SG Hamburg

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Zitieren als:
SG Hamburg, Beschluss vom 23.10.2018 - S 52 AY 23/18 ER - asyl.net: M26686
https://www.asyl.net/rsdb/M26686
Leitsatz:

Eine Kürzung der Asylbewerberleistungen wegen mangelnder Mitwirkung bei der Passbeschaffung ist unzulässig, wenn bei der Beantragung des Passes eine Freiwilligkeitserklärung verlangt wird, obwohl die Rückkehr nicht freiwillig wäre.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Kürzung, Leistungskürzung, Analogleistungen, Freiwilligkeitserklärung, Iran, Anspruchseinschränkung,
Normen: AsylbLG § 1a Abs. 3, AsylbLG § 1a,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann dem Antragsteller jedenfalls nicht vorgeworfen werden, dass er sich nicht hinreichend um die Beschaffung eines Nationalpasses bemühe, weil er die Unterzeichnung der geforderten Freiwilligkeitserklärung verweigerte.

Zwar kann in der Missachtung ausländerrechtlicher Mitwirkungspflichten im Grundsatz durchaus eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung zu sehen sein. Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz <AufenthG>) und § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylgesetz (AsylG) muss der Ausländer etwa bei der Beschaffung von Identitätspapieren mitwirken. Dabei sind grundsätzlich alle Handlungen zumutbar, die zur Beschaffung eines zur Ausreise oder zur Abschiebung notwendigen Dokuments erforderlich sind und nur persönlich von den Ausländern vorgenommen werden können. Gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG besteht außerdem die Pflicht, die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Diese Pflicht steht allerdings unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die geforderten Erklärungen im Einklang mit den deutschen Gesetzen stehen. Daran fehlt es hier.

Nach Auffassung des Gerichts kann die Abgabe von Erklärungen nur dann verlangt werden, wenn der Erklärungsinhalt auch tatsächlich vom Willen des Erklärenden getragen ist. Umgekehrt ist es unzulässig, dem Betroffenen bestimmte Handlungen abzuverlangen, die seinem Willen entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, Az. B7 AY 7/12 R). Dementsprechend erfüllt die Weigerung, die von der iranischen Botschaft geforderte Freiwilligkeitserklärung abzugeben, nicht die Voraussetzungen der Rechtsmissbräuchlichkeit (so auch SG Hildesheim, Beschluss vom 6. Januar 2017, Az. S 42 AY 56/16 ER). Dies gilt für den Antragsteller umso mehr, als der Antragsteller mit seiner konfessionellen Ausrichtung einerseits und seiner Betäubungsmittelabhängigkeit anderseits zwei nachvollziehbare Gründe angegeben hat, die den fehlenden Willen zur Rückkehr in den Iran stützen. [...]