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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 17.07.2014 - C-141/12; C-372/12, Y.S. u.a. gegen Niederlande - asyl.net: M22204
https://www.asyl.net/rsdb/M22204
Leitsatz:

1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie) ist dahin auszulegen, dass es sich zum einen bei den Daten über denjenigen, der einen Aufenthaltstitel beantragt, die in einem Verwaltungsdokument wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden "Entwurfsschrift" wiedergegeben sind, in dem im Rahmen des Verfahrens, das dem Erlass einer Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines derartigen Titels vorgeschaltet ist, der zuständige Sachbearbeiter die Gründe darlegt, auf denen der Entscheidungsentwurf beruht, und zum anderen bei den Daten, die gegebenenfalls in der in der Entwurfsschrift enthaltenen rechtlichen Analyse wiedergegeben sind, um "personenbezogene Daten" im Sinne dieser Bestimmung handelt. Diese Einstufung gilt allerdings nicht für die Analyse als solche.

2. Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 8 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass derjenige, der einen Aufenthaltstitel beantragt, ein Auskunftsrecht hinsichtlich sämtlicher ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, die Gegenstand einer Verarbeitung durch die nationalen Verwaltungsbehörden im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie sind. Zur Wahrung dieses Auskunftsrechts genügt es, dass der Antragsteller eine vollständige Übersicht dieser Daten in verständlicher Form erhält, d. h. in einer Form, die es ihm ermöglicht, von den genannten Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der Richtlinie gemäß verarbeitet werden, so dass er gegebenenfalls die ihm in dieser Richtlinie verliehenen Rechte ausüben kann.

3. Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass derjenige, der einen Aufenthaltstitel beantragt, sich gegenüber den nationalen Behörden nicht auf diese Bestimmung berufen kann.

Schlagwörter: Datenschutz, Übermittlung personenbezogener Daten, Achtung der Privatsphäre, Auskunftsrecht, informationelles Selbstbestimmungsrecht, Informationspflicht, Recht auf eine gute Verwaltung, Unionsrecht, Aufenthaltstitel, Aufenthaltserlaubnis,
Normen: RL 95/46/EG Art. 2 Bst. a, RL 95/46/EG Art. 12 Bst. a, GR-Charta ARt. 8 Abs. 2, GR-Charta Art. 41,
Auszüge:

[...]

Mit der ersten und der zweiten Frage in der Rechtssache C-141/12 und mit der fünften Frage in der Rechtssache C-372/12, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass es sich bei den Daten über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantragt, und der rechtlichen Analyse, die in der Entwurfsschrift enthalten sind, um "personenbezogene Daten" im Sinne dieser Bestimmung handelt.

Zwar sind alle Beteiligten, die zu diesem Punkt Stellung genommen haben, der Auffassung, dass die in der Entwurfsschrift enthaltenen Daten über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantragt, unter den Begriff "personenbezogene Daten" fallen, und schlagen daher vor, die erste Frage in der Rechtssache C-141/12 zu bejahen, doch hinsichtlich der rechtlichen Analyse in diesem Verwaltungsdokument, die Gegenstand der zweiten Frage in derselben Rechtssache und der fünften Frage in der Rechtssache C-372/12 ist, weichen die Ansichten voneinander ab.

Sowohl Y. S., M. und S. als auch die griechische, die österreichische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission sind der Ansicht, dass die rechtliche Analyse, soweit sie sich auf eine konkrete natürliche Person beziehe und auf der individuellen Situation und den individuellen Merkmalen dieser Person beruhe, ebenfalls unter diesen Begriff falle. Die griechische Regierung und die Kommission weisen allerdings darauf hin, dass dies ausschließlich für rechtliche Analysen gelte, die Informationen über eine natürliche Person enthielten, nicht jedoch für rechtliche Analysen, die lediglich eine abstrakte rechtliche Auslegung enthielten, während M. und S. die Auffassung vertreten, dass selbst eine solche abstrakte Auslegung in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung falle, sofern sie für die Beurteilung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels maßgeblich sei und im konkreten Fall des Antragstellers zur Anwendung komme.

