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Neue Bestimmungen für aus der Ukraine geflüchtete Personen ab 1. September 2022

Am 1. September 2022 soll eine neue "Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung" in Kraft treten. Für viele Schutzsuchende aus der Ukraine ergibt sich daraus die Notwendigkeit, bis zum 31. August 2022 einen Aufenthaltstitel zu beantragen, sofern sie dies noch nicht getan haben. Wir stellen hier die wichtigsten geplanten Änderungen vor. Zudem wurden unsere "Fragen und Antworten" zu den Perspektiven von aus der Ukraine geflüchteten Drittstaatsangehörigen umfassend überarbeitet.

Der Bundesrat hatte der neuen Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UkraineAufenthÜV) bereits am 8. Juli 2022 zugestimmt, sie ist bislang aber noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Es wird damit gerechnet, dass die Veröffentlichung noch im August erfolgen wird und die geänderte Verordnung somit zum 1. September 2022 in Kraft treten kann – dies ist schon deswegen notwendig, weil die derzeit geltende Verordnung am 31. August 2022 ausläuft (die ursprüngliche Verordnung vom 7.3.2022 war am 3.5.2022 mit der Laufzeit bis Ende August verlängert worden).

Die neue UkraineAufenthÜV sieht einige Änderungen vor, die erhebliche Auswirkungen auf die aufenthaltsrechtliche Situation vieler Schutzsuchender aus der Ukraine haben:

Allgemeine Regelungen

Nach § 2 der voraussichtlich ab 1. September 2022 geltenden Fassung gilt die Befreiung von der Visumpflicht für die folgenden Gruppen (diese Personen dürfen sich also ohne ein Visum oder einen anderen Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten):

  • Alle Personen, die sich am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben und bis zum 30. November 2022 nach Deutschland eingereist sind, sind für einen Zeitraum von 90 Tagen von der Visumpflicht befreit. Dies gilt sowohl für ukrainische Staatsangehörige mit oder ohne biometrischen Pass als auch für nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die bis zum 24. Februar in der Ukraine gelebt haben (§ 2 Abs. 1 UkraineAufenthÜV, neue Fassung).
  • Ukrainische Staatsangehörige sowie nicht-ukrainische Staatsangehörige oder Staatenlose mit internationalem Schutzstatus (d.h. Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz oder ein vergleichbarer Schutz), die sich am 24. Februar zwar vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben, die aber zu diesem Zeitpunkt ihren Lebensmittelpunkt in der Ukraine hatten, und die bis zum 30. November 2022 nach Deutschland eingereist sind, sind für einen Zeitraum von 90 Tagen von der Visumpflicht befreit (§ 2 Abs. 2 UkraineAufenthÜV, neue Fassung)..

Die wichtigste Änderung besteht somit darin, dass für die betroffenen Personengruppen der Aufenthalt nur noch für 90 Tage ohne Visum (oder einen anderen Aufenthaltstitel) erlaubt ist (zu den Auswirkungen siehe den nachfolgenden Abschnitt). Zudem wird mit dem 30. November 2022 erstmals ein Stichtag eingeführt, bis zu dem die Einreise nach Deutschland erfolgt sein muss, damit die Befreiung von der Visumpflicht gilt.

Auswirkungen des neu eingeführten 90-Tage-Zeitraums

In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass der 90-Tage-Zeitraum für alle in der Vorschrift genannten Personenengruppen gilt, also auch für diejenigen, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. September 2022 nach Deutschland eingereist sind. Daraus ergeben sich die folgenden Konstellationen:

  • Betroffene, die ab dem 1. September 2022 und vor dem 30. November 2022 nach Deutschland einreisen, sind für 90 Tage von der Visumpflicht befreit (längstens also bis zum 28. Februar 2023).
  • Betroffene, die zwischen dem 4. Juni und dem 31. August 2022 eingereist sind, sind von der Visumpflicht befreit, bis ein Zeitraum von 90 Tagen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet erreicht ist.
  • Betroffene, die zu einem früheren Zeitpunkt (am oder vor dem 3. Juni 2022) eingereist sind, sind noch bis zum 31. August 2022 nach der bislang geltenden Fassung der UkraineAufenthÜV von der Visumpflicht befreit. Für sie gilt die Befreiung von der Visumpflicht ab dem 1. September 2022 nicht mehr, weil sie den Zeitraum von 90 Tagen dann bereits überschritten haben.

In der Praxis bedeutet dies, dass die Betroffenen bis zum Ablauf der 90 Tage – bzw. bei den schon länger hier lebenden Personen bis zum 31. August 2022 – die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragen müssen, um sich weiterhin rechtmäßig in Deutschland aufzuhalten. Der Antrag kann schriftlich und formlos gestellt werden, er sollte persönlich eingereicht oder mit Einschreiben übersandt werden. Der Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis führt dazu, dass sich der erlaubte Aufenthalt mindestens bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde verlängert (§ 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG). Die Behörde muss unverzüglich eine sogenannte Fiktionsbescheinigung ausstellen, mit der bescheinigt wird, dass der Aufenthalt bis zur Entscheidung über den Antrag auf die Aufenthaltserlaubnis als erlaubt gilt.

Solange sich die genannten Personengruppen rechtmäßig hier aufhalten (also für alle bereits eingereisten Personen mindestens bis zum 31. August 2022 bzw. bei neu einreisenden Personen im äußersten Fall bis zum 28. Februar 2023), kann der Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis gestellt werden, ohne dass die Betroffenen zuvor das Visumverfahren durchlaufen müssen. Es kann also regelmäßig nicht von ihnen verlangt werden, das Visumverfahren in der Ukraine oder in einem anderen ausländischen Staat – bei nicht-ukrainischen Staatsangehörigen wäre hier insbesondere der Herkunftsstaat denkbar – nachzuholen. Dies wird in § 3 der bereits geltenden UkraineAufenthÜV geregelt und in diesem Punkt unverändert auch in die Neufassung übernommen. 

Folgen der Ablehnung eines Antrags auf die Aufenthaltserlaubnis

Wird die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, führt dies ab dem 1. September 2022 dazu, dass der Aufenthalt nicht mehr rechtmäßig ist. Nach der bislang geltenden Fassung der UkraineAufenthÜV galt der Aufenthalt auch bei Ablehnung des Antrags bis zum 31. August 2022 weiterhin als erlaubt. Dies wird nun durch die neue UkraineAufenthÜV grundlegend geändert, indem ausdrücklich klargestellt wird, dass die Befreiung von der Visumpflicht nur gilt, "solange keine ablehnende Entscheidung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels getroffen wurde" (§ 2 Abs. 3 UkraineAufenthÜV neue Fassung). 

Während ukrainische Staatsangehörigen regelmäßig einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz (§ 24 AufenthG) haben dürften, ist dies bei vielen nicht-ukrainischen Staatsangehörigen und bei Staatenlosen, die sich bei Ausbruch des Krieges in der Ukraine aufgehalten haben, nicht der Fall. Die Änderung der UkraineAufenthÜV dürfte auf diese Personen daher die gravierendsten Auswirkungen haben. So ist bei nicht-ukrainischen Staatsangehörigen sowie Staatenlosen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG beantragen, zu prüfen, ob sie eine Rückkehrmöglichkeit ins ursprüngliche Herkunftsland haben. Dies wird voraussichtlich in vielen Fällen eine Hürde darstellen, an der die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG scheitern kann.

In diesen Fällen ist allerdings auch noch zu prüfen, ob die betroffenen Personen Aussicht darauf haben, einen anderen Aufenthaltstitel zu erhalten (beispielsweise aus familiären Gründen oder für ein Studium oder für eine Tätigkeit als Fachkraft). Wenn hierfür eine Perspektive besteht, können die Behörden längerfristige Fiktionsbescheinigungen ausstellen, damit die Betroffenen die Chance bekommen, die notwendigen Voraussetzungen für einen anderen Aufenthaltstitel zu erfüllen. Eine solche Möglichkeit hat vor wenigen Tagen das Land Berlin geschaffen: Aufgrund eines Senatsbeschlusses kann aus der Ukraine geflohenen drittstaatsangehörigen Studierenden in Berlin künftig eine Fiktionsbescheinigung für sechs Monate erteilt werden. In diesem Zeitraum sollen die Betroffenen den Nachweis eines Studienplatzes vorlegen. Der Berliner Flüchtlingsrat sieht in dieser Regelung einen "Schritt in die richtige Richtung", der allerdings zu kurz greife. So sei es aufgrund der Sprachanforderungen und aufgrund formaler Hürden (darunter der nur einmal im Jahr stattfindenden Bewerbungstermine der Hochschulen) für Betroffene kaum möglich, innerhalb von sechs Monaten die Voraussetzungen für den Hochschulzugang zu erfüllen. Vor allem aber bleibe bei der Berliner Regelung die Situation für nicht-ukrainische Staatsangehörige, die keine Studierenden seien, vollkommen ungeklärt (Pressemitteilung des Flüchtlingsrats vom 16. August 2022).

Aktualisierte Informationen zum Thema

Claudius Voigt (GGUA Flüchtlingshilfe Münster) hat unsere Seite "Fragen und Antworten: Perspektiven für nicht-ukrainische Staatsangehörige, die aus der Ukraine geflüchtet sind" vor dem Hintergrund der neuen Übergangsverordnung umfassend überarbeitet.

 


Hinweis

Aufgrund vielfältiger Gesetzesänderungen können einzelne Arbeitshilfen in Teilen nicht mehr aktuell sein. Wir bemühen uns, so schnell wie möglich eine aktualisierte Version zu verlinken. Bis dahin bitten wir Sie, auf das Datum der Publikation zu achten und zu überprüfen, ob die Informationen noch korrekt sind.

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