BlueSky

VG Hamburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 27.07.2016 - 4 A 5668/15 - asyl.net: M24246
https://www.asyl.net/rsdb/M24246
Leitsatz:

Ein Drittstaatenbescheid ist bei Minderjährigen aufgrund der Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-Verordnung unzulässig.

Schlagwörter: Asylverfahren, sichere Drittstaaten, unzulässig, subsidiärer Schutz, Italien, unbegleitete Minderjährige, minderjährig, Drittstaatenregelung, ausländische Anerkennung,
Normen: AsylG § 26a
Auszüge:

[...]

Die Beklagte kann die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig auch nicht auf § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG stützen (anders noch der Einzelrichter im Gerichtsbescheid).

§ 26a AsylVfG, der auf dem Gedanken beruht, dass nicht schutzbedürftig ist, wer in einem sicheren Drittstaat hätte Schutz finden können, gilt allerdings auch für Fälle, in denen der Asylbewerber Schutz gefunden hat (OVG Münster, Beschl. v. 11.5.2015, 14 A 926/15, Juris-Rn. 12; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 8.5.2015, 18a K 3619/14a, Juris-Rn. 43; VG Hamburg, Urt. v. 9.10.2015, 11 A 289/15). Der Wortlaut steht dem nicht entgegen.

Die Anwendung des § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist vorliegend aber durch § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG ausgeschlossen. Danach gilt § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist Die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland folgt aus Art. 6 Abs. 2 Dublin-II-VO, die für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III VO maßgeblich ist, unter Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Juni 2013 (C-648/11 ). Die Dublin-II-VO findet noch Anwendung, weil der erste Antrag auf internationalen Schutz bereits am 25. November 2012 in Italien gestellt wurde. Sie findet auch trotz der in Italien erfolgten Anerkennung des subsidiären Schutzstatus weiterhin Anwendung. Denn es ist im Fall der Klägerin vom Vorliegen eines sog. Wiederaufnahmefalls nach Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-II-VO auszugehen und damit davon, dass auf den Antrag weiterhin die Regeln der Dublin-II-VO anwendbar sind (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 29.4.2015, A 11 S 57/15 - Juris-Rn. 33ff.). Diese Zuständigkeit galt indes nicht mehr fort, denn die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund von Art. 6 Abs. 2 Dublin-II-VO zuständig geworden. Die Klägerin hat am 15. Mai 2014 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt. Sie war zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig, denn die Beteiligten gehen mittlerweile übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin erst am 20. Dezember 1998 geboren wurde. Als unbegleitete Minderjährige aber (vgl. die Altersgrenze von 18 Jahren in Art. 2 lit. h) Dublin II-VO) hatte die Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt nach Art. 6 Abs. 2 Dublin-II-VO einen materiellen Anspruch darauf, dass ihr noch offenes Asylverfahren in dem Mitgliedstaat geprüft wird, in dem sie sich aufhält und einen Asylantrag gestellt hat, hier also in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Rechtsfolge ergibt sich zwingend aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Juni 2013 in der Sache C-648/11 (Vorabentscheidungsersuchen, Juris). [...]