der Fall. Dies gilt auch, wenn das Kirchenasyl nach Ablehnung des Härtefalldossiers weiterhin bestehen bleibt.
(Leitsätze der Redaktion; im Anschluss an: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25.07.2019 - 10 LA 155/19 - asyl.net: <link rsdb m27450>M27450, OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23.03.2018 - 1 LA 7/18 - asyl.net: M27677)
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Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil die Antragsgegnerin zu Unrecht die sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art 29 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. Dublin III-VO auf 18 Monate verlängert hat. Voraussetzung für eine Verlängerung der Überstellungsfrist danach ist, dass ein Asylbewerber - hier der Antragsteller - "flüchtig" ist. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Antragsteller nicht als "flüchtig" anzusehen, weil er sich in ein sogenanntes "offenes" Kirchenasyl begeben hat. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Asylbewerber, der sich in das Kirchenasyl begeben hat, nicht flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO ist, wenn seine ladungsfähige Anschrift bekannt ist und das Kirchenasyl der Durchführung der Überstellung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht entgegensteht (0VG Lüneburg, Beschl. v. 25. Juli 2019 - 10 LA 155/19 -, Juris m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). So liegt es hier. Die - ladungsfähige - Anschrift des Antragstellers ist der Antragsgegnerin bekannt, weil der Gemeindekirchenrat des Kirchspiels ... der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Juli 2019 die Gewährung von Kirchenasyl und die Anschrift des Antragstellers ausdrücklich mitgeteilt hat. Dieses Kirchenasyl steht auch einer Überstellung des Antragsteilers nach Bulgarien nicht entgegen. Die Antragsgegnerin bzw. die zuständige Ausländerbehörde ist weder rechtlich noch tatsächlich an der Durchführung einer Überstellung bei der Gewährung von Kirchenasyl gehindert. Der Kirchenraum ist nicht exemt. Ein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das sog. Kirchenasyl gehindert waren, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden, existiert nicht (OVG Schleswig, Beschl. v. 23. März 2018 - 1 LA 7/18 -, Juris).
Der Antragsteller ist somit nicht flüchtig im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO. Daran vermag zur Überzeugung der Kammer auch nicht die Tatsache etwas zu ändern, dass der Antragsteller nach Ablehnung des Dossiers der Kirchenvertretung auf Prüfung des Selbsteintrittsrechts durch die Antragsgegnerin das Kirchenasyl nicht verlassen hat. Das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland hat der Antragsgegnerin am 13. August 2019 mitgeteilt, dass das Kirchenasyl für den Antragsteller weiterhin bestehen bleibt. [...]