SG Oldenburg

Merkliste
Zitieren als:
SG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 07.05.2007 - S 21 AY 62/06 - asyl.net: M10104
https://www.asyl.net/rsdb/M10104
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Rechtsmissbrauch, Verlängerung, Duldung, Zumutbarkeit, freiwillige Ausreise, Irak, Iraker
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Klage, über die nach Anhörung der Beteiligten gem. § 105 I SGG durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann, ist begründet.

Der Bescheid der Gemeinde vom 1.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 28.11.2006 ist im Ergebnis rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG); denn sie haben zum gegenwärtigen und für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit den Regelungen des SGB XII. Die Kläger sind zwar nach wie vor und gegenwärtig nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und gehört damit zu den Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG wären abweichend von den §§ 3 bis 7 des SGB XII diese Regelungen auf diejenigen Leistungsberechtigten anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 des Gesetzes erhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst haben.

Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte kann von einem Rechtsmissbrauch erst dann ausgegangen werden, wenn ein Ausländer versucht, eine Rechtsposition unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu erlangen und auszunutzen, etwa durch falsche Angaben, um einer Abschiebung zu entgehen und so den Aufenthalt zu verlängern, was insbesondere in den Fällen zu bejahen ist, in denen eine falsche Identität vorgespiegelt wird oder wahrheitswidrige Angaben zur Herkunft gemacht werden, beispielsweise so genannte Scheinehen vorgetäuscht oder zwecks Erlangung einer rechtswidrigen Duldung bei der Beschaffung der erforderlichen Heimreisepapiere nicht mitgewirkt bzw. vorhandene Reisepapiere und die Identität belegende Unterlagen zurückgehalten oder gar vernichtet werden (vgl. hierzu grds. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2003 - 5 C 32/02 - und z.B. SG Hannover, Beschluss vom 8. Februar 2005 - S 51 AY 12/05 ER -; SG Lüneburg, Beschluss vom 17. Juni 2005 - S 27 AY 17/05 ER -; Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 2 AsylbLG Rdz. 3).

Diesbezüglich hat das BSG mit Urteil vom 8.2.2007 - B 9b AY 1/06 R zwischenzeitlich wie folgt entschieden: ...

Dieser Rechtsprechung folgt die erkennende Kammer im Grundsatz durchgängig, auch gegen die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen. Im vorliegenden Einzelfall kann ein Missbrauchstatbestand aber gerade nicht konstatiert werden, weil die Kläger wegen des Fortbestandes des Aufenthaltsrechts gegenwärtig gerade nicht ausreisepflichtig und ihrerseits für die Situation im Irak nicht verantwortlich sind. Diese Situation ist gerichtsbekannt durch die Flucht von hunderttausenden Menschen in die umliegenden Anliegerstaaten geprägt, die wegen der aktuellen Gewalttaten im Lande Leib und Leben als gefährdet betrachten. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in dieses Land zum gegenwärtigen und damit entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht zumutbar. Deshalb werden den Klägern auch seit Jahren Duldungen nach § 60a AufenthG erteilt, die im Hinblick auf die in diesem Kontext zwingend anwendbare Regelung des § 23 Abs. 1 AufenthG auch längst in ein besseres Aufenthaltsrecht hätten umgesetzt werden müssen. Dies ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte jedoch nicht einklagbar.