VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 27.04.2018 - 12 A 60/17 - Asylmagazin 7-8/2018, S. 278 ff. - asyl.net: M26265
https://www.asyl.net/rsdb/M26265
Leitsatz:

Verpflichtungserklärung endet nach Flüchtlingsanerkennung:

1. Die Anfechtung einer Verpflichtungserklärung erst in der Klage gegen die Erstattungsforderung erfolgt nicht rechtzeitig. Sie hätte unverzüglich nach der Anhörung im Erstattungsverfahren erfolgen müssen, denn in dem Zeitpunkt hat der Verpflichtungsgeber Kenntnis davon erlangt, dass die Behörde von einer Verpflichtung nach Flüchtlingsanerkennung der begünstigten Person hinaus ausgeht.

2. Die Gültigkeit einer Verpflichtungserklärung endet nicht bereits mit Asylantragstellung der begünstigten Person.

3. Die Haftung aus einer Verpflichtungserklärung endet mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage, die an unterschiedliche humanitäre Aufenthaltszwecke anknüpft (ausdrücklich entgegen BVerwG, Urteil vom 26.01.2017 - 1 C 10.16 - asyl.net: M24833, Asylmagazin 5/2017).

4. Aufgrund der Aufnahmeanordnung des Landes Niedersachsen, den Anwendungshinweisen dazu und der Auffassung der Landesregierung wurde die Dauer der Verpflichtung auf den Zeitraum der Aufnahme nach § 23 Abs. 1 AufenthG beschränkt und erstreckt sich nicht auf die Zeit nach der Flüchtlingsanerkennung.

5. Selbst wenn die Verpflichtungserklärung über die Flüchtlingsanerkennung der begünstigten Person hinaus gelten sollte, wäre die Erstattungsforderung rechtswidrig, denn die Behörde hat ihr Ermessen nicht ausgeübt. Es liegt ein atypischer Fall vor, denn nach der Vorstellung des Niedersächsischen Innenministeriums sollten die Lasten der Aufnahme nur für einen überschaubaren Zeitraum von Privaten getragen werden, nämlich bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Verpflichtungserklärung, Flüchtlingsanerkennung, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltszweck, Sozialleistungen, Syrien, Aufnahmeanordnung, Aufnahmeprogramm, Anfechtung, Irrtum, Niedersachsen,
Normen: AufenthG § 68, AufenthG § 68 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 68a S. 1, BGB § 133, BGB § 154, BGB § 142 Abs. 1, B GB § 121 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 55 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 23 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 2,
Auszüge:

[…]
a) Der Kläger hat sich am 30.09.2014 gegenüber der Ausländerbehörde der Beklagten schriftlich verpflichtet, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Schwester vom Tag der voraussichtlichen Einreise am 01.10.2014 "bis zur Beendigung des Aufenthalts oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" zu tragen. Damit ist er eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eingegangen. Die Verpflichtungserklärung ist auch wirksam, weil sie dem Schriftformerfordernis des § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG genügt, als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung keiner förmlichen Annahme bedurfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33.97 -, juris Rdnr. 26) und nicht aufgrund der Anfechtung des Klägers nach§ 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob sich der Kläger überhaupt in einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum befand. Denn er hat die Anfechtung entgegen § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls nicht ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erklärt. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Anfechtungsgrundes, also des Irrtums. Bloßes Kennenmüssen genügt ebenso wenig wie das Vorliegen von Verdachtsgründen. Erkennt der Anfechtungsberechtigte jedoch, dass sich Wille und Erklärung möglicherweise nicht decken, ist zur Fristwahrung eine Eventualanfechtung geboten (vgl. Palandt/Ellenberger, 77. Aufl. 2018, § 121 BGB Rdnr. 2). Bereits im Rahmen der Anhörung hatte der Kläger geltend gemacht, seine Schwester habe die Leistungen erst nach ihrer Anerkennung als Flüchtling erhalten, seine Verpflichtungserklärung komme daher nicht mehr zum Tragen. Seinen unter dem 30.09.2016 eingelegten Widerspruch hatte der Kläger damit begründet, dass seine Schwester Ende 2015 als Flüchtling anerkannt und seit Anfang Januar 2016 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei. Dieses Vorbringen macht deutlich, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt seiner Anhörung bzw. im Zeitpunkt seines Widerspruchs wusste, dass die Beklagte - anders als er selbst - davon ausging, dass seine Verpflichtung aus der Erklärung vom 30.09.2014 über den Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung seiner Schwester hinaus andauert. Gleichwohl hat er - ohne hierfür Gründe zu nennen - die Anfechtung seiner Erklärung erst mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10.07.2017 und damit nicht unverzüglich erklärt.

