Studie zur Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden in den Bundesländern

Das Forschungszentrum MIDEM der Technischen Universität Dresden hat die Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden untersucht. Demnach gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern sowohl hinsichtlich des Zugangs zum Gesundheitssystem als auch hinsichtlich des Umfangs der gewährten Kostenerstattungen.

Die Studie "Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden in den Bundesländern – Rahmenbedingungen und Reformbedarfe" ist als MIDEM-Policy Paper 01/22 erschienen. Die Autorin Katja Lindner hat für die Erhebung die Flüchtlingsaufnahmegesetze sowie weitere relevante Gesetze und Weisungen der Bundesländer ausgewertet. Weiterhin wurden schriftliche Anfragen an alle zuständigen Landesministerien gerichtet. Die Ergebnisse der Erhebung sind in der Studie auch in Form verschiedener tabellarischer Übersichten zu finden.

Elektronische Gesundheitskarte und Behandlungsscheine

Erhebliche Differenzen lassen sich laut der Untersuchung schon beim Zugang zur Gesundheitsversorgung für Asylsuchende feststellen: Mehrere Bundesländer haben mittlerweile flächendeckend die elektronischen Gesundheitskarten für Asylsuchende eingeführt, in weiteren Bundesländern wurde es den Kommunen freigestellt, ob sie an entsprechenden Modellen teilnehmen. Mithilfe der Gesundheitskarten können zumindest eingeschränkte Leistungen nach §§ 4 und 6 AsylbLG über die Krankenkassen abgerechnet werden. In anderen Bundesländern sowie in einzelnen Kommunen werden dagegen weiterhin Behandlungsscheine ausgegeben - wobei es noch weitere Unterschiede danach gibt, ob diese Behandlungsscheine für mehrere Behandlungen gelten oder sogar für jeden einzelnen Arztbesuch einzeln beantragt werden müssen. Solche Barrieren könnten im Ergebnis dazu führen, dass notwendige Behandlungen aufgeschoben würden oder ausblieben und Betroffene in der Folge häufiger die Notfallversorgung in Anspruch nehmen müssten.

Auch bei Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte ist der Umfang der gewährten Leistungen allerdings nicht einheitlich geregelt, sondern abhängig davon, wie die Rahmenvereinbarungen der Bundesländer mit den Krankenkassen ausgestaltet sind. So bestünden in einigen Bundesländern nur wenige Leistungseinschränkungen, sodass Asylsuchende dort beinahe das gesamte Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen könnten. In anderen Vereinbarungen würden stärkere Leistungsausschlüsse formuliert bzw. würden Ärztinnen und Ärzte "Interpretationshilfen" über den Umfang der im Rahmen des AsylbLG zu gewährenden Behandlungen zur Verfügung gestellt.

Gegen die elektronische Gesundheitskarte sei häufig das Argument vorgebracht worden, dass mit der Karte häufiger medizinische Behandlungen in Anspruch genommen würden und dadurch die Kosten für die Kommunen nicht mehr kontrollierbar seien. Anhand der wenigen vorliegenden Berichte zu dieser Frage lasse sich dies allerdings nicht belegen. Vielmehr könnten durch den Verzicht auf die Ausgabe von Behandlungsscheinen zunächst erhebliche Verwaltungskosten eingespart werden. Ob für die Kommunen andererseits durch in Anspruch genommene Behandlungen Mehrkosten entstünden, könne außerdem von der Ausgestaltung der Rahmenverträge mit den Krankenkassen abhängen.

Erstattungen von Ausgaben an Kommunen

Bei der Erstattung von Gesundheitskosten an die Kommunen zeigen sich ebenfalls erhebliche Unterschiede: Schon im Ansatz unterscheiden sich die Systeme laut dem Policy Paper danach, ob die Kommunen eine Pauschale (für Unterbringung und Gesundheitsversorgung) erhalten oder ob die tatsächlich angefallenen Kosten abgerechnet werden. Teilweise würden auch beide Methoden kombiniert. Je nach Modell entstünden dabei für die Kommunen größere oder geringere Risiken, einen Teil der Kosten der medizinischen Versorgung Asylsuchender nicht erstattet zu bekommen. Auch die Erstattung entstehender Verwaltungskosten sei durch die verschiedenen Abrechnungsmodelle nicht immer gewährleistet. Verschärft werde die Situation unter anderem dadurch, dass es kein System für die Identifizierung und Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen gebe, obwohl für diese erhöhte Gesundheitskosten entstehen könnten. Besondere Gesundheitsansprüche besonders schutzbedürftiger Personen würden gerade bei Kostenerstattungen in Form von Pauschalen nicht berücksichtigt.

Empfehlungen

Empfohlen wird daher, bundesweit eine einheitliche Abrechnung der tatsächlich entstandenen Kosten einzuführen und zusätzlich einen Fonds für die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen einzurichten. Um das menschenwürdige physische Existenzminimum zu garantieren, sollte der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen und rechtlich-administrativen Rahmenbedingungen vereinheitlichen. Ein geeignetes Mittel könne dabei die bundesweite Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte sein, wobei deren Leistungsumfang einheitlich zu gestalten sei. Weiterhin sollten vergleichende Studien durchgeführt werden, um Kostenvor- und -nachteile der verschiedenen Modelle der Gesundheitsversorgung verlässlich ermitteln zu können.


Hinweis

Aufgrund vielfältiger Gesetzesänderungen können einzelne Arbeitshilfen in Teilen nicht mehr aktuell sein. Wir bemühen uns, so schnell wie möglich eine aktualisierte Version zu verlinken. Bis dahin bitten wir Sie, auf das Datum der Publikation zu achten und zu überprüfen, ob die Informationen noch korrekt sind.

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