Die niederländische, die tschechische und die französische Regierung sind demgegenüber der Ansicht, dass die in einer Entwurfsschrift enthaltene rechtliche Analyse nicht unter den Begriff "personenbezogene Daten" falle.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 personenbezogene Daten definiert sind als "alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person".

Bei den Daten, die in einer Entwurfsschrift über denjenigen enthalten sind, der die Gewährung eines Aufenthaltstitels beantragt – wie dessen Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Sprache –, handelt es sich jedoch ohne Zweifel um Informationen über die in dieser Entwurfsschrift u. a. namentlich bezeichnete natürliche Person, und folglich sind diese Daten als "personenbezogene Daten" einzustufen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Huber, C-524/06, EU:C:2008:724, Rn. 31 und 43).

Die in einer Entwurfsschrift enthaltene rechtliche Analyse kann zwar personenbezogene Daten enthalten, doch handelt es sich bei ihr selbst nicht um solche Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46.

Wie die Generalanwältin in Nr. 59 ihrer Schlussanträge sowie die österreichische, die tschechische und die französische Regierung ausgeführt haben, handelt es sich bei einer solchen rechtlichen Analyse nämlich nicht um eine Information über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantragt, sondern höchstens, soweit sie sich nicht auf eine rein abstrakte Rechtsauslegung beschränkt, um eine Information darüber, wie die zuständige Behörde dieses Recht im Fall dieses Antragstellers beurteilt und anwendet, denn dieser Fall wird u. a. anhand der personenbezogenen Daten behandelt, die dieser Behörde über seine Person vorliegen.

Diese Auslegung des Begriffs "personenbezogene Daten" im Sinne der Richtlinie 95/46 ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut ihres Art. 2 Buchst. a, sondern wird auch durch den Sinn und Zweck dieser Richtlinie gestützt.

Diese soll nach ihrem Art. 1 die Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere die Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten schützen und dadurch den freien Verkehr dieser Daten zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen.

Nach dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 finden die Prinzipien zum Schutz der natürlichen Personen zum einen ihren Niederschlag in den Pflichten, die den Personen obliegen, die die Daten über diese Personen verarbeiten, und zum anderen kommen sie zum Ausdruck in den Rechten der Personen, deren Daten Gegenstand von Verarbeitungen sind, über diese informiert zu werden, Zugang zu den Daten zu erhalten, ihre Berichtigung verlangen bzw. unter gewissen Voraussetzungen Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegen zu können.

Hinsichtlich der Rechte der betroffenen Person im Sinne der Richtlinie 95/46 setzt der Schutz des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre insbesondere voraus, dass sich diese Person vergewissern kann, dass ihre personenbezogenen Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden. So ergibt sich aus dem 41. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass die betroffene Person, damit sie die nötigen Nachprüfungen durchführen kann, gemäß Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden Daten hat, die Gegenstand einer Verarbeitung sind. Dieses Auskunftsrecht ist insbesondere erforderlich, um der betroffenen Person gegebenenfalls zu ermöglichen, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen und somit das Recht nach Art. 12 Buchst. b der genannten Richtlinie auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Rijkeboer, C-553/07, EU:C:2009:293, Rn. 49 und 51).

Im Gegensatz zu den in der Entwurfsschrift enthaltenen Daten über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantragt, die die Tatsachengrundlage für die in der Entwurfsschrift enthaltene rechtliche Analyse darstellen können, kann eine solche Analyse selbst, wie die niederländische und die französische Regierung ausgeführt haben, nicht Gegenstand einer Nachprüfung durch diesen Antragsteller und einer Berichtigung gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 sein.

Würde daher das Auskunftsrecht der Person, die einen Aufenthaltstitel beantragt, auf diese rechtliche Analyse ausgedehnt, so würde dies in Wirklichkeit nicht dem Ziel dieser Richtlinie dienen, den Schutz der Privatsphäre dieses Antragstellers bei der Verarbeitung von ihn betreffenden Daten zu gewährleisten, sondern dem Ziel, ihm ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten zu sichern, auf das die Richtlinie 95/46 jedoch nicht gerichtet ist.