b) Die Verpflichtung des Klägers endete auch nicht bereits mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft am 28.12.2015 und erst recht nicht - wie der Kläger offenbar meint - bereits mit der Asylantragstellung, was zur Folge hätte, dass der Kläger die seiner Schwester erst ab dem 01.01.2016 bewilligten Leistungen auch nicht teilweise zu erstatten hätte. Denn nach dem insoweit eindeutigen, keiner Auslegung bedürftigen Wortlaut der Verpflichtungserklärung endete die Verpflichtung erst mit Erteilung eines Aufenthaltstitels (zu einem anderen Aufenthaltszweck). Bei der Aufenthaltsgestattung handelt es sich jedoch nicht um einen Aufenthaltstitel, der von der Ausländerbehörde zu erteilen ist. Vielmehr tritt die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylG (im Zeitpunkt des Asylantrags der Schwester noch AsylVfG) unter den dort genannten Voraussetzungen kraft Gesetzes ein (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 05.07.2013 - 4 LC 317/11 -, juris Rdnr. 31 ). Darüber hinaus haftet der Verpflichtungsgeber nach dem insoweit ebenfalls eindeutigen Wortlaut der Verpflichtungserklärung (Seite 2) auch für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Leistungen erhält nicht nur der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchst b) AsylbLG), sondern auch der Asylbewerber, dessen Aufenthalt gestattet ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG).

c) Die von dem Kläger mit seiner Erklärung vom 30.09.2014 eingegangene Verpflichtung endete jedoch am 12.01.2016 mit der Folge, dass die Beklagte die Erstattung von Leistungen, die sie nach diesem Zeitpunkt erbracht hat, nicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verlangen kann. Denn am 13.01.2016 hat die Beklagte der Schwester des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis "zu einem anderen Aufenthaltszweck" im Sinne der Verpflichtungserklärung erteilt. […]

Hiervon ausgehend, ist die Erklärung des Klägers dahin auszulegen, dass die von ihm eingegangene Verpflichtung zur Erstattung von Leistungen bereits mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage endete.

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings in seinem Urteil vom 26.01.2017 (- 1 C 10.16 -, juris Rdnr. 27 ff.) zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Begriff "Aufenthaltszweck" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes auszugehen sei. Der Begriff des "Aufenthaltszwecks" im Sinne der Verpflichtungserklärungen erfasse daher grundsätzlich jeden Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen, wie sie - unter dieser Überschrift – vom Gesetzgeber im Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes zusammengefasst seien. […] Diese Auffassung übersieht jedoch, dass es hier nicht um die - unter anderem anhand der Gesetzessystematik - vorzunehmende Auslegung eines vom Aufenthaltsgesetz verwendeten Begriffs geht, sondern um die - anhand der oben genannten Kriterien vorzunehmende - Auslegung eines Begriffs in einer Willenserklärung. Dann aber lässt der Wortlaut der Wendung "zu einem anderen Aufenthaltszweck" in der von dem Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung - auch aus der Sicht des fachkundigen Mitarbeiters einer Ausländerbehörde - eine Auslegung zu, wonach sich der Aufenthaltszweck auf die jeweilige Rechtsgrundlage der erteilten Aufenthaltserlaubnis bezieht. Dies gilt ebenso für die insoweit gleichlautende Formulierung in der Erklärung vom 24.09.2014. Denn jede der in Abschnitt 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes geregelten Rechtsgrundlagen für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen knüpft an unterschiedliche Tatbestände an und regelt somit jeweils unterschiedliche - humanitäre - Aufenthaltszwecke. Während etwa § 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigten voraussetzt, werden in den §§ 25a und 25b AufenthG bestimmte Anforderungen an die Integration des betreffenden Ausländers gestellt. Darüber hinaus wäre eine Formulierung, wonach die Verpflichtung mit der Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels "nach einer anderen Rechtsgrundlage" endet, eindeutig und einer Auslegung gar nicht bedürftig.

