EuGH entscheidet über die Bindungswirkung der Schutzzuerkennung für andere Mitgliedstaaten

Der EuGH hat am 18.06.2024 über die Bindungswirkung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten entschieden. Demnach sei bisher zwar keine Regelung umgesetzt worden, dass eine Verpflichtung bestehe, die Entscheidung eines anderen Mitgliedstaat automatisch zu übernehmen. Die Mitgliedstaaten müssen aber einen Informationsaustausch mit dem anderen Mitgliedstaat anregen, und diese in ihre Entscheidung miteinbeziehen.

Das Verfahren vor dem EUGH (Urteil vom 18.06.2024 - C-753/22 - QY gg. Deutschland - asyl.net: M32485) betrifft die Frage, ob ein Mitgliedstaat bei der erneuten Prüfung eines Asylantrages an die bereits ergangene Entscheidung des anderen Mitgliedstaates gebunden ist oder in einer erneuten Prüfung sachlich unabhängig und mit anderem Ausgang entscheiden kann.

Der EuGH hat entschieden, dass wenn die Entscheidung über die Zuerkennung von internationalem Schutz eines anderen Mitgliedstaats nicht übernommen wird, so besteht die Verpflichtung über einen Informationsaustausch mit diesem Mitgliedstaat und alle Anhaltspunkte, die zu dieser Entscheidung geführt haben, sind in vollem Umfang zu berücksichtigen.

Dem liegt zugrunde, dass ein Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn ein anderer Mitgliedstaat bereits internationalen Schutz zuerkannt hat. Eine Ablehnung als unzulässig kommt nur dann nicht in Betracht, wenn aufgrund der Lebensumstände, die konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR- Charta/Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr in den Mitgliedstaat zu erwarten wäre (vgl. in EuGH, Urteil vom 19.03.2019 - C-297/17; C-318/17; C-319/17, C-438/17 - Ibrahim u.a., Magamadov gg. Deutschland - Asylmagazin 5/2019, S. 195 f. - asyl.net: M27127; Urteil vom 13.11.2019 - C-540/17; C-541/17 Deutschland gg. Hamed und Omar - Asylmagazin 1-2/2020, S. 35 f., asyl.net: M27836). Dann wird der Asylantrag inhaltlich geprüft.

Eine Regelung, die sämtliche Rechte, die mit der Flüchtlingsanerkennung oder dem subsidiären Schutz einhergehen, der von einem Mitgliedstaat gewährt und von allen anderen anerkannt wird sowie in der gesamten EU wirksam sein soll, ist bislang nicht umgesetzt. Daher besteht auch keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die von einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidungen über internationalen Schutz automatisch anzuerkennen.

Neu ist nunmehr, dass in die (neue) vollumfängliche Prüfung des Asylantrages die Entscheidung des Mitgliedstaates, der bereits eine Entscheidung getroffen hat, mit einzubeziehen ist. Dabei muss die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die über den neuen Antrag zu entscheiden hat, unverzüglich einen Informationsaustausch mit der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates einleiten. In diesem Verfahrensschritt soll mitgeteilt werden, dass ein erneuter Antrag gestellt wurde und eine dazugehörige Stellungnahme übermittelt werden. Angefordert werden sollen alle Informationen von dem Mitgliedstaat, die zur Zuerkennung des internationalen Schutzes geführt haben. Diese Informationen sollen dazu dienen, die Prüfung des erneuten Asylantrages in voller Kenntnis der Sachlage vorzunehmen. Vollumfänglich zu berücksichtigen sind dabei die Entscheidung über den Status selbst und alle Anhaltspunkte, die zur Zuerkennung von internationalem Schutz geführt haben.


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