In einem ähnlichen Zusammenhang betreffend die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Unionsorgane, die durch die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. L 8, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) geregelt ist, hat der Gerichtshof in Rn. 49 des Urteils Kommission/Bavarian Lager (C-28/08 P, EU:C:2010:378) bereits festgestellt, dass diese Verordnungen unterschiedliche Ziele haben und dass die Verordnung Nr. 45/2001 – im Gegensatz zur Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht durch eine Erleichterung der Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten für die Transparenz des Entscheidungsprozesses staatlicher Stellen sorgen und eine gute Verwaltungspraxis fördern soll. Diese Feststellung gilt auch für die Richtlinie 95/46, deren Ziel im Wesentlichen dem der Verordnung Nr. 45/2001 entspricht.

Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage in der Rechtssache C-141/12 sowie auf die fünfte Frage in der Rechtssache C-372/12 zu antworten, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass es sich bei den in der Entwurfsschrift wiedergegebenen Daten über denjenigen, der einen Aufenthaltstitel beantragt, und den Daten, die gegebenenfalls in der in der Entwurfsschrift enthaltenen rechtlichen Analyse wiedergegeben sind, um "personenbezogene Daten" im Sinne dieser Bestimmung handelt. Diese Einstufung gilt allerdings nicht für die Analyse als solche.

Zur sechsten Frage in der Rechtssache C-372/12 betreffend die Möglichkeit einer Beschränkung des Auskunftsrechts

Angesichts der Antwort, die auf die erste und die zweite Frage in der Rechtssache C-141/12 sowie auf die fünfte Frage in der Rechtssache C-372/12 gegeben worden ist, und da das vorlegende Gericht darauf hingewiesen hat, dass die sechste Frage in der Rechtssache C-372/12 nur dann einer Antwort bedarf, wenn die in der Entwurfsschrift enthaltene rechtliche Analyse als personenbezogene Daten einzustufen ist, ist die sechste Frage nicht zu beantworten.

Zur dritten und zur fünften Frage in der Rechtssache C-141/12 und zur ersten und zur zweiten Frage in der Rechtssache C-372/12 betreffend den Umfang des Auskunftsrechts

Mit der dritten und der fünften Frage in der Rechtssache C-141/12 sowie mit der ersten und der zweiten Frage in der Rechtssache C-372/12, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 8 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass derjenige, der einen Aufenthaltstitel beantragt, hinsichtlich der ihn betreffenden in der Entwurfsschrift enthaltenen Daten ein Auskunftsrecht hat und, wenn das der Fall ist, ob dieses Auskunftsrecht impliziert, dass die zuständigen Behörden ihm eine Kopie dieser Entwurfsschrift übermitteln müssen, oder ob es genügt, wenn sie ihm eine vollständige Übersicht dieser Daten in verständlicher Form übermitteln.

Alle Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof stimmen darin überein, dass Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 demjenigen, der einen Aufenthaltstitel beantragt, ein Auskunftsrecht in Bezug auf sämtliche in der Entwurfsschrift enthaltenen personenbezogenen Daten gewährt, doch weichen ihre Auffassungen zum konkreten Umfang dieses Rechts je nach ihrer Auslegung des Begriffs "personenbezogene Daten" voneinander ab.

Hinsichtlich der Form dieses Auskunftsrechts meinen Y. S., M. und S. sowie die griechische Regierung, dass der Antragsteller ein Recht darauf habe, eine Kopie der Entwurfsschrift zu erhalten. Nur anhand einer solchen Kopie könne er sich nämlich vergewissern, dass er über sämtliche ihn betreffenden personenbezogenen Daten verfüge, die in der Entwurfsschrift enthalten seien.

Die niederländische, die tschechische, die französische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission sind demgegenüber der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten weder nach Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 noch nach Art. 8 Abs. 2 der Charta verpflichtet seien, demjenigen, der einen Aufenthaltstitel beantrage, eine Kopie der Entwurfsschrift zukommen zu lassen. Es gebe nämlich andere Möglichkeiten, die in einem solchen Dokument enthaltenen personenbezogenen Daten in verständlicher Form mitzuteilen, insbesondere dadurch, dass dem Betroffenen eine vollständige und verständliche Übersicht dieser Daten übermittelt werde.

Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/46, soweit sie die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffen, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen kann, im Licht der Grundrechte auszulegen sind, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, und nun in der Charta verankert sind (vgl. u.a. Urteile Connolly/ Kommission, C-274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 37, Österreichischer Rundfunk u. a., C-465/00, C-138/01 und C-139/01, EU:C:2003:294, Rn. 68, sowie Google Spain und Google, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 68).

