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LSG Hamburg

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Zitieren als:
LSG Hamburg, Urteil vom 08.10.2008 - L 4 AY 1/08 - asyl.net: M14814
https://www.asyl.net/rsdb/M14814
Leitsatz:

Die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Ausländer einen Asylantrag unter falschen Namen gestellt hat oder dass ihm eine Duldung zu Unrecht erteilt worden ist.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Rücknahme, Bewilligungsbescheid, Identitätstäuschung, Falschangaben, Duldung, Asylantrag, Ermessen
Normen: AsylbLG § 9 Abs. 3; SGB X § 45; AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 4; AsylbLG § 1a Nr. 2
Auszüge:

Die Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Ausländer einen Asylantrag unter falschen Namen gestellt hat oder dass ihm eine Duldung zu Unrecht erteilt worden ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Berufung ist nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes <SGG> form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Hamburg ist zu ändern und die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind auch insoweit aufzuheben, als dies das Sozialgericht nicht bereits getan hat. Die Bescheide des Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kommt nur § 9 Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz i.V.m. § 45 SGB X in Betracht. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahme steht dann im behördlichen Ermessen. Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die zurückgenommenen Leistungsbescheide insgesamt rechtswidrig gewesen seien. Diese Annahme war jedoch nicht zutreffend. Der Kläger war nämlich für die fragliche Zeit leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 3), Diese Berechtigung stand nicht unter dem Vorbehalt nicht rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (vgl. § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz). Dass der Kläger einen Asylantrag unter falschem Namen gestellt hatte, ist unerheblich. Für die Berechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kommt es auf die Begründetheit des Asylantrags ebenso wenig an wie darauf, ob die vom Ausländer angegebenen Personalien stimmen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Juli 1997, 5 StR 276/97 - juris -). Auch ist unerheblich, ob die - wie hier - eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz auslösende Duldung des Aufenthalts zu Recht erteilt worden ist oder ob der Ausländer hätte abgeschoben werden können (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 1. November 2007, 4 LB 577/07 - juris -).

Es mag zwar sein, dass dem ab 17. Februar 2004 (nur noch) geduldeten Kläger gemäß § 1 a Asylbewerberleistungsgesetz nur noch geringere - unabweisbar notwendige - Leistungen zugestanden haben. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass nach Ende des Asylverfahrens den Aufenthalt beendende Maßnahmen wohl hätten durchgeführt werden können, wenn er nicht über seine Identität getäuscht hätte. Damit aber dürfte die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 a Nr. 2 Asylbewerberlelstungsgesetz erfüllt gewesen sein. Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass der angefochtene Rücknahmebescheid teilweise rechtmäßig wäre. Die Entscheidung über die Rücknahme steht nämlich im behördlichen Ermessen, so dass die Rücknahmeentscheidung nur rechtmäßig ist, wenn kein Ermessensfehler vorliegt. Hier aber ist der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vollen Umfangs rechtswidrig gewesen seien. Er hat damit einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, der die Korrektheit der Ermessensentscheidung berührt. Dem angefochtenen Bescheid lässt sich nicht entnehmen, wie der Beklagte sein Ermessen ausgeübt hätte, wenn er erkannt hätte, dass die Leistungsbescheide nur teilweise rechtswidrig gewesen sein können. Daher ist nicht auszuschließen, dass er ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen hätte (OVG Lüneburg, a.a.O.). [...]