bb) Steht somit der Wortlaut der Verpflichtungserklärung der hier vertretenen Auslegung nicht entgegen, sprechen auch die in einem zweiten Schritt heranzuziehenden Begleitumstände dafür, dass nach dem Inhalt der abgegebenen Erklärung die Verpflichtung des Klägers, die für den Lebensunterhalt seiner Schwester aufgewendeten Leistungen zu erstatten, mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage endete.

Die Ausländerbehörde der Beklagten hat die Verpflichtungserklärung des Klägers im Zusammenhang mit der Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport (im Folgenden: Niedersächsisches Innenministerium) vom 30.08.2013 zur "Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für syrische Flüchtlinge, die eine Aufnahme durch ihre in Niedersachsen lebenden Verwandten beantragen" (im Folgenden Aufnahmeanordnung) entgegengenommen. Das folgt schon aus dem in das Bemerkungsfeld aufgenommenen Text, in dem auf diese Anordnung ausdrücklich Bezug genommen wird. Der Inhalt dieser Anordnung ist damit ein in die Auslegung der Verpflichtungserklärung einzubeziehender Begleitumstand, der Aufschluss über die Bedeutung der Wendung "Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" geben kann.

Die Aufnahmeanordnung regelt damit lediglich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG und fordert - im Einklang mit Satz 2 der Vorschrift - die Abgabe einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG. Sie enthält dagegen keine Regelung für den Fall, dass der Verpflichtungsbegünstigte einen Asylantrag stellen und im Falle der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erhalten sollte. So gehen etwa die Anwendungshinweise des Niedersächsischen Innenministeriums vom 03.09.2013 zur Aufnahmeanordnung vom 30.08.2013 davon aus, dass die einladenden Verwandten ihre Angehörigen in ihren Räumlichkeiten unterbringen und hierfür ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Davon kann jedoch wegen der grundsätzlichen – und auch im Falle des Besitzes eines Aufenthaltstitels mit einer Gültigkeit von weniger als sechs Monaten bestehenden - Verpflichtung eines Asylbewerbers, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG), und wegen der möglichen Zuweisung des Asylbewerbers an einen anderen Wohnort nicht immer ausgegangen werden.

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Verpflichtungserklärung, die nach der Aufnahmeanordnung Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG war, mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG enden sollte, ergibt sich aus der Begründung des Niedersächsischen Innenministeriums dafür, dass es mit der Aufnahmeanordnung vom 22.12.2014 die Kosten für Leistungen bei Krankheit etc. ausdrücklich von der Verpflichtung ausgenommen hat. Dies wurde nämlich damit begründet, dass "diese Leistungen nach §§ 4, 6 AsylbLG von den zuständigen Behörden gewährt werden". Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach§ 25 Abs. 2 AufenthG erhalten jedoch keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder - wie die Schwester des Klägers - nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und fallen somit nicht – mehr - unter die Aufnahmeanordnung. Dass die Aufnahmeanordnung lediglich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG regeln wollte mit der Folge, dass eine auf der Grundlage der Aufnahmeanordnung eingegangene Verpflichtung zur Erstattung öffentlicher Mittel mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage nach dem insoweit maßgeblichen Verständnis der Ausländerbehörde enden sollte, belegt auch folgende Äußerung des Niedersächsischen Innenministeriums in seiner Antwort vom 17.01.2018 (LT-Drs. 18/185) auf eine Kleine Anfrage vom 18.12.2017 (LT-Drs. 18/94):
"Obgleich das Landesprogramm nicht darauf ausgerichtet war, dass die Einreisenden im Bundesgebiet einen Asylantrag stellen - eine Aufenthaltsperspektive hatten die hiervon Begünstigten bereits unmittelbar aufgrund des Programmes -, kam es in der Folge teilweise zu Asylanträgen, die auch mit einer Schutzanerkennung nach dem Asylgesetz beschieden wurden."

Ein weiterer Begleitumstand, der Aufschluss darüber gibt, wie die Ausländerbehörde der Beklagten die Erklärung des Klägers verstehen durfte, ist folgende Äußerung des Niedersächsischen Innenministeriums über den Inhalt der im Zusammenhang mit der Aufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärungen. In dessen Erlass vom 09. 12. 2014 (https://www.nds-fluerat.org/infomaterial/erlasse-des-niedersaechsischen-ministeriums/) wird ausgeführt:

"Der Systematik des Aufenthaltsgesetzes folgend, bezieht sich der Aufenthaltszweck auf die jeweilige spezielle Erteilungsgrundlage ...

Dies gilt auch für Verpflichtungserklärungen, die im Rahmen meines Runderlasses vom 03.03.2014 ("Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für syrische Flüchtlinge, die ein Aufnahme durch ihre in Niedersachsen lebenden Verwandten beantragen" ... ) abgegeben wurden und werden."
Diese Auffassung wird vom Niedersächsischen Innenministerium weiterhin vertreten. In seiner Antwort vom 17.01.2018 (LT-Drs. 18/185) auf die Kleine Anfrage vom 18.12.2017 (LT-Drs. 18/94) heißt es:

"Am 10.04.2015 wurden die niedersächsischen Ausländerbehörden ergänzend auf Folgendes hingewiesen:

"(...) wurden Sie darauf hingewiesen, dass nach hiesiger Auffassung ein Aufenthaltstitel bei Aufenthaltsgewährung durch die oberste Landesbehörde (§ 23 Abs. 1 AufenthG) im Vergleich zu einem Aufenthaltstitel für anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Konvention (§ 25 Abs. 2 AufenthG) einen anderen Aufenthaltszweck begründet. Folglich endet danach die Dauer der Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG für im Rahmen der niedersächsischen Aufnahmeanordnung eingereiste Syrer mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG.

Diese Auffassung wird auch weiterhin vertreten." [...]

2. Selbst wenn sich die Verpflichtungserklärung des Klägers entgegen der hier vertretenen Auffassung auf den gesamten hier relevanten Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.05.2016, für den die Beklagte Kostenerstattung verlangt, erstrecken und die übernommene Verpflichtung nicht bereits mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG am 12.01.2016 geendet haben sollte, wäre der angefochtene Bescheid in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang rechtswidrig und würde den Kläger in seinen Rechten verletzen, da die Beklagte ein von ihr auszuübendes Ermessen nicht ausgeübt hätte. [...]

Danach wäre hier von einem atypischen Fall auszugehen. Dies folgt zwar nicht daraus, dass die Beklagte die finanzielle Belastbarkeit des Klägers nicht geprüft hat. [...]

Ein atypischer Fall wäre hier jedoch aus folgenden Gründen anzunehmen: Die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge stellt - wie bereits die Aufnahme bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge in den 1990er Jahren - auch eine öffentliche Angelegenheit dar (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33.97 -, juris Rdnr. 61, das unter den damals gegebenen Umständen einen atypischen Fall bejaht hat). Dementsprechend sollten die mit der Aufnahme verbundenen Lasten und Risiken nach den - oben dargelegten - Vorstellungen des Niedersächsischen Innenministeriums lediglich für einen überschaubaren Zeitraum, nämlich bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach einer anderen Rechtsgrundlage, von Privaten getragen werden. Nach dem - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmenden - Inhalt der Verpflichtungserklärung würde die Haftung des Verpflichtungsgebers jedoch weit über die Haftung hinausgehen, die nach den Vorstellungen des Niedersächsischen Innenministeriums mit der Abgabe der Verpflichtungserklärung gewollt war. Dies würde einen atypischen Fall begründen mit der Folge, dass über das Ob und die Höhe der Erstattung für Leistungen, die nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erbracht worden sind, im Wege einer Ermessensentscheidung zu befinden wäre (vgl. OVG NRW, Urt. v. 08.12.2017 – 18 A 1125/16 -, Rdnr. 60). [...]