Art. 8 der Charta, die den Schutz personenbezogener Daten gewährleistet, sieht in seinem Abs. 2 u.a. vor, dass jede Person das Recht hat, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten. Dieses Erfordernis wird durch Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 durchgeführt (vgl. in diesem Sinne Urteil Google Spain und Google, EU:C:2014:317, Rn. 69).

 

Nach dieser Bestimmung der Richtlinie 95/46 garantieren die Mitgliedstaaten jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen frei und ungehindert in angemessenen Abständen ohne unzumutbare Verzögerung oder übermäßige Kosten eine Mitteilung in verständlicher Form über die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, sowie die verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten zu erhalten.

Die Mitgliedstaaten sind somit nach der Richtlinie 95/46 zwar verpflichtet, dafür zu sorgen, dass jede betroffene Person vom für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten Verantwortlichen sämtliche sie betreffenden Daten dieser Art erhält, die dieser verarbeitet, sie überlässt es den Mitgliedstaaten jedoch, festzulegen, in welcher konkreten Form diese Mitteilung zu erfolgen hat, soweit sie "verständlich" ist, d.h. es der betroffenen Person ermöglicht, von diesen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der Richtlinie gemäß verarbeitet werden, so dass diese Person gegebenenfalls die ihr in den Art. 12 Buchst. b und c, 14, 22 und 23 dieser Richtlinie verliehenen Rechte ausüben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Rijkeboer, EU:C:2009:293, Rn. 51 und 52).

Soweit daher das mit diesem Auskunftsrecht angestrebte Ziel durch eine andere Form der Mitteilung vollständig erreicht werden kann, steht der betroffenen Person weder aus Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 noch aus Art. 8 Abs. 2 der Charta das Recht zu, eine Kopie des Dokuments oder der Originaldatei, in der diese Daten enthalten sind, zu erhalten. Damit die betroffene Person keinen Zugang zu anderen Informationen als den sie betreffenden personenbezogenen Daten erhält, kann sie eine Kopie des Dokuments oder der Originaldatei erhalten, in denen diese anderen Informationen unkenntlich gemacht wurden.

In Fällen wie denen, die zu den Ausgangsverfahren geführt haben, folgt aus der in Rn. 48 des vorliegenden Urteils gegebenen Antwort, dass nur die Daten, die in der Entwurfsschrift über denjenigen, der einen Aufenthaltstitel beantragt, wiedergegeben sind, und die Daten, die gegebenenfalls in der in der Entwurfsschrift enthaltenen rechtlichen Analyse wiedergegeben sind, "personenbezogene Daten" im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind. Folglich bezieht sich das Auskunftsrecht, auf das sich dieser Antragsteller gemäß Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 8 Abs. 2 der Charta berufen kann, ausschließlich auf diese Daten. Zur Wahrung des Auskunftsrechts genügt es, wenn der Antragsteller eine vollständige Übersicht dieser Daten in verständlicher Form erhält, d. h. in einer Form, die es ihm ermöglicht, von diesen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und dieser Richtlinie gemäß verarbeitet werden, so dass er gegebenenfalls die ihm in den Art. 12 Buchst. b und c, 14, 22 und 23 der genannten Richtlinie verliehenen Rechte ausüben kann.

Nach alledem ist auf die dritte und die fünfte Frage in der Rechtssache C-141/12 sowie auf die ersteund die zweite Frage in der Rechtssache C-372/12 zu antworten, dass Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46 und Art. 8 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass derjenige, der einen Aufenthaltstitel beantragt, ein Auskunftsrecht hinsichtlich sämtlicher ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, die Gegenstand einer Verarbeitung durch die nationalen Verwaltungsbehörden im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie sind. Zur Wahrung dieses Auskunftsrechts genügt es, dass dieser Antragsteller eine vollständige Übersicht dieser Daten in verständlicher Form erhält, d. h. in einer Form, die es ihm ermöglicht, von diesen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der Richtlinie gemäß verarbeitet werden, so dass er gegebenenfalls die ihm in der Richtlinie verliehenen Rechte ausüben kann. [...]