FG Niedersachsen

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Zitieren als:
FG Niedersachsen, Urteil vom 31.01.2008 - 16 K 343/07 - asyl.net: M12564
https://www.asyl.net/rsdb/M12564
Leitsatz:

Der Anspruch auf Kindergeld nach dem deutsch-jugoslawischen Sozialabkommen entfällt nicht dadurch, dass eine Sperrfrist nach § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III verhängt wurde.

 

Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Serben, Serbien, deutsch-jugoslawisches Sozialabkommen, Duldung, Arbeitslosengeld, Sperrfrist
Normen: FGO § 56 Abs. 1; EStG § 62 Abs. 2; SGB III § 144 Abs. 1 Nr. 1; SGB III § 144 Abs. 3
Auszüge:

Der Anspruch auf Kindergeld nach dem deutsch-jugoslawischen Sozialabkommen entfällt nicht dadurch, dass eine Sperrfrist nach § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III verhängt wurde.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist begründet.

Ein Kindergeldanspruch ergibt sich allerdings nicht aus dem einkommenssteuerlichen Kindergeldrecht. Gem. § 62 Abs. 2 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld nur, wenn er über einen der in § 62 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG im einzelnen aufgeführten Aufenthaltstitel verfügt. Der Kläger war jedoch nicht Inhaber eines entsprechenden Titels. Vielmehr wurde sein Aufenthalt in Deutschland lediglich geduldet. Im Falle der bloßen Duldung besteht jedoch kein Kindergeldanspruch nach dem EStG (BFH Urteile vom 15. März 2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234; vom 22. November 2007 111 R 54102, juris).

Der Kläger hat jedoch einen Kindergeldanspruch nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968. Dieses Abkommen kommt im streitbefangenen Zeitraum zur Anwendung, weil der bis zur Unabhängigkeit des Teilstaats Montenegro am 3. Juni 2006 bestehende Staatenbund Serbien-Montenegro Rechtsnachfolger der früheren Bundesrepublik Jugoslawien ("Restjugoslawien") war. Gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens hat eine Person, die im Gebiet des einen Vertragsstaats beschäftigt ist und den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, nach dessen Rechtsvorschriften für Kinder, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaats gewöhnlich aufhalten, Anspruch auf Kindergeld, als hielten sich die gewöhnlich im Gebiet des ersten Vertragsstaats auf. Ein Anspruch besteht nach dem Abkommen aber auch dann, wenn sich das Kind nicht in dem anderen Vertragsstaat - hier: Serbien - aufhält, sondern in dem Vertragsstaat, in dem der Anspruchsteller beschäftigt ist - hier: Bundesrepublik Deutschland - (BFH Urteil vom 22. November 2007 III R 54/02, juris). Satz 1 des Abkommens gilt nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 auch für Personen, die nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslosengeld erhält.

Nach Auffassung des Senats wird im Streitfall der Leistungsanspruch des Klägers nicht dadurch ausgeschlossen, dass gegen ihn wegen der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses eine Sperrfrist nach § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III von zwölf Wochen verhängt worden ist. Nach Auffassung des Senats "erhält" der Kläger auch in den Monaten Mai und Juni 2006 Leistungen der Arbeitslosenversicherung. § 144 SGB III bewirkt - im Gegensatz zu den Fällen des § 147 SGB III - kein Erlöschen, sondern nur ein Ruhen des Anspruchs auf Zahlung des Arbeitslosengelds. Dem Grunde nach steht dem Versicherten ein Leistungsanspruch gegen die Arbeitslosenversicherung weiterhin zu. Es entspricht auch nicht dem Zweck des Abkommens, in das System der Sozialversicherung integrierten Arbeitnehmern Kindergeld zu versagen, wenn allein arbeitsmarktpolitisch motivierte Regelungen wie die Verhängung von Sperrfristen bei freiwilliger Aufgabe eines Arbeitsplatzes auf den Kindergeldbezug durchschlagen. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 deutsch-jugoslawisches Sozialabkommen ist deshalb einschränkend dahin auszulegen, dass ein Kindergeldanspruch auch in den Zeiträumen besteht, in denen gegenüber der Arbeitslosenversicherung erworbene Leistungsansprüche verbraucht werden.

Der Kläger verliert durch die Verhängung der Sperre im übrigen auch nicht sämtliche Ansprüche, weil er in den Kalendermonaten Mai und Juni 2006 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zumindest teilweise einen durch die Arbeitslosenversicherung vermittelten Krankenversicherungsschutz genoss.