LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.11.2010 - 2-29 T 171/2010 - asyl.net: M18091
https://www.asyl.net/rsdb/M18091
Leitsatz:

Feststellung, dass die Kosten eines Dolmetschers für die Führung eines Gesprächs des sich in Abschiebungshaft befindenden Betroffenen mit seinem Rechtsanwalt von der Staatskasse zu tragen sind.

Schlagwörter: Sicherungshaft, Dolmetscher, Kostenerstattung, Zwischenentscheidung, Rechtsweggarantie, Rechtsanwalt, vorbereitendes Gespräch, Kosten, Staatskasse, Abschiebungshaft
Normen: EMRK Art. 6 Abs. 3, FamFG § 420, KostO § 128c, FamFG § 81 Abs. 1 S. 2
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main war deshalb aufzuheben. Es war festzustellen, dass die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers für die Führung eines Gespräches zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer in der JVA Offenbach von der Staatskasse zu tragen sind.

Das ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e EMRK. Nach dieser Norm hat ein Angeklagter im Strafverfahren, der die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann, Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers. Damit soll sichergestellt werden, dass er ein faires Verfahren erhält. Wegen dieser Zweckrichtung besteht der Anspruch im gesamten Verfahren und nicht etwa nur in der eigentlichen Hauptverhandlung. Dieser Gesichtspunkt gilt auch im Freiheitsentziehungsverfahren gegen einen Betroffenen, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist (BGH, InfAuslR 2010, 246). Hier schreibt die Europäische Menschenrechtskonvention in Art. 5 Abs. 2 zwar nur vor, dass dem Betroffenen in einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt werden muss, weshalb gegen ihn Sicherungshaft angeordnet werden soll. Nicht anders als ein Angeklagter im Strafverfahren kann der Betroffene seine Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren aber effektiv nur wahrnehmen, wenn ihm jedenfalls in der nach § 420 FamFG vorgeschriebenen Anhörung unentgeltlich ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt wird. Das gilt insbesondere dann, wenn ihm in der Anhörung der Haftantrag eröffnet werden soll. Es entspricht deshalb in aller Regel billigem Ermessen, im Freiheitsentziehungsverfahren von der Erhebung der Dolmetscherkosten, die der Betroffene sonst bei Anordnung der Sicherungshaft nach § 128c KostO zu tragen hätte, nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abzusehen (BGH, a.a.O.).

Darüber hinaus kann sich in Anlehnung an die Entwicklung der Rechtsprechung im Strafverfahren bereits für vorbereitende Gespräche die Verpflichtung der Staatskasse ergeben, die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers zu tragen, soweit dies für eine Verständigung des Betroffenen mit seinem Verfahrensbevollmächtigten und für eine sachgemäße Vertretung des Betroffenen erforderlich ist, wobei der Anspruch nicht von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Betroffenen abhängig ist. Er hat einen Anspruch darauf, dass das Gericht der Hauptsache ihm nach sachlicher Prüfung der Erforderlichkeit vor einem solchen Gespräch eine Kostenzusage für die Zuziehung eines Dolmetschers erteilt (vgl. Keidel, a.a.O., § 419, Rdnr. 7 m.w.N.; OLG Celle StV 2005, 452; OLG München 2006, 212, 213).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend zumindest für ein Gespräch zwischen dem Betroffenen und seinem Verfahrensbevollmächtigten gegeben, um die einzelnen Aspekte des Freiheitsentziehungsverfahrens und das weitere Vorgehen (Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 2.11.2010? Erfolgsaussichten?) besprechen zu können. Vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen von diesem erst nach dem Verlängerungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21.1.2010 mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Freiheitsentziehungsverfahren beauftragt worden ist. Der Verfahrensbevollmächtigte war demnach bei der vorn Amtsgericht am 2.11.2010 durchgeführten Anhörung nicht anwesend, so dass er sich die dort erbrachten Dolmetscherleistungen zur Verständigung mit seinem Mandanten nicht zu Nutze machen konnte. Insoweit ist für eine sachgemäße Vertretung des Betroffenen ein Gespräch mit seinem Verfahrensbevollmächtigten unter Hinzuziehung eines professionellen Dolmetschers erforderlich. Der Verfahrensbevollmächtigte ist der Sprache des Betroffenen nicht mächtig, der Betroffene spricht nur unzureichend Englisch und die Hinzuziehung des im Schriftsatz vor 24.11.2010 erwähnten Verwandten des Betroffenen als Sprachmittler scheitert bereits daran, dass dieser nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, zumal auch die Vertraulichkeit des Mandantengespräches unter Hinzuziehung des Sprachmittlers in der JVA Offenbach a.M. aus den im Schriftsatz vorn 24.11.2010 genannten Gründen nicht gewährleistet erscheint, worauf es letztendlich aber aufgrund der unzureichenden Deutschkenntnisse des Sprachmittlers nicht ankommt. [...]