VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 19.01.2018 - 18 K 3183/17.A - Asylmagazin 5/2018, S. 163 - asyl.net: M26068
https://www.asyl.net/rsdb/M26068
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für regimekritischen Künstler und seiner Familie aus dem Nordirak:

1. Einem Künstler, der als Filmregisseur, Fotograf und Cartoonist tätig ist und sich in der Vergangenheit durch seine Arbeit regimekritisch geäußert hat, droht bei einer Rückkehr in den Irak eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Er ist ebenso gefährdet wie z.B. ein regimekritischer Journalist.

2. Keine inländische Schutzalternative in anderen Teilen des Irak, da der kurdische Geheimdienst auch außerhalb der kurdischen Gebiete agiert und die Rückkehr einer exponierten Person mit großer Wahrscheinlichkeit dem Geheimdienst bekannt werden würde.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Irak, Kurdische Autonomiegebiete, Journalist, Flüchtlingsanerkennung, Künstler, regimekritisch, oppositionelle Gesinnung, individuelle Verfolgung, Bedrohung, Familienasyl, Rückkehrgefährdung, Geheimdienst, Regisseur, Fotograf, Cartoonist, Berufsgruppe,
Normen: AsylG § 3, AsyL § 3e,
Auszüge:

[...]

Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Denn es ist davon auszugehen, dass ihm im Fall seiner Rückkehr in den Irak politische Verfolgung wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der kurdischen Regierung droht. Der Kläger hat auch überzeugend geschildert, dass [...] Der Kläger hat erläutert, dass seine künstlerische Arbeit verboten wurde und dass etwa sein regimekritischer Film nicht mehr in den Kinos gezeigt werden durfte. Mit Blick auf diese regimekritische Betätigung des Klägers und auf das Tätigwerden des kurdischen Geheimdienstes ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger im Fall seiner Rückkehr wegen seiner politischen Überzeugung mit Verfolgung zu rechnen hat.

Angesichts der im Schriftsatz der Kläger vom 18.1.2018 zutreffend dargestellten Auskunftslage Übergriffen auf Journalisten ist das Gericht davon überzeugt, dass die vom Kläger zu 1. geschilderte Verfolgungsfurcht auch durch die tatsächlichen Verhältnisse in den Kurdischen Autonomieregion begründet ist. Dabei geht das Gericht davon aus, dass diejenigen Personen, die regimekritische Filme produzieren, genauso behandelt werden wie regimekritische Journalisten.

Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts im Fall seiner Rückkehr auch landesweit politische Verfolgung zu befürchten. Da er durch seine regimekritischen Werke in das Visier des kurdischen Geheimdienstes geraten ist, ist davon auszugehen, dass er auch bei Rückkehr in einen anderen Landesteil des Irak nicht vor Verfolgung sicher sein könnte. Denn es ist nicht anzunehmen, dass der kurdische Geheimdienst ausschließlich in der Kurdischen Autonomieregion tätig ist. Auch hat sich der Kläger durch seine kritischen Werke so stark exponiert, dass damit zu rechnen, dass er im Fall seiner Rückkehr wieder in das Blickfeld des Geheimdienstes geraten würde. [...]