LG Göttingen

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Zitieren als:
LG Göttingen, Beschluss vom 30.09.2010 - 11 T 4 /10 - asyl.net: M17757
https://www.asyl.net/rsdb/M17757
Leitsatz:

Die Anordnung der Abschiebungshaft war rechtswidrig, da gegen die Betroffene ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen illegalen Aufenthalts eingeleitet worden war und vor der Inhaftierung kein Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung eingeholt wurde (vgl. BGH, Beschluss v. 18.8.2010 - V ZB 211/10 -).

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Zurückschiebung, Belgien, Sicherungshaft, Beschwerde, Ermittlungsverfahren, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, Erledigung der Hauptsache, Bundespolizei
Normen: AufenthG § 74 Abs. 4, AufenthG § 95, FamFG § 62
Auszüge:

[...]

b) Die Beschwerde ist auch begründet.

Der Abschiebehaftbeschluss des Amtsgerichts Duderstadt vom 01.09.2010 war aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft nicht vorgelegen haben.

Denn die Haft zur Sicherung der Abschiebung darf nur dann angeordnet werden, wenn die beabsichtigte Abschiebung grundsätzlich zulässig wäre. Dies war vorliegend aber nicht der Fall, weil das nach § 72 Abs. 4 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Göttingen zur Abschiebung der Betroffenen bei Erlass des Abschiebehaftbeschlusses durch das Amtsgericht Duderstadt nicht vorgelegen hat.

In den Fällen, in denen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden ist, führt das Fehlen des Einvernehmens der zuständigen Staatsanwaltschaft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dazu, dass die Anordnung von Haft zur Sicherung der Abschiebung ausscheidet. Auch sei es insoweit unerheblich, ob das Einvernehmen zu einem späteren Zeitpunkt hergestellt werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 18.08.2010, Az. V ZB 211/10). Ein solcher Fall liegt hier vor. Gegen die Betroffene ist von der Polizei D. am 01.09.2010 ein Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 95 des Aufenthaltsgesetzes eingeleitet worden, das nunmehr bei der Staatsanwaltschaft Göttingen unter dem Aktenzeichen ... geführt wird. Ausweislich der beiden Schreiben des Antragstellers vom 28.09.2010 an das Gericht und die Staatsanwaltschaft Göttingen lag ein Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Göttingen zum Zeitpunkt des Erlasses des Abschiebehaftbeschlusses durch das Amtsgericht Duderstadt nicht vor. Offensichtlich ist von der Staatsanwaltschaft Göttingen für vergleichbare Fälle, wie dem vorliegenden, auch nicht schon im Voraus ein generelles Einvernehmen erteilt worden. Denn andernfalls hätte es nicht des Schreibens des Antragstellers an die Staatsanwaltschaft Göttingen vom 28.09.2010 bedurft. Im Übrigen hat auch die Bundespolizei in Aachen unter dem 28.04.2010 gegen die Betroffene ein Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 95 des Aufenthaltsgesetzes eingeleitet. Auch insoweit hat der Antragsteller bisher kein Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft mitgeteilt.

Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft, war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 62 FamFG nicht vorliegen. Denn die angefochtene Entscheidung hat sich in der Hauptsache nicht erledigt. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Inhaftierung während des Beschwerdeverfahrens und vor Entscheidung über die Beschwerde beendet worden wäre.

Da der Abschiebehaftbeschluss des Amtsgerichts Duderstadt vom 01.09.2010 aufgehoben worden ist, ist die Betroffene unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

Da das Beschwerdegericht nach § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG in der Sache selbst zu entscheiden hat und die Haft nicht angeordnet werden durfte, war der Antrag des Antragstellers vom 01.09.2010 auf Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung zurückzuweisen. Insoweit wird auf die obige Begründung Bezug genommen